Oedenburger Zeitung, 1884. August (Jahrgang 17, nr. 177-201)
1884-08-01 / nr. 177
. In sinjn die Untergrabung jeder Autorität,jeder Achtung Verungarn gewaltsam zu verhindern. Es wird aber die Herstellung einer scheinbar freundlicheren —Stimmung natürlich nur eine ephemere bleiben, ungefährå la Potemkin’schen Dörfer,welche nur so lange existirren,als sie die Czarin sehn konnte und dann wie Theaterkoulissen zusammenfielen. Grathuen wird die kroatischen Gemüther höchstens schrecken,nicht gewinnen.Die ungar. Regierungswirthschaft wird immer als Gorgonenhauptwirkem das die Kroaten von unsich reckt.Und kaum wird die Session eröffnet sein,so wird der Ministerpräsident,um dem parlamentarischen Strafgerichte zu entgehen,wieder die kroatischen Stimmengewinnen,die jetzt in Agram straff angespannten Zügel lockern,die moralische Anarchie wachsen lassen müssen.Noch ein Luftrum des Tipa’schen Liberalismus und Kroatien ist ein integrirender Theil Ungarns gewesen. 83 Y Poftsparkaffen und Lebensversicherung. Oedenburg, 30. Juli 1884. Die Einführung der Postsparkaffen in Ungarn ist nur mehr eine Frage der Zeitprinzipie ist sie schon beschlossen. Da aber jedenfalls die Aktivirung derselben no einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte, so wäre es vielleicht noch nut zu spät, gleich von Anbeginn den BPoftspar- Haffen dadurch einen noch höheren Werth zu verleiben, da man sie mit der Lebensversicherung verbindet. Sind wir auch no weit davon entfernt, die Lebensversicherung obligatorisch zu machen — obwohl wir nicht zweifeln, daß ed auch dahin kommen wird, — sowie die Feuerversicherung in einzelnen deutschen Staaten Bereits obligatorisch geworden ist und doch den Staat besorgt wird, so wäre es da ganz gut möglich, daß der Staat die Lebensversicherung organisirt und besonders dem kleinen Manne die Möglichkeit bietet, gegen die verhältnismäßig geringsten Prämien und obhne das geringste Risiko, welches bei Privatgesellschaften da immer vorhanden ist, sein Leben zu versigern. England hat in dieser Beziehung, wie in so vielen vorwiegend prafitgen Einrichtungen den Anfang gemacht, indem er die Lebensversicherung für den Heinen Mann staatlich organisirte. Man bediente sich hiebei der Bestämter, welche analog wie zur Annahme von Spareinlagen auch zur Annahme von Lebensverficherungs-Prämien berechtigt wurden. Der Erfolg war zwar kein so gran» dioser wie bei den Post-Sparkassen, immerhin aber faßte die Institution Wurzel und erlangte eine gedeihliche Entwicklung. Die Abfchließung von Lebensverfichungs-Verträgen ist eben feine so einfache Sache wie die Uebernahme von verzinsligen Geldern, da besonders die Beurtheilung der „Nissen“ gewisse Schwierigkeiten bietet und davon wesentlich die Bestimmung der Prämie bedingt erscheint. Man behalf sich damit, die Klassifikation mehr nach Alter, Beschäftigung und Geschlecht abzustufen als nach dem Ergebniß der ärztlichen Untersuchungen des Gesundheitszustandes der zu versichernden Personen, welche auf dem Lande in kleinen Ortschaften eine kaum verläßliche Grundlage abgeben würden. Wenn man nun von ähnlichen Gesichtspuntten aus ganz ohne Nachsicht auf ärztliche Untersagung des Gesundheitszustandes, sondern einzig und allein nach den allgemeinen Sterblichkeitstabellen, resp. nach Alter, Geschlecht und Beschäftigung, die