Oedenburger Zeitung, 1880. Februar (Jahrgang 13, nr. 14-26)

1880-02-01 / nr. 14

| Wedenburger Theater. (,,Die Gypsfigur«»Die Schwächerin von Saragossa­«—) Allgem­ein wird­ die immer weiter um sich greifende Versumpfung,ja man könnte sagender Verfall der deutschen Literatur in Jammertiraden beklagt und wer"sich Mühe nimmt den ästhetischen Werth unserer heutigen Bühnenprodukte überhaupt unter das Scöh­­­messer der Kritik zunehme und er wird solche Klagen nicht nur vollkommen gerechtfertigt finden,sonder überrascht sein von dem ihm gebotenen Skelet,das so ganz des gestunden Fleisches,des gesunden Blutes entbehrt.Und wo ist die Quelle dieses Uebels zu suchen?Einzig und allein in der sorrupten Geschmacksrichtung unserer materialistischen Zeit,obgleich wir anerkennen müssen, daß der Zeitgeschmack eine Macht ist,der man mit Doktrinen nicht entgegentreten kann.Das Losungswort unserer heutigen Theaterdirektoren muß daher folge­­richtig das»vonmustum,sedmulta«sein.Denn um die unersättliche Gier nach Novitäten zu befriedigen,­­muß man auch mit minder Gediegenem vorliebnehmen, und diejenigen Autoren, die früher das edle Streben zeigten, an dem weiteren Glanze der Literatur mitzu­­arbeiten und sich dadurch einen Namen auf literarischem Gebiete zu machen, sind heute ohne jede Nachkiihtnahme auf eine ethische Basis nur mehr von dem Jagen nach materiellen Glückkgütern befeelt. Und so kommt es denn das die meisten Bühnen mit .Machwerten niedrigster Sorte überfluthet werden. Wir wollen dies nicht ge­­trade auf „die Gypsfigur” gemünzt wissen, denn an Posjen läßt si überhaupt kein Maßstab der Kritis an« legen. Dieselben bieten zum großen Theile ein Tohuma­­bobu pudelnärrischen Zeugs, bei dem einfach darauf ab» gezielt wird, die Lachnerven zu reizen. Gelingt Dies, so ist die Posje, je nach dem erzielten Lacheffekte, eine mehr oder weniger gelungene. „Die Gypsfigur­ von Taube liegt zwischen dem Guten und Schlechten in der goldenen Mittelstraße. Manch drollige, ja burlest tomische Szene enthält das Opus des Redakteurs des Wiener „Kileriti“, sowie man frugalen, doch das Alter längst zernagten Scherz , und hätte die Darstellung nit unter dem sehr fühlbaren Drude mangelhaften Memorirens gelitten, so wäre auch das Stück besser über Wasser zu halten gewesen. Einige Darsteller thaten wol das ihre, insbesondere Frl. Bisenz als „Therese" (die als Benefiziantin mit einem practvollen Blumenbouquet und einem Lorbeerfrange ausgezeichnet äußert sympathisch begrüßt wurde) gab es alle Mühe dem ihr nicht geläufigen Dialette womöglich­ gerecht zu werden, und zeichnete ihr stets künstlerische Auf­­fassung befindendes Spiel durch Lebhaftigkeit und Temperament aus. Met brav war auch Frau Ehrenstein, als „Agnes“, die ihre Partien stets mit viel Geshhch und Routine zu lösen versteht. Von den übrigen Darstellern verdienen besonders die Sem ,Hanno,als „Ballini“ und Nette, als „Wildbrethändler“ die belebendste Anerkennung. Die übrigen wol mehr episodisch gehaltenen Rollen liegen gar Manches zu wünschen übrig. — Bei der „Schwägerin von Saragossa“ Operette von Offenbach, die an dem Ehrenabende des Herrn Rosen zur Aufführung gelangte, wäre es angesichts der Verdienste, die si der Benefiziant uun unsere Bühne erworben, zunächst erwünscht gewesen, sich an dem Anblickk eines vollen Hauses erfreuen zu dürfen. Denn erstens hätte man si dem Sänger für die überaus angenehmen Stunden, die er dem Publikum mit seinem mächtigen berauschenden und sympathischen Organe bereitete und mit welchem er jeder ersteren Bühne, zur Zierde gereicht in irgend­welcher Weise tributär zeigen müssen. Zweiteng stand eine mit den Festlichsten und reizendsten Melodien ausgestattete Operette von dem unverwüstlichen Offen­bach am Repertoire, die allein schon alle Garantien für einen genußreichen Abend bot. Die Aufführung kann in gesanglicher sowal wie m­imimischer Beziehung eine