Oedenburger Zeitung, 1885. Juli (Jahrgang 18, nr. 147-173)

1885-07-01 / nr. 147

also um hundert Millionen weniger neun.Das ist ein kolossales Defizit an eigener Kraft an eigenem Ver­­mögen. Einundzwanzig Millionen Gulden haben wir nach Oesterreich und ins Ausland für solche Wrtifel gesuh­t, die wir nicht selber fabrigiren konnten oder nicht bei heimlichen Fabrilanten kaufen wollten. Das ist noch immer ein sehr betrübendes­­ Zeichen unserer wirthsgnaftlichen Zurücgebliebenheit, unserer Faulheit, unsereg Mangel3 an f pefulativem Unternehmungs­­eifte. N Blo3 für Getreide und Vier haben mir bedeut­ende Export »- Einnahmen aufzu­weilen, für ersteres sammt Mehl um 110, fürs legtere um 51 Millionen mehr, als wir im Vorjahre eingeführt haben. Dann fon­mt aber die lange Liste der Importartikel, welche und dem Auslande tributär machen. ° Wir führen nur einige Hauptposten an: Woll­­waaren 52, Flachs-, Hanf und Stutewaaren 22, Schafwollwaaren 38, Seidenwaaren 19Y/,, Weißwaa­­ren und Puswaaren 173/,,, Leder und Lederwaaren 25, Eilene und Eisenwaaren 14, Kunst- und Mufiiwaaren 251, Millinen x. x. Da haben wir große Bedürfnisse, die wir aus der Auslande deben. Das Geld dafür kommt nie wieder zurück. Nur für Tertilmaaren allein wandern jährlich über anderthalb hundert Millionen Gulden über­ die Grenze. Charakteristisch i­ der Posten von den Lederwaaren. Wir Haben Vieh zum Ueberflug, senden dasselbe zum Verkauf und Ausland jammt .­n den­ Häuten. Diese Häute konnten aber als Leder und ‚Lederartikel zurüich zu uns und wir zahlen dafür jähr­­lich 25 Milionen. Und so geht es und mit anderen ‚nöthigen Artikeln, wie Seife, Kerzen, Holz und Bein­­artikeln 2c. Ach, wie viel bleibt uns also noch zu thun übrig! Wie wenig haben leider die Industriestaaten ‚noch von uns zu fürchten. Und dennoch fürchten sie, ‚weil sie wissen, daß wir die Waaren nicht von ihnen beziehen müßten, wenn — nun, das ist ‚eben der ‚brennende Punkt, wenn wir uns zusammennehmen wollten. Wenn wir das Kapital mit seiner befruch­­tenden Macht zu fliägen und anzuladen wüten, statt, ausländischen bösen Beispielen folgend, das Kapital zu verfolgen und abzuschreden. Wenn wir im Lande kaufen wollten, was im Lande zu haben ist und da­­s Tuch die wenigen Industriellen, die wir haben, nicht einschüchtern, sondern zu­ größerer Scraftentfaltung auf­­­„‚muntern wollen. Wenn wir unsere Söhne endlich einmal den goldenen Boden des Handmwerfä,der gemwerb lsigen Thätigleit lehren und nicht immer und mit aller Gewalt zu großen gelehrten Herren erziehen wollten, erst dann wird Ungarn wirt­lich blür­hen und feine Meltkuh für das Ausland­ sein, dann werden die frem­den Kun­dschafter bei und Erfahrungen­­ machen, die nicht für sie, sondern für und erfreus ‚Lich. sein werden. „Beter und Paul“ Haben wir nunmehr hin­­ter uns und es heißt: „Zu „Peter und Baul“ ist der Säuitter nicht. faul.“ Wlso die selige, fröhlie Bentezeit ist wieder da; golden wogt die Saat auf den Feldern und schwer vom reichen Se­gen jenen die Halme ihre Häupter der blinfenden Sense entgegen. Ein eigenthümli frohes Leben geht um Diese Zeit durch das Land: Es ist Alles­egsamkeit und­ Erwartung. In hellen Haufen ziehen die Schnitter duch das Land, der Gute befiger und der Landmann prüfen und fliäßen die Hoffnung, die ihnen auf den F­eldern winkt, nach ihrem realen Weiche ; der Spekulant beginnt zu rechnen und zu falkuliren, die Eisenbahnen sjorgen , für ‚die Vermehrung ihrer Fahrparle und der Frächter für die feiner Betriebsmittel; der Kauf­mann hofft auf das Eingehen alter Schulden und auf neuen vermehrten Abfag, und Industrie und Gewerbe rechnen darauf, das Gutsbesiger, Kauf­­leute und Bauern, ihnen fett, wo die Zeit des re­­lativen Miederflusses für sie beginnt. Durch ver­­­mehrten Ankauf von Utensilien aller Art und Luxusgegenständen neue Kräfte zuführen werden. Denn „hat der Bauer Geld, so hat er die ganze Welt“, ist ein altes­ Wahrwort, namentlich in einem Agrikulturlande, wie Ungarn, wo Alles, Alles, vom einfachen Dorfträger bis hinauf zum Staatös hate, von der Ernte finanzielle Kräftigung erwartet. Die Zeit der Ernte ist jegt wieder da und es läßt sich schon heute mit einiger Bestimmtheit voraussagen, daß d­ieselbe diesmal die im­ sie ges feßten Erwartungen nicht allzu sehr enttäuschen wird. Die Ernte wird eine gute Mittelernte werden und in Tausende und aber Tausende von Familien im Lande wird wieder für einige Zeit ein relativer Wohlstand einkehren, der leider nur so kurze Zeit für sie währt und gewöhnlich schon m wenige Wochen oder Deonate nach der Ernte wie­der vorüber ist. Fremde und an Einheimische, die unsere Verhältnisse nur oberfläglich feinen, fihren­­den Diese geringe Dauer­ der Prosperität angesichts der kolossallen Werthe, welche eine Ernte in Uns­garn produzirt, dem Mangel an rationeller Spar­­samkeit und ungenügender Arbeitsamkeit unseres Bolfes zu. Leute, die so sprechen,­ haben „gewiß noch niemald mit eigenen Augen gesehen, wie der ungarische, der deutsche und auch unser serbischer Bauer arbeitet, wie er lange, ehe die Sonne aufs geht, auf dem Felde ist und im sengenden Son­­nenbrande, unter fast übermenschlichen Anstrengun­­gen, um die Schäge der Erde ringt und von Pflug oder Sense erst läßt, wenn die Sterne ho am Himmel stehen und der müde Körper Kraftlog niedertrift, um den gebieterischen Anforderungen der Natur zu V entsprechen... welche dem­ erschöpften Organismus Nubhe gebietet. Unser Landovsk­it so arbeitsam, wie nur irgend eines in den südlicher gelegenen Gegenden Europa’s, wo dem Boden seine Gaben nicht mit so raufer Hand abgerungen werden müssen, wie im Norden, und auch im ber Sparsamkeit macht dasselbe s­ehr rapide Orts schritte, allerdings leider dur die­ Noth bedingte, aber die Noth ist ja bekanntlich in allen Dingen die beste Lehrmeisterin und wenn si die Ver­­hältnisse wo weiter 10 gestalten wie bisher, so werden wir es in dieser Kunst vielleicht no viel weiter bringen, als uns lieb sein kann. Die Ursachen, um derentwillen der weiche Erntesegen bei uns zu Lande nur einen so past jageren Einflug auf das Wohlsein des­­ Voltes hat, warum, um.er mit einem­ vulgären Aus­­druck zu bezeichnen, das Volk eigentlich so wenig von der Ernte hat, sind theils allgemeiner Natur, wie sie heutzutage, so ziemlich im alten­ Ländern Europas zu Tage treten, zum großen Theile lie­gen sie aber auch in unseren speziellen V­erhält­­nissen. Die Land­wirthigaft frankt Heutzutage, fast in allen aderbauertreibenden Staaten Europa’s und die Schuß- und­ Kampfzölle, die Sperrgejrke und das­ ganze Konglomerat von Gejegen und Berordnungen, welche die einzelnen Länder in dieser Beziehung innerhalb dieses Jahres erlassen haben, sind nichts Anderes als Experimente, um eines Uebeld Herr zu werden, dessen Ursacen heute zwar noch nicht in ihrer Gänze bekannt sind, deren ‚Hauptgrund