Prämie firren würde, so müßte fr eine unverhältnismäßig einfache Gebahrung und trug BDernachlässigung des erwähnten einen Valtors ein Billigerer Prämientag ergeben, der im Verein mit der Bequemlichkeit der Einzahlung den Kleinen Mann zu dieser sonüglichen Vorsichtsmaßregel anspornen würde. In Oesterreich sol man sich bereits mit diesem Gedanken beschäftigen. Warten wir in Ungarn nur erst, bis er dort zur Ausführung kommt, sondern gehen wir einmal mit gutem Beispiele voran. Das Auslebenrufen in Verbindung mit den Postsparkassen wird kaum erhebliche Schwierigkeiten verursachen. Vom Tage. Frankreich als Bundesgenosse Deutschlands. Es vollziehen sich im Laufe der Zeiten die seltsamsten, unglaublichsten Wandlungen. Man weiß doch wie heftig, ja wie scheinbar unauslöschlich seit Anno 1870 der Haß der Franzosen gegen Alles Tochte und gährte, was deutsch hielt und wie es für lebensgefährlich gewesen wäre in Paris ein lautes Wort zu Gunsten der deutschen Nation fallen zu lassen. Da, in neuester Zeit noch, wurde die deutsche Fahne auf dem Giebel eines Hotels vom Pöbel zerrissen und in den Koih verzerrt; und ein junger Mann, der harms und argı08 bei einer öffentlichen Yestivität erschien, gröbli infultirt, bloß weil seine äußere Erscheinung einen Abfömmling der Teutonen verrieth. Man weiß, wie vor vierzehn Jahren der damals alle Kreise der französischen Gesellscchaft der geisternd durchziehende Ruf: „A Berlin!“ so viel hieß, als mit Wonnefchauern allen Deutschen an den Kragen zu gehen. In Berlin wollten sie mit fliegenden Fahnen einmarschen, die Franzosen, und dort den napoleonischen Adler aufpflanzen auf den Zinnen des Schlosses der Hohenzoller, dann aber dem in den Staub getretenen Deutschen großmüthig den Frieden — allerdings unter möglicht drohenden und demüthigenden Bedingungen — gewähren. Man weiß ferner, daß es so ganz anders kam, als die Herren jenseits des Rheins baten, daß sie niedergetreten wurden, zwei der blühendsten Provinzen an Deutschland zurübkerstatten, eine “tolostale Kriegsentschädigung bezahlen mußten und wo froh waren, nicht ihr schöner Paris, das „Zentrum der Zivilisation“, jahrelang in den Händen der „deutschen Barbaren“ belassen zu müssen. Was natürlicher also, als der brennende, un» stilbare Haß gegen Deutschland! Und siehe da, welche „Wendung durch Gottesfügung“!: Ein Pariser Blatt, „Figaro“, Hat nun den Muth gefunden, den Ruf: „A Berlin!“ zu erheben, diesmal in dem Sinne, Franlreich solle zum Bunde mit Deutschland marschren, wobei er das ganze übrige Europa an seiner Seite hätte und sich der NRänie des persiven Albion erwehren könnte. » «Figaro«schreibt wörtlich:»Entsetzt Euch nicht,JhrAlle,die Jhr die heilige Liebe zum Vaterlande im Herzen bewahret,Jhr,die Jhkes gleich mir vertheidigt und über sein schweres Mißigeschick gleich mir blutige Thränen vergossen habt. Entsetzt Euch nicht,Jhr die Jhr einen Trauerflor über Eure Herzen gebreitet habt,indethr Euren eroberten Heimstätten Lebewohl sagtet! Nein, feiet nit entrüstet! Im Namen dieser Heiligen Liebe zum Baterlande selbst beschwöre ich Euch. hr wollt ed erheben, Ihr wollt seine Größe; hr wollt, daß er in der Welt den legitimen Rang einnehme, der ihm zusommt und die glorreiche Nolte, weiche die Traditionen ihm zumeisen. ... Nun, dann schließt Euch engar Deutschland an. Glaubt mir: Nicht Deutsland, England ist unser Feind. Welchen Vortheil hat uns jemals eine Allianz mit den Britten gebragt ?; Keinen. Was hat und England verweigert ?: Alles. Wo hat es und je geholfen ?: Nirgends Wo hated uns dagegen bekämpft ?: Ueberall. Mithin keine Verbindung mit England, aber wenn wir schon eine Bundesgenossenschaft brauchen suden wir die Deutsche: Man weiß heutzutage auch in Deutscland, daß mit der Zeit jeder Haß verwittert und die Chimären zerfliegen. Noch besser weiß man dort, daß die Eintracht zwischen den beiden Ländern eine neue Vera der Größe und Wohlfahrt für beide eröffnen würde, für die Menschheit aber ein Unterpfand des Fortschrittes wäre. Wünschen wir es für Frankreich, für Deutschland, für Europa. Wünschen wir es für die ganze Welt!“ DO, gewiß! Eine neue Epoche würde für die Belfer Europa’s erblühen, falls sie von der Furcht vor dem Kriege zwischen Frankreich und Deutschland und ihren Alliirten befreit würden, wenn endlich die Möglichkeit gegeben wäre, allgemein abzurüsten, Europa von dem Druce des Uilitarismus und seinen ungeheueren Kosten zu bestreien. Sähen Handel underkehr wieder den Frieden gesichert, könnte die friedliche Kulturarbeit ungefährdet betrieben werden, — frgerlich würde ein wahrhaft goldenes Zeitalter über Europa, über die ganze Welt heraufdämmern. Deutschlande Lenker ebenso wie das deutsche Volk haben längst den Wunsch nach dieser Wandlung der Dinge geäußert, ihrerseits haben sie Alles gethan, um seine Verwirklichung nur unmöglich zu machen, ob nun die Franzosen den aus ihrer Mitte laut gewordenen Wunsch nach Versöhnung mit den Deutschen beherzigen werden ? 8 ist nur wenig Hoffnung dazu vorhanden. Aber würde vieleicht als nur ein leibliches, freundnachbarliches Verständnis zwischen Deutschland und ranfreich die ruht des Leitartikels des Bariser „Figaro" sein, so wäre schon dies ein hinreichender Gewinn; denn Europa hat zu seinem Schaden erfahren müssen, was für seine Zivilisation und seine Freiheit dauernde Feindhaft zwischen den beiden größten Kultur-Nationen des Kontinents bedeutet. E. M. O Saiser Wilhelm in Gastein. Aus Gatein wird gemeldet: Nach dem nunmehr festgestellten Programm wird die Nachreife des Kaisers Wilhelm von Gastein am 5. August Mittags erfolgen. In Salzburg wird übernachtet, der Kaiser nimmt im „Hotel de "Europe Absteigquartier. Am 6. August vormittags halb 10 Uhr begibt si der Monarch zum Besuch unseres Allerhöchsten Monarchenpaares nach SI! und nimmt im Hotel „Kaiserin Elisabeth“ Wohnung. Die Nücreife von ZH! erfolgt am T. Nachmittags halb 4 Uhr und geht über Regensburg, Hof, Leipzig, Wittenberg, Großbeeren und Babelsberg, wo die Ankunft am 8. August Vormittags 9, Uhr erfolgt. Kaiserin Augusta wird unmittelbar nach der Nachhr des Kaisers von Bastein ebenfall wieder in der Heimat eintreffen und falls die Witterung also dann nicht kalt ist, einstweilen im Stadtschloß zu Potsdam Wohnung nehmen. Nach den Manövern am Rhein, wohin die hohe Frau ihren Gemat zu begleiten gedenkt, werden dann beide Majestäten nach Baden- Baden übersiedeln, in woselbst auch am 30. September der Geburtstag der Kaiserin gefeiert werden wird. Der diesjährige Jagdausflug des Kronprinzen Rudolf nach Görgeny-Ht.Imre wird, wie man von dort meldet, für Anfang Oktober in Aussicht genommen. In den ersten zeigten ss laut Bericht der Waldhüter viele Bären ; außer zahlreichen Schwarzwild ist auch der Nehbestand ein befriedigender ; im JSztic3örevier sind sogar einige Hirschböde vorhanden, welche die Quellen im Tyird- und Döszforste oft auffuchen. Die Behörden haben die Verfolgung des Wildstandes untersagt. Erfahrene Bärenjäger erwarten in diesem Jahre ein bedeutendes Jagdresultat. Der Finanzminister hat die Finanzdirektionen angewiesen, bezüglich der Berpachtung der Berzeichrungs-und Konsumsteuer- Objekte sofort die nöthigen Verfügungen einzuleiten. 3 ist namentlich darauf Rücksicht zu nehmen, daß sämmtliche Steuergattungen als vereinigte Pachtobjekt sichergestellt werden und sind demnach in den Gemeinden die auf einzelne Steuerobjekte bezüglichen Berträge zu Gunsten des Staates zu kündigen ; So legieres nicht möglich, sollen die neuen Berträge in der Weise abgeschlossen werden, daß die Steuerobjekte spätestens für das Jahr 1886 vereinigt werden künnen. In diesem Falle sind somit dieBerträge nur für die Dauer von ein oder zwei Jahren zu schließen. OO Aus Agram bringt das legte Froatische Amtsblatt die längst angekündigte Serie der Ernennungen von Administrativ-Beamten. Ernannt wurden im Provinzialen Bizegespane 13 Sekretäre und 15 Konzipisten, im ehemaligen renz«gebiete 5 Sekretäre, 11 Konzipisten. Der Banus Graf Khuen-Hederdary wird für den 2. August hier zurückerwartet. O Entscheidung gegen einen Munizipal- Ausschußrekurs. Gegen einen Beschluß des C 3annader Komitat, mit welchen der Obergespan ermächtigt wurde, die Stuhlrigterdadjunften im Interesse des öffentlichen Diensted auf motivirten Vorschlag der Vizegespane aus einem Kreise in den anderen zu verseßen, haben mehrere Mitglieder des Munizipalausschusses den Rekord eregriffen, in welchem sie verlangen, daß dieser Beschluß, welcher gegen die Komitatsautonomie verstößt, Laffirtwerde. Der Minister de Innern hat aber den Res fur abgewiesen mit der Motivirung, daß es Ausnahmsfälle geben künne, in welchen die in Rede stehende Verfügung im Interesse des öffentlichen Dienstes nicht nur zweckmäßig, sondern geradezu nothwendig ist. © Die Postämterfrage in der Türkei. Der Berfuch der Pforte, die fremden Postämter auf türkischen Gebiete unmöglich zu machen, ist bereit, als total mißlungen zu bezeichnen. Stmmtliche Mächte prätestirten einhellig gegen einen solchen Akt und der Präsident des schweizes rsshhen Bundesrathes, dessenntervention als Obmann des Weltpostvereines von der Pforte angerufen wurde, hat, wie aus Bern mitgetheilt wird, es abgelehnt, in der bezeichneten Sache einen Schritt zu thun, da die Affaire gänzlich außerhalb der Kompetenzsphäre des Berner internationalen Bureaus liege. O Westerreichische Hoftsparkassen. Zu Folge Dekreted des jenseitigen Handelsministeriums fünnen die Postsparkarten mit eingeprägter Zünfkreuzermarke der Ausgabe 1867 bis zu ihrem gänzlichen Berbrauce (also über den 1. Oktober 1884 hinaus) verwendet werden. Der Zeitpunkt, mit welchen die Postspartarten der älteren Emission an dem Verk fehre zu treten haben, wird seinerzeit bekannt gegeben werden. Op Boilerhöhung. Der französische Aderbausminister hat dem Ministerrathe ein Gefeg auf Erhöhung des Einfuhrszolles für Ochien auf 25 Francs, Kühe und Stiere 12, Schweine 6, Kälber 4 und für Schafe auf 3 Francs unterbreitet, -