muster­­giftige genannt werden. — Das Erscheinen unserer Primadonna Frl. Hild, die diesmal besonders gut disponirt war, war an und für sich fon geeignet Die beste Stimmung bevorzurufen. Die „Beatrice“ sang sie mit der bei ihr schon­ gewohnten Virtuosität. Frau Direk­­tor Raul Hoppe als „Roland“, sowie Frl. 8. Bonnie, ald „nes“ fanden si vollständig in ihren Aufgaben zurecht. — Das Quartett im 2. Alte wurde wol forrell gesungen, nur trat‘die Stimme des Frl. 8. Pomte etwas zu grell hervor. Eine brillante Leistung lieferte Herr Hanno mit dem „Arcade” für welche er an Seitens des Publikums mit lebhaftem Applaus ausgezeichnet wurde. Herr Netsch, als „Zemibio“ füllte seine M­olle­ret gut aus. Herr Rosen fand seine Gelegenheit als „Sarmiento“ seine schönen Stim­­mittel entfalten zu können. Nicht unerwähnt dürfen wir das als Einlage benügte au­ßerordentlich schöne Lied „Die Nacht,‘ Laffen, welches vermöge der gelungenen Orchestiirung namentlich des Cellofotos und der Holz­­instrumente recht angenehm auf die Hörer wirkte. Der mit reichem Stimmaterial begabte Herr Ya fj­on, der dieses Lied sang , erntete für den Vortrag vielen Beifall. Libertas­ war beie8 nämlich ein Tag erlatanter Enttäuschung. Man erwartete im hiesigen Munizipalausschuße mit begreiflicher äußerster Spannung die Antwort des Herrn Bürgermeisters auf die Interpellation Sr. Hohmwürden des Herrn Abt v. Poda, in der Szigethy’schen Affaire, und siehe da! die Repräsentanz wurde in ver­­blüffendster Form damit abgespeist, daß der vor­­figende Herr Bürgermeister statt selbst die Interpels­­tation gebührend zu beantworten, einfach Herrn ©zi­­getbhy gestattete, eine enorm langathmige Vertheidi­­gungsschrift vorzulesen, womit Letzterer bemüht war, sein Verhalten als unanfechtbar (?) darzustellen. Der Autor schien von dem eigenen literarischen Erzeugniß entschieden mehr erbaut, als jene Hörer, denen die gesunde Vernunft noch nicht ganz abhanden gekommen ist, denn nur folgen hätte das im falbungsvollsten Tone gehaltene, mit juridischen Zitaten, billigen Frei­heitsflosseln und sonstigen Zirraden überreich ausgestat­­tete Schriftstück zu imponiren vermocht. Hatte da der Herr Interpellant nit Net, gegen ein solches DBer­­fahren Protest einzulegen ? Gewig! Indbieß die soger­nannte Vertheidigungsschrift wurde doch Bis zu Ende vorgelesen und der Repräsentantenkörper staunte über die Unverfrorenheit der darin enthaltenen sarkastisch fein sollenden Anschauungen, über die anmaßenden Be­­trachtungen eines Kommunalbeamten, hinsichtlich der politisen Pflichten und Rechte eines Staatsbürgers der Krone gegenüber. Dies vorausgefhh­t, sei es mir gestattet, an die Szigethy’sche Angelegenheit nachstehende aphoristi­­sche Bemerkungen zu knüpfen, wie sie mir eben der momentane Eindruck, welche dessen seltsame Schulrede und deren Aufnahme auf mi hervorbrachte, eingab und die mir als flüchtige Streiflichter zur besseren Ber­urtheilung des Ideenganges unseres städtischen 1. Vize- Notard ganz geeignet scheinen. Da Herr v. Szigethy, wie aus seiner mehr­­beregten Vertheidigungsrede hervorgeht, nur den extrem­­sten republikanischen Theorien Huldigt, und vielleicht diese weitgehendste Freisinnigkeit ebenso auf sein mora­­lisches, soziales und religiöses Leben überträgt, so würde er wohl Niemannden befremden, wenn ihm etwa die hohen Worte des ersten Schöpfungstages: „Es werde giht!