Oedenburger Zeitung, 1886. Oktober (Jahrgang 19, nr. 224-250)
1886-10-01 / nr. 224
Der greise,kränkliche 1848er Vaterlandsverscheidiger wäre ein Opfer Unserer Justiz gewesen, wie es leider schon so Viele geworden sind.Wie viele Unschuldige schmachten viele Monate,wenn nicht Jahre hindurch in Untersuchungshaft,um dann sei schließlich freigesprochen zu werden,wenn sie nicht mittlerweile verdorben und gestorben sind! Wir möchten den vorliegenden Fall nicht zum Gegenstand ever Besprechung gewählt haben,wenn es sich um einen vereinzelten,um einen Ausnahmsfall handeln würde.Aber die Verschleppung der Prozesse und nicht blos der Kriminal-, sondern auch der Zivilprozesse—ist dabei Uns die RegeL Es ist ja schon so weit gekommen, »daß leichtsinnige und obendreincynische Schuldenmacher ihren Gläubigern,welche mit den Gerichten drohen,ins Gesicht lachen und rufen»Klagen Sie nur zu.Bis Sie ein Urtheil erwirken,gegen welche sich an diesem Tafel und dann an die ken