Oedenburger Zeitung, 1879. September (Jahrgang 12, nr. 106-117)

1879-09-03 / nr. 106

p« « J I 106. anne aa _ Mittwoch, 3. September 1879. XI Sabrgang. -Oedenburer Zeihung, (vormals „O­edenburger Nachrichten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für sociale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr? — Bedrücken zur Wehr! — Der Wahrheit eine Gaffe.” DIE­« Das Blatt erscheint jedensmikwostj.Jktkiiaquadronntas. Fräuumarmen-Kreise: Für Loco-Ganzjährigsfl.,albjährigstfl.50­r«, VierteljährigLsi.25kk­,monatlichlsL FürAufwär­ts:Ganzjäriglsfl.,Halbiiihrigsfl.,Vier­­teljähtingL Alle für daclattbestimmten Sendunen,mit Ausname vo­nsemtemtäm­merations-und Injectiont­­geühren sind an die Reaction portofrei einzusenden. Redaktion: Sdminifikation­zdllerl am Erpeditiom Hrabenrunde NK­TZC Neugasse Nr. 18, im, Stock. Einzelne Nummern follen MED Kreuzer. K­. A­T -«ZS Sultite vermittelmhieben­en Hafenstein,Vogler,Wall­­filmgqsselC Wien,Budapest c.A.O­ppelik,l.,Stubenmueiz Wien.Heinrich­ Schaler,1.Lutgerstrasses,828ie11. Infertionssypebührg 5kk.fi­r die einspaltige,101r.für die zweispaltie,151r.fi­r die dreispaltige und Lukr.fü­r die durchlaufende en­tzeilt e P­olusive der Stempelgebühr von 30 fr. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprechender Rabatt. Das Morgenroth einer hesseren Zeit. Dedenburg, 2. September 1879. Der dies­jährige Erndteausfall ist eine schwere Kalamität für Ungarn, denn leider frügt er die E­xi­­stenz des weitaus größten Theiles der vaterländischen Bevölkerung auf die Resultate der Boden-Produktion. Sobald elementare Ereignise die Frucht der Arbeit eines ganzen Jahres zerstören, hat der Desonom und selbst der Großgrundbesiger — der Magnat — nicht zureichende Mittel mehr, um dem­ Handelsmanne, dem Industriellen zu verdienen zu geben, verdient Letterer wenig oder nichts, so kann er seinen Steuerverbindlich­­keiten nicht nachkommen und auf diese Art ist der finanzielle Nuin des ganzen Staates die natürliche Folge von Mißerndten. Diese Erscheinung tritt aber nur in jenen Staaten zu Tage, wo — wie eben in Un­­garn — die Agrikultur die Basis der volks- und staatswirthch­aftlichen Situation und mithin­ der jewei­­lige Bodenertrag der Gradmesser des herrschenden Wohl­ oder Mitstandes ist. 68 tritt daher, sollen wir endlich das Morgenroth einer besseren Zeit anbrechen sehen, an Ungarn die gebieterische Pflicht heran, Mittel um jeden Preis ausfindig zu machen, damit das Reich des heiligen Ste­­fans allgemacn unabhängig von den Yauk­ır des Wetters werde und namentlich, damit er jenen mörde­­rischen Kampf nit mehr zu führen brauche der ihm in der immensen Konkurrenz Amerikas, in Bezug auf Brodfrüchten-Erzeugung erwährt, ein Kampf der gera­­dezu aussichtslos ist, die amerikanischen Getreideschiffe entladen sich einer solchen Masse von Cerealien auf den europäischen Märkten, dag Ungarn selbst in seinen ges­­egnentsten Jahren nur sehwer fonfuh­ren kann. Diese Thatsahen, die wir hier flüchtig berü­hrt haben, sind längst nicht bloß im den volfswirthschaftli­­chen Streifen unsers Vaterlandes, sie sind allenthalben befannt. Schon seit langer Zeit sind die bemeldeten Verhältnisse, respektive deren Abhilfe, Gegenstand der erneuten Erwägung aller denkenden Köpfe im Lande und nur zu berechtigter Weise hat sich auch schon wieder­­holt eine oder die andere Bewegung Fund gegeben, die in der Richtung Bahn fi breden wollte, wiear­­tig unsere Arbeitskraft und intellektuelle Befähigung auszuwügen sei, um Ungarn auch noch andere Erwerbs­­quellen zu eröffnen, als diejenigen sind, die aus den, von der Pflugfehaar gerissenen Aederfarcen fliegen. Die erwähnten Bewegungen haben vielerlei Be­­strebungen zur Folge gehabt, aber zumeist wurden fal­­sche Bahnen eingeschlagen, weil die richtige Initiative, die naturgemäß berufene Führerschaft fehlt. „Der "Beiter Lloyd" hat vollständig recht, wenn er diesbezüglich Die Negierun­g als den einzigen, richtigen Pionier bezeichnet. Wen stünde es denn eher zu, voran zu schreiten, die Richtung zu geben und die Wege zu ebnen ; von