“ ganz egal sind und er wohl darum auch sein „‚Palaidloyer in eigener Sache von Anfang bis zu Ende, in ein nebelumdüstertes Chaos hielt, aus des­­sen Dünfelhaftigkeit solechterdings sein Geistesstrapl birgt. Theilweise wußte er nicht, ob der Titel „SO ou­­vernmeur“ oder „Ergoupermeur“ und in wel­­tem Sinne besagter Titel in der fraglichen Adresse gebraucht worden ist. Herr v. Szigethy war ja auf Neffen, da schärft sich das Urtheil, und nur von „Finsterlingen" und „V­erehrern blutsaugen­­der Tiger" (Haynau) Fan eine solche Lappalie, wie die fälschliche Beilegung einer Würde, beanstandet wer­­den. Nur „Finsterlingen“ (!) konnte der widerrechtlich verliehene Titel „Gouverneur” als­ „unheilbringendes Meteor“ erscheinen und ihnen Furcht und Schreden einjagen. Herner erklärt Herr v. Szigethby: Der Kommunalbeamte, sei nur so lange Beamter, als er im Bureau die Feder in den Händen hält, im Interesse der Kommune arbeitend ; legt er solche bei­seite, ver­­läßt er das Bureau, so wird er wieder ein freier Mann, wie jeder andere Staatsbürger, er kann lehren und preifen die Seligkeit der Communards, Tann fi wel’ immer Umsturz-Partei anschließen, denn er­ ist weder der Krone, noch seinen Meitmenschen, eine Dis­­kretion zu bewahren suldig, die Grenzen einer solchen Diskretion zu markiren, sei überhaupt unmöglich und es wäre dies nur ein Angriff „auf die moralische und politische Freiheit des Staatsbürgers“. Geehrtester Herr dr. Szigethy! In einer Hin­­sicht sind Sie doch ein Ehrenmann. SD. ti. die offene Diederfeit, der Muth mit dem sie ihre politischen Ansichten selbst auf Afilo Ihrer Stellung, als Kom­­munal-Beamter entwickeln und sie der Generalversamm­­lung ins Gesicht schleudern. Hafje ih­m­.nuch den Sinn Ihrer Expek­oratio­­nen zusammen, so wäre ihr schägbarer Freund Luds­wig Kossuth das Prototyp des reinsten, uneigen« nügigsten Patrioti­smus (selbstverständlich mit dem Range eines Gouverneurs), Yu Dedenburg _so plei­­he aber ungestraft eine Bande von Finsterlingen he­rum, ringe Korruption verbreitend.‘ Korruption! Leider kann ich mich von der moralischen Ueberzeugung nit losringen, daß Sprecher selbst nicht mußte, welche Korruption er eigentlich meine, denn er vergaß fr im patriotisgen Eifer so weit, daß er unter andern die Worte in den Sifungs­­saal schmetterte: „Helfifih wer fann!“ die Tragweite dieses Ausspruchs natürlich nicht ahnend, oder von feiner grotes f-patriojden, und zugleich rücsichtslos dekonetirenden Kalomnie (sit venia verbo) hingerissen. — Aber ihr blöden Dedenburger­ irregeleitet am Handfeile einer Korruption verbreitenden Horde (In 9. Dörflers Konversations-Lek­ton vieleicht Homo» gen — „fatholisger Leseverein") erhebet Eud, umgür­­tet Eure enden mit allen möglichen politischen Waffen — tretet ein al Streiter für Ergouverneure — und ver­tilgt jene f­heihende Korruptions-Hydra — und bald wird dann eine neue Morgenröthe der politiien Weis­heit flammend tagen. Du winket ein steuer- und pfaffenfreier Eldorado — seine Korruption mehr — nur nadte freie politische Unschuld — weg mit dem legten eigenblatte der Verschämtheit — und wie glück­l werdet er irregeleiteten, verblendeten Mit­­bürger als freie Männer leben — unter einem freien Gouverneur eines Herrn NN. oder NN. Seehrter Herr v. Szigethy, derlei Ansichten,­­ihrer Vertheidigungss­rist und aus dem Munde dexo,­ Parthergenosen sind, nit mit „Nondalance" hinzuneh­­men — nein — das sind gewichtige, peinliche, bis in da Mark der politischen und sozialen Ordnung fi drängende Unabhängigkeits-A Injektionen. Es sind die Vorboten des Sturmwindes einer Epoche, die von Millionen bedau­­ert werden würde, wie einst als sie auch als falsche Morgenröthe erschienen und ein blutiges Abendroth­ und nächliches Grab Tausender geworden sind. Schenken Sie ei­­nem ergrauten Manne vertrauen, und seien Sie versichert, daß derselbe — als Sie im Jahre 1848 no­ die geschmeibi­­gen Hösle in eines vielversprechenden und vermuthlich schon damals unabhängigen Knäblein an hatten — Gefertigter die Mustere trug — für König, Freiheit im Glauben und Staate und für sein Vaterland focht, aber die traurige Erfahrung machen mußte, daß unreife Bölfer dur überreife Vollsbegrüder in’s Elend ge­­stürgt wurden. Ihnen, als einen der besten Lateiner Dedenburgs sollten die Worte eines Weisen bekannt sein: ex nimia libertate, licentia nascitur — ex licentia libido — denique indignissima servitus — Wer ist wie Gott? sprach St.