aber in dem Mißverhältnis zwischen­ der industriellen ‚und­ agrifolen Entwickk­lung der Länder zu liegen scheint. Die Arbeit und das Produkt des Land­nannes werden heute nur mehr so gefrägt, wie früher, seit die Dampfmühlen ungegeuere Quantitäten des Getreides zu einem I­ndustrieprodukt­ verarbeiten, welches in Folge der alle Erwartungen übersteigenden Vermehrung der Verkehrsmittel, in rascherter Frist überall dorthin geworfen werden man, wo ein an nur den minimalsten Vortheil bietender Abtag zu hoffen ist. Diese ganze Politik der Getreidezölle aber ist blos ein Experiment, dessen Nichtigkeit no erwiesen werden muß, denn ganz besonders in derlei wirthschaftlichen Fragen -ist- mit der Theorie absolut Nichts gethan und nur die praktige Be­­obachtung des Lebens und seiner Anforderungen kann hier erfolgreiche Resultate zugute fordern. &3 sind das, wie bereits erwähnt, allgemeine Uebelstände, welche unsere Agrikultur mit derjenigen aller anderen europäischen Younder theilt ; allein wir haben auch noch unsere speziellen Gebreen, die sich einer gedeihligen Entwicklung unserer agrifolen Verhältnisse hemmend in­ den Weg stellen, und diese Uebelstände fulminiren darin, daß unsere Regierung den Agrikulturverhältnissen des Landes so wenig oder eigentlich gar feine Aufmerksamkeit scheift. Anderswo verfügt man wenigstens, seit das Uebel erkannt wurde, gegen Kaßfelde anzu­­kämpfen; bei­ uns aber haben die maßgebenden Kreise keine Zeit, sich um derlei Lappalien zu kümmern. Was hat die Negierung, was hat speziell unser Aderbauminister seit Jahren zur Hebung der Landwirthschaft gethan? Die einzige Maßregel, welche in dieser Beziehung getroffen wurde, war die Kreei­ung der landwirthscaftlichen Referentenstellen, eine Sonstitution, deren praktischer Wertli­ich während der fünf oder sechs Jahre ihres Bestehens no immer nicht herausgestellt hat. Die einzige, wirklich tägliche Neuerung auf dem Gebiete der Entwicklung unserer agrifolen Verhältnisse sind die landwirtschaftlichen V­ereine, allein diese entspringen lediglich der sozialen Ini­tiative und die Regierung hat weder auf das Zu­­standekoınmen derselben eine Inferenz ausgeübt, noch an dieselben in nennenswerther Weise unter­­ftagt, und wenn dieselben heute bereits doch schon ein weites Net über das Land bilden und fast in allen Komitaten eine srehr­iügliche Thätigkeit ent­­falten, so ist das lediglich eine Frucht spontaner Einsicht der intelligenten Steife des Landes, da die Regierung absolut nichts für die Hebung Dieser einzigen Quelle des Wohlstandes in Ungarn thut, derselben Diese Aufgabe freiwillig abgenommen haben, wie die Gesellshaft bei ung Leider in so vielen Sälen die­­ Geschäfte der Regierung bes­­orgen muß. Er ist geboten, gerade zur Zeit, wo Iich unser Landvolt anfhidt, den Erntesegen einzu­­führen und wo Alles im Lande, vom Taglöhrer im Meinsten Dorfe bis hinauf zum Minister seine Hoffnungen­ auf denselben fegt, an diese Dinge zu erinnern. I­n solcher Zeit springt die Wichtigkeit der Entwicklung unserer agritalen Verhältnisse selbst dem Sorgloseften “in die Augen und man findet vielleicht eher ein geneigtes Ohr in maß­­gebenden Kreisen, bei dem Hinweis auf­ die Ver­­nachlässigung und dem Mangel an Boraussicht und Aufmerksamkeit in Bezug auf unsere Lage und wirth­­schaftlichen­ Verhältnisse. Der Boden­­ Ungarns ist noch heute ein so reicher, wie er es zu den Zeiten war, al der Wohlstand des ungarischen Wolfes einen Gegenstand des Neides für ganz Europa bildete; aber die Verhältnisse haben sich insoferne geändert, als­­ heute die­ zersplitterten Kräfte der Einzelnen nicht mehr ausreichen, um es im Wetts­tampfe, um das goldene Fließ­ des Nationalreich­­t­ums anderen vorgeschritteneren und besser­ be­­hüteten Völkern gleichzutuun. Er wird. Niemand von Roloman v. Tipa verlangen, daß er ein Bismarcfei, dessen umfassendem Geiste Nichts entgeht, dem Höchsten bis zum Niedrigsten, aber das kann die Nation mit Zug und Recht fortern, daß er seinen Weerbaumin­­ster anmeise, sich doch auf ein "wenig um den Aderbau zu fümmern, welcher namentlich in Ungarn da keine so gleichgiltige Sache ist, daß man ihn so ohne jede rationelle Pflege, wie ein’ unnüges Unkraut, fortwudpern lassen' dürfte. "BT. Dem Tage. O Spenden des Königs. Se. Majestät der König hat, zur Unterftügung der durch Feuerds­brünfte geschädigten Bewohner von Reutschau 1000 fl., von Zigtöfalva­ 2000 fl. und von Szent-András 300 fl. gespendet. © Se. WHajeflät der König it am 27. Juni, Abends, von Wien zu mehrwögentlichem Sommeraufenthalte nach ih Il abgereist. Nach­mittags vorher fand sich noch Se. Majestät im Larenburger Schlosse. ein, um fi vom from­­prinzlichen Paare zu verabschieden. Auch König Milan hat seine Abschiedsvisite dem Kronprinzen gemacht, den er­ in der Divis­­ionskanzlei in der F­ranz Sofefstaferne besuchte und ist hierauf, nach erfolgter kompletter Herstellung des erkrankten Beines, von­ Wien nach Bel­­grad abgereist. — i­ Sn Budapest hielt er am 27. Juni auf seiner Durchreise das rumänische Königspaar auf. 8 nahm in der Restau­­ration auf dem Bahnhofe sein Dejeuner ein und verließ nach etwa­ halbstündigem Aufenthalte wieder unsere Landeshauptstadt. O Neue Mitglieder der Magnatentafel. Im Sinne des Gefeges über die Neuorganh­altung des Oberhauses wird im Sänner nächsten Jahres die Ernennung von fünf, lebenslänglichen­ Mitgliedern des Oberhauses erfolgen. O­­dergespans-Installation. Aus Papa wird uns­ geschrieben : Der neue Obergespan Graf Moriz Esterházy jun. wird am­ 6. Juli feierl­­ich installirt. Die Festlichkeiten beginnen bereits am 2. Juli, an welchem Tage eine Deputation unter Führung des Wirtes von Zircz,­eremias Supla beim Grafen Esterházy vorsprechen wird. Auf den Deputationsempfang folgt ein Bankett im Papier Schlosse des Obergespan. Am 5. Juli reist der­ neuernannte Obergespan über Divecder, Värpslöd und Herend nach Bepprem wo am 6. Vormittags die feierliche­­ Anstallation und Nachmittags ein Bankett stattfindet. O Ableben eines Bischofs.. Ju Wer­­­ bes it am Donnerstag der gr.sor. serbische Biscof Emilian Kengyelaz im Alter von 79 Jahren gestorben. Er war 33 Jahre Bischof. O Aus Agram schreibt man und unterm 29. Juni: Die Landesregierung hat an sämmtliche Behörden in Angelegenheit der Cholera eine Cir>­sularverordnung gerichtet. Auf Anregung mehrerer krontischer Aussteller dürfte am 12. Juli ein Separatzug mit Ausstellern nach Budape­st abgesen. O Miletics — geisteskrank. Dr. Szve­­tozgar Weiletics, der bekannte südslavische Agi­­tator, der wegen seiner Umtriebe eine mehrjährige Haft verbüßte, ist vom Neusater Gerichtshofe we­­gen Irrsinns-Anfällen unter Ruratel gefegt worden. OO­PFoflafishes. In Bögöte, Eisenbur­­ger­ Komitat, wird ein neues Postamt errichtet. Die Ernte. Dedenburg, 30. Juni,

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