wen wäre man mehr berechtigt zu fordern, daß er an die Spike trete, als von dem­­jenigen, der von Staats wegen die Interessen der Pro­­duktion und des Verkehrs zu wahren und zu vertreten hat , und diese Vertretung fällt d­och der Regierung anheim. Leider sind wir aber in der befragenswerthen Lage gerade den Leitern für Ungarns Handel und Kommunikationen, also diese beiden ausschlaggebendsten Neffortministern den begründeten Vorwurf in’s Ange­­sicht schleudern zu müssen, das sie bisher so viel wir gar nichts gethan haben, um Herren der Situation zu bleiben, daß sie in Feiner Frage die Initiative er­­­griffen haben, daß sie die Ereignisse an sich herantreten Lie­ Ben, ohne sich im vorhinein für dieselben in Bereitschaft zu fegen. Tag um Tag, Monat um Monat vergeht und nichts verlautet von den Mairegeln, welche die Negierung getroffen hat, oder treffen will, um unsere Ge­­werbe und unsere Spindustrie zu heben, unseren Ver­­fehr, sei es des Exportverkehres unserer Rohprodukte nach dem Westen, oder unserer gewerblichen Erzeugnisse nach dem Often, vor Verationen zu fügen oder zu er­­leichtern. Die Handelspolitik der Meonarchie scheint, wie Kaiser Rothbart im Kyfhäuser, eingeschlafen zu sein und erst wach werben zu sollen, wenn einmal die Naben des Unglücks sie umschwirren werden ; die alten Verträge sind erloschen, wir leben im einem fort­­währenden Provisorium, während dessen Dauer in unserer nächsten Nähe und dem für und wichtigsten Ver­ehrsgebiete die großartigsten zollpolitischen Veränder­­ungen durchgeführt werden und beinahe in allen Staaten des Kontinents die bisher geltenden Handels und Verkehrsprinzipien den heftigsten Erschütterungen aus­­geset sind. Bei uns, ach ! rührt sich seine Hand. Wer wühre das nicht: der Orient ist unser natürliches Abfaggebiet, unsere politische, intellektuelle Ueberlegenheit, unsere Kapitalskraft, unsere entwickelteren Handels-, Industrie- und Verkehrsverhält­­nisse, der Lauf unseres mächtigsten Stromes weisen uns auf die Balfan-Halbinsel, und wenn es legitime Netze zur Okkutivung eines Handelsgebietes­ gibt, dann haben wir dieselben auf das Handelsgebiet an der untern Donau. Was ist nun im Verlaufe eines Jahres geschehen ? Trog unserer politischen Präponde­­ranz, troß der Unterfrügung, die wir den berechtigten Wünschen der Bölkerschaften an der untern Donau re BEN N NN Deeuwe: Jeuilleton. „Der lange Schorid.” Bon Albert Frankl. (Fortlegung.) Monate waren vergangen. Schoich und Leni fa­­en wieder nachdenkend beisammen, berechnend, wo sie das Geld hernehmen sollten, um morgen einen harten Gläubiger, dem sie sich mit Haus und Hof verjär­el­ten, zu befriedigen. Die Zeiten waren schlecht gewesen, die allgemeine Krise hatte all die beiden Alten nicht unberührt gelassen und Michel hatte auch das Seine gethan. — „Ich find’ Kein’ Ausweg, Leni, ich mag den Kopf anstrengen wie ich will — mir find ruinirte Leut’ !“ — „Aber das Geld, das wir —" „hat auch sein’ Abnehmer g’funden. Heut’, wo’s schon alles Eins ist, kannst Du’s wissen. Was mir die schlechten Zeiten nicht­­ g’nommen haben, das hat Dein Bub, der Micel g’nommen !" — Sein Blif wurde unruhiger und ein leises Zittern durchbebte den starren Körper. „„reil­t, ich hätt’ damals furzen Prozeß machen können," sagte er düster vor sich bin, ich hätt’ ja nichts zu thun braucht, als den Brief, den ich da bei mir trag’, beim G’richt zu de­­poniren, na, und Mordbrenner, die weiß das G’richt ihon finden!” „Er wird doch nicht ! der Michel!’ „‚Steilic hat er wollen! Weißt Leni, was er wollen hat? — Aber Du mußt wegschauen — der Doktor hat’8 zwar verboten — aber Du must’8 doch endlich wissen, damit — Der Michel hat uns wollen den rothen Hahn aufs Dach jegen und wenn das mod nicht g’nug ist, so — erspar’ mir ’8 Weitere — ich werd’ selbst voth dabei! — Na und jeßt weißt, wo ’8 Geld ist! — Aber ich weiß nit, wo morgen Eins hernehmen! Die Leut’ auf der Welt schau’n mir gar nicht darnach aus, als ob j’ ein Erbarmen rennten! — Der fon gar nicht, der mor­­gen kommen wird! — „Geh’ trafen, Leni," sagte er plöglich, „ich komm’ bald zurüc!“ und damit war er bei der Thüre draußen. — Auf dem Wege zu dem Manne, der ihn morgen an den Bettelstab bringen konnte, ließ er nit Gnade für sein Necht ergehen, begegnete er einer, aus einem Wirthshause kommenden, lustigen Gesellsshhaft ; der Lu­­stigste darunter war — Midhel. „Was, Freunderl,“ lal­te er, „ich bin halt ein fideles Haus! Alleweil fidel, fidel! So lang der verfligte Kerl, mein Alter, hergibt, geht’S ung Allen gut! Und er gibt schon noch die paar Sahrl, die er’s noch mitmacht, dann g’hört­e Alles mir und gar so lang dauert’ ja nicht mehr !" „Haft Recht Michel, hlehter Bub! haft Net !" murmelte Schorch in sich hinein, in eine Seitenwasfe einbiegend, damit sein Sohn in der Unterhaltung nicht gestört sei. Noch einmal wandte er sich nach ihm um; die erhobene rechte Hand mit dem drohenden Zeigefinger, schien jagen zu wollen: Michel, Du hast uns alle Zwei am Gemissen; dann beschleunigte er seine Schritte, von Jammer und Herzeleid dazu getrieben. — Zwei Stunden später saß Shorih an Leni’s Bette. Wehmüthig auf sein schlafen­­des Weib blli­end, ließ er all’ die Erlebnisse der legten Jahre vor seinem Inneren vorüberziehen. Er erinnerte sich genau der Zeit, wo er zum ersten Male den häß­­figen Karakter Weidels entdeckte; er sah ihn vor fi­fzehn als zwölfjährigen Knaben . Schorch­­atte ihm damals eines kleinen Halsleidens halber das Baden im nahen Bade verboten ; der Junge aber, in dem ihn beinahe abgöttlsch Liebenden Stiefvater stets nur seinen Feind erblidend, stand da, mit geröthetem Antlige, die Augen wild wollend, die Hand bewegte sich in der Ta­­uce, als suche sie dort nach dem Messer und mit einem „8 ist Schon gut!" ging er nach der Küche, seinem ge­­pregten Zorne dur das Zerschlagen einiger Teller Luft machend. — Und heute sogar no liebte er den Wickel und wollte er, aus Liebe für ihn, sein jegiges Unglüc auf Rechnung von was immer fegen, es ging nicht, trat der Vater vor dem Menschen zurück, so war Wi­­el allein Derjenige, der Alles verfeuldet hatte. — „Siehst Leni, jegt wär’s gut, wenn’s’dh gar nimmer aufwachest,“ sprach er vor si hin: „Du thät’st von nie mehr wissen und häst ein’ Fried’. — Ein Seuf­­zer entrang sich der Brust seines schlafenden Weibes, Ihm ver­athmete sie, und nur um ihre Lippen schien ein lächelnder, beinahe freudiger Zug zu schmeben. „Ich werd’ Schlafen gehn,” meinte Schorch, aus feinem dums­­pfen Hinbraten erwachend, „heut’ zum legten Mal in mein’ Haus, will ich noch einmal gut ausruhen wenn’s geht! wenn’s geht! Gute Nacht Leni, gute Nacht !! — Aber der Schlaf floh ihn. Unruhig sich auf seinem La­­ger wälzend,glaubte er plöglich, feinen und Michels Namen leise rufen zu hören. Er richtete sich erschroden auf, eilte zu Leni, kam aber gerade noch recht, um ihre treuen Augen für immer sich schliegen sehen. — — Ob Scheich damals weinte? Wer kann das genau jagen ? Am Morgen stand er vor seiner Thüre, offen­­bar wartend, ob jemand vorbeiginge. Ein Mä­dchen des Nachbars war die Erste; er rief sie beim Namen, das Kind sah nach ihm, lief aber schreiend davon, zu Hause erzählend, der Gaffner Schorch müßte verrüct geworden sein, wenigstens d’reinschauen thäte er so. Der Nachbar ging man hinüber; Schorch stand so dort, till in’S Leere blidend. Den Nachbar, der ihn fragte was e8 gäbe, führte er im’$ Zimmer. „Er habt fan Sohn, Klaus, seid’s froh, da Lebt Euer Weib län­­ger,‘ meinte er, auf Yeni zeigend. „Jesus! Euer Weib it —" ‚Pit Nachbar! Nicht so laut, sie könnt’ sonst wo einmal aufkommen, und das will ich nicht! sagte Schurfh, nach dem Kopfe greifend. „Pit Nachbar ! Still! Und jest hätt ich noch eine Bit!’ an Euch, Ich frieg heut, no Gäst’, geht’3­hr für mich auf’s Amt nein und auch gleich zum Pfarrer! „Nicht wahr, Nachbar Maus,‘ begleitete er ihn hinaus, „wir leben jegt in einer schön’ Zeit! — Aber wenn Euer Weib Euch no ein Klein’s schennen sollt, nur fein’ Bub’n, Nach­­bar Maust nur kein’ Bub'n!’ — Dann ging er hi­­nein, der Dinge, die da wo kommen sollten, warten. (Schuß folgt.)

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