­Michael und vernichtete Luziferd Unabhängigkeitspartei. Sie zieh­en in der wer­­then Schrift einige dratonische vaterländische Strafen für das Verbrechen des Hocverrathes, als da sind: peinliche Hassstrafe und Einziehung des­­­ermögens. Es scheint also, daß Sie nach gemachter Synterpellation ein gespenstisches Juden am Halse und im Bade ver­­spürten, nit wahr ? Er gruselte Ihnen ein wenig im Annern und sie griffen nach Dero­werthem Haupte, wie Sie selbst in der Genelversammlung thaten, und dace­ten, wie? Wenn einer der Korruptions-Männer meine Untersär­ft auf der Adresse als Hoeverraths­ Photo­­graphie gegen mich geltend machen sollte? — Getroff Herr v. Szigethy! dies hatten Sie nie zu fürch­­ten, dahin zielte die Interpellation nicht. Sie erlauben, daß ich schließlich folgende Worte, nit als Repräsentant, nicht als Jurist, nit als Diener der Krone, sondern ganz nach Dero Geshmad als „freier Mann, im freien Staate“ und als einfache Thatsahe anführe, da ich Zeitgenosse dessen bin, das ich hier als miterlebt zith­en werde. Dero jhägbarster Freund Ludwig Kossuth ward Gouverneur Ungarns — nicht duch Gottes Gnade — nit dur die uni­­verselle Beistimmung der Nationen in unserem Vater­­lande, nicht in Folge der Betätigung der Krone, son­­dern durch das Votum eines Bruchtheiles gleichgesinnter Unabhängiger. Al folcher rüttelte er mit frevler Hand an den Thron unserer Dynastie, verleugnete die apo­­stolische Krone St.­Stephans und in Folge dessen wurde sein Todesurtheil von der regigen Krone gutge­­heißen. Politische Verbrechen, wenn sie an Millionen von Abhängigen Leben und Gut rauben, sind Heutzutage fast nicht mehr Verbrechen, sondern noble Rasfionen, und genießen in Folge bessen die oftmalige Amnestie gütiger Herrscher. Das Ausgleichsverfahren der 60­er Jahre gab noch ausgedehntere Gnadenafte dem freier­klärten Ungarlande. Aber Dero h­ocgeehrter Freund hat si nie offen für die Gefege erklärt, — nie deren Rechtswirkung anerkannt, nie unter den Schuß dersel­­ben sich gestellt und steht also außer dem Bereiche die­­ser Gefee. Legen ‚Sie die Hand auf's Herz und erfläs­ren und befennen Sie: sind das phantasmata noctis — oder Thatfaden ? ! Endlich befenne ich offen, tief erschütternd wirkte der Majoritäts-Beschlag auf den Gefertigten. Wenn jedes De­­forum, jede Kourtoisie, außer Acht gelasfen, jeder Anstand mit Füffen getreten werden darf — jeder Takt, ja selbst die einfachste Nachsicht eines beeideten Beamten, für die Krone aufhört — was dann ? falscher Friede — heuch­­lerische Ruhe eines schlafenden Bullans. — O möge dieser Falscheit ein­ Ende gemacht und der Entschei­­dungskampf eröffnet werden ! — der­­ diese Hoffnung liege ich fest im­ meinem Herzen) bald siegreich und glorreich zum Siege wahrer politischer, sozialer und religiöser Freiheit führen muß. Ein N­epräsentant. ren Eingesendet. *) Aphorismen zur General-Versammlung vom 8. Jänner 1880. (An Herrn ftädt. 4. Vije-Notär dv. Szigethy.) In den Annalen Debenburgs wird der 28. Jän­­ner, als ein merkwürdiger Tag verzeichnet werden. (# TREE ee een: Eingesendet, *) Löbliche Redaktion! Die sehöne Tendenz Ihres gejrägten Blattes „der Wahrheit eine breite Gaffel, berechtigt mich zu dem Erwarten, daß Sie diesen Zeilen in Ihrem gesrägten Blatte Maum zu geben die Güte haben werden. An der „DOedenburger Zeitung“ vom 24. d. war eine mit „E“ gezeichnete Notiz über Anschauungslehr­­mittel bei dem Rechnenunterrichte. Diese Notiz, die bei jenen Mitgliedern des hier. Lehrervereines, welche die Wahrheit Lieben, sich selbst richten muß, kann nur von den Uneingeweißten fir daare Münze genommen werden. An dieser Notiz nun sehe ich und mit mir Viele, nichts anderes, als das edle Streben, meiner Erfindung ein arges Schnippchen zu spielen; ich gewahre darin an noch eine planmäßig gegen mich gerichtete, wieder-

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