Neue Zeitung, 1981 (25. évfolyam, 1-52. szám)

1981-01-17 / 3. szám

3/1981 SCHNAPPSCHUSS IN G UTTAMÁSI „To is tr Stock, to steht tr Stock...“ Die Fischer-Mari-Bas’ in Gutta­­mási, Komitat Fejér, kennt man im Dorf und seiner Umgebung sehr gut: Früher wurde sie zu Hochzeiten als Köchin eingeladen, ihre Speziali­tät sind Torten und Kleingebäck. „Wir haben für eine Hochzeit 35—40 Torten gebacken und ver­ziert“, erzählt sie darüber. „Das waren noch Hochzeiten! Na ja, die Mode ist anders geworden, wir leben in anderen Zeiten. Aber die schöne Blasmusik, die gefiel mir sehr. Es lebten hier keine reichen Leute. In jeder Familie gab es meistens drei-vier, ja sogar sechs bis acht Kinder. Das Feld, das war alles. Ein jeder Bauer hat sich bemüht, Feld zu kaufen. Und dann hat die Familie es aus eigener Kraft bebaut. Die Mädchen mußten genauso mit­machen wie die Jungen. Ich habe mit 13 angefangen, dann wurde ich schon nach Stuhlweißenburg/Sze­­kesfehérvár geschickt: In den Win­termonaten arbeitete ich als Magd bei einer reichen Familie, als dann der Frühling kam, bin ich wieder nach Hause und arbeitete wie die anderen draußen auf dem Feld. Die noch ärmer waren, gingen für Tagelohn arbeiten. Wie mein Mann zum Beispiel. Sie waren sechs Ge­schwister, das Feld war klein, sicher­te nicht das tägliche Leben. Wir heirateten Anfang 1942. Heute ge­stehe ich schon, es war keine große Liebe, es ging um Haus und Hof, die sollten vereinigt werden. Un­sere Häuser standen in einem Hof. Das war dann unser Schicksal. Scheidung ? Damals kam sowas nicht vor. Außerdem kann ich nicht kla­gen, er war und ist ein guter Mann. Nur schade, daß wir keine Kinder haben. So wohnen wir jetzt mit meiner Kodl, ihrem Mann und deren zwei Kindern zusammen. Ich liebe sie wie meine Enkelinnen. Erzähle ihnen oft über unser Leben. Der Tibi ist zehn, die Andi erst acht Jahre alt. Ich schaue ihnen oft nach, wenn sie in die Schule gehen, wie schön sie gekleidet sind. Ich hatte ein Paar Schuhe, die wurden jeden „Ein Bild mit den Schwägerinnen, Frau Anna und Theresia Fischer aus dem Jahre 1943. Ich stehe in der Mitte“ Samstag schön geputzt, die Schürze ausgewaschen, gebügelt und fertig. Aber jetzt habe auch ich neun Paar Schuhe“, lacht die LPG-Rentnerin gutaufgelegt. Dann sucht sie alte Fotos. Zeigt die Familie, ihre Schwester, Schwägerinnen, Schwä­ger. Die Rückseite der Bilder ist beschriftet, das Datum ist überall zu lesen, orientiert. „Hier mein Mann und ich mit den beiden Rossen, das ist schon nach der Befreiung. Wie waren wir stolz darauf! Unser großer Wunsch war immer eine Kuh, die viel Milch gibt. Dann hatten wir auch mal 15 Kühe, als wir schon LPG-Mitglieder waren, aber die LPG hat uns nicht viel unterstützt, so haben wir auch die letzte, einzige Kuh abgegeben. Oft sehe ich im Fernsehprogramm, was die LPG-Bauern alles erhalten, um die Viehzucht zu fördern. Die Leute hier sind auch sehr fleißig. Das steckt einem jeden im Blut. Zu jedem Haus gehört ein Garten, unser ist 1000 Klafter groß. Wir haben auch 200 Klafter Weingarten. Bauen Kukurz an, und alles, was wir für die Küche brauchen. So ver­gehen die Tage schnell. Ich koche jeden Tag für die Familie, die Kinder kommen aus der Schule, erzählen, was sie gelernt haben. Beide lernen auch deutsch. Es freut mich, wenn sie deutsch sprechen oder lesen. Manchmal helfe ich auch, wenn ich kann, und erzähle ihnen Ge­schichten, singe Lieder vor, na in „I)a stehen wir mit den beiden Rossen, Anfang der fünfziger Jahre“ unserem Dialekt halt. Aber ich war schon bei meinen Schwestern in der Bundesrepublik Deutschland und weiß, damit kann man auch so weit kommen wie mit der ,Richtigen*. Mich hat jeder verstanden, und ich sie auch. Ja, sogar was im Fernsehen zu hören war, habe ich verstanden. Seitdem bin ich beruhigt, daß ich den Kindern doch helfen kann. Zu­letzt habe ich der Andi beigebracht, wie wir damals Weinstöcke gebun­den haben. Während ich gesagt habe: ,To is tr Stock, to steht tr Stock, to hat tr Stock sei Pantl‘, war ich auch schon mit einem Stock fertig. Da hat sie nur gelacht, das wollte sie nicht glauben. Aber ich zeig’ ihr nächstes Jahr, wie einfach das geht. Tibi und Andi werden ein anderes Leben haben: Sie lernen gut. Ich möchte noch erleben, daß sie groß werden“, sagt Mari-Bas’. — mayor — „Unser Haus heute, natürlich umgebaut und modernisiert“ „Unser Hochzeitsbild ans dem Jahre 1942“ „Heute kann ich nicht mehr so Schritt halten...“ „Ich bin in Tamási in der Tolnau geboren. Dort arbeitete ich als Knecht in Obst- und Weingärten. Ende der dreißiger Jahre kam ich nach Pestújhely, wo ich dann mein Brot als Industriearbeiter verdiente. Schon als junger Mann schloß ich mich der Arbeiterbewegung an, und nach der Befreiung arbeitete ich als Stadtbezirksparteisekretär in Bu­dapest“, erzählt der 74jährige Wen­delin Pruck, der heute noch — ob­wohl er ja schon Rentner ist — aktiv in den Obstplantagen der LPG „Sasad“ in Wudersch/Budaörs ar­beitet. Sein reiches Fachwissen, seine Erfahrungen gibt er gern den Ju­gendlichen weiter, die Wendelin- Vetter dafür dankbar sind. 25 Jahre lang arbeitete er in der Genossen­schaft, als er 72 wurde, ging er erst in Rente. „Vom Garten, von den Wein­stöcken, von meinen ehemaligen Arbeitskollegen, ja vom Kollektiv kann ich mich einfach nicht trennen. Auch heute noch komme ich jeden Tag rein. Gerade habe ich wieder im Weinberg geschafft. Arbeite ich mit den jungen Leuten zusammen, kann ich heute nicht mehr so Schritt halten. Aber früher arbeitete ich auch langsamer, ich muß gestehen, daß meiner Meinung nach gründliche Arbeit Zeit beansprucht. Doch man hat mir nie was gesagt, sie kannten doch hier alle meine Arbeit...“ Auch in seiner Freizeit schafft Wendelin-Vetter im Garten. In sei­nem sich am Hang des Rupp-Berges erstreckenden Garten kann man sich vom Frühjahr bis zum Einzug des Winters an frischem Obst laben. Besonders mag er Pfirsiche, von denen er auch 1980 etwa fünf Doppelzentner an die Genossen­schaft ablieferte. Bei der Garten­arbeit unterstützen Wendelin Pruck seine Frau und seine beiden Töch­ter. Aber auch die kleinen Enkel packen schon fest mit an, vielleicht werden auch die einmal so besessene Gärtner wie der Großvater! Für seine 25jährige verdienstvolle Arbeit wurde Wendelin Pruck von der LPG mit einer Geldprämie be­dacht und erhielt auch den „golde­nen Ring“ der Genossenschaft. B. Kratochwlll Wendelin Pruck NEUE ZEITUNG 3 STEINBRECHER IN BOGDAN Handwerk im Aussterben Mit dem Siegeszug der Industrali­­sierung — und damit dem Einsatz großer und moderner Maschinen — wurde die Bedeutung des Hand­werks mehr und mehr in den Hin­tergrundgedrängt. Findet man heute auch noch zahlreiche private Hand­werker, so sind doch solche, die in größeren Betrieben mit Methoden vergangener Jahrhunderte arbeiten, eine Seltenheit. Zu ihnen gehören auch die letzten vier Steinbrecher in Bogdán/Dunabogdány, die im dor­tigen Steinbruch mit herkömmlichen Werkzeugen — Hammer und Mei­ßel — die kleinen Quadersteine bis zum Versand bearbeiten. Vor einigen Jahren waren es ihrer zwölf, und auch die letzten vier—An­dreas Knab, Robert Griff, Johann Albins und Johann Lang —- haben in Kürze das Rentenalter erreicht. „Damit stirbt dann auch bei uns hier eines der uralten Handwerke aus. Diese Handwerker sind sowieso die letzten im Lande überhaupt”, erfahren wir von Oberbergbaumei­ster Stephan Tomik, früher selbst als Steinbrecher tätig. Gut erinnert er sich noch an die Anfangsjahre. Mit 11—12 Jahren, eigentlich noch Kinder, kamen sie hierher in den Steinbruch, der schon ihren Vor­fahren den Lebensunterhalt sicherte. Da hieß es erst einmal tüchtig zu­packen und nebenbei natürlich auch lernen. „Als ich dann 16 war, bekam ich zum ersten Male die Werkzeuge der Steinbrecher in die Hand mit der Bemerkung : Wenn du hier et­was produzierst, kriegst du auch.” Der Arbeitstag war lang und die Arbeit schwer. Und als wir nun heute, fast am Ende des 20. Jahr­hunderts, durch den Steinbruch ge­hen, müssen wir — mit leichtem Erstaunen — feststellen, daß die alten Steinbrecher immer noch auf die gleiche Art und Weise arbeiten. Die großen, abgebrochenen Blöcke werden mit Hilfe von Schießpul­ver — die Sprengrichtung mit einem Keil sorgfältig markierend -— ge­sprengt. Nur gesunde, d.h. über keinen Bruch verfügende Blöcke sind dazu geeignet. Die voll bela­denen Loren mit dem zerkleinerten Material rollen zu den etwas weiter stehenden Bretterhütten der Stein­brecher, die sich hier, vor Wind und Wetter etwas geschützt, mit Hammer und Meißel an die Arbeit machen. Die fertigen Steine gehen größtenteils in Gärtnereien, der Ab­fall wird beim Straßenbau verwen­det. Warum die Steinbrecher bei dieser heute schon nicht mehr ren­tablen Arbeit ausgehalten haben, dafür gab es verschiedene Gründe. „Zunächst war es hier in Bogdan eine Tradition und dann hatten wir in unserer Jugend auch wenig an­dere Arbeitsmöglichkeiten. Da war es ganz natürlich, daß wir hier im Steinbruch angefangen haben“, meint Andreas Knab. Und einer sei­ner Kollegen setzt hinzu: „Die Ver­kehrsmöglichkeiten waren ja auch nicht die besten, und die 40 km in die Grube nach Dorog mit dem Fahr­rad oder gar zu Fuß waren un­menschliche Strapazen.“ Die Fami­lie, der Garten, hier und da Privatar­beit beim Bau banden die Stein­brecher endgültig an ihren Heimat­ort. Im Laufe der Zeit besserte sich auch der Verdienst, und heute liegt ihr Einkommen bei ca. 5 000 Forint, meinen sie zufrieden. „Wenn auch bald die mühselige Arbeit der Steinbrecher eingestellt wird, so läuft die Arbeit hier im Steinbruch trotzdem weiter“, geht Betriebsleiter Stephan Kugler auf die Zukunft über. Moderne Maschi­nen aus der DDR, Österreich und Ungarn brechen und verarbeiten den hier gewonnenen Stein, das An­­desit. Ein Großteil wird beim Bau der Wasserstufe in Nagymaros so­wie beim Brücken- und Straßenbau verwendet. Gearbeitet wird in zwei Schichten. Zu den Sozialleistungen der Betriebsleitung für die unge­fähr 130 Werktätigen zählen auch die acht Zweieinhalb- bzw. Drei- Raum-Wohnungen, die hauptsäch­lich an kinderreiche Familien ver­geben wurden. — dohndorf — Die Vorbereitung: zum Sprengen des Steinblocks erfordert eine präzise Arbeit. Andreas Knab (links) verfügt über viele praktische Erfahrungen Stephan Tomik: „Die Arbeit der Stein­brecher ist heute genauso schwer wie vor 50 Jahren.“ Mit Loren wird das Gestein vom Abbruchort zur Weiterverarbeitung transportiert Fotos: Éva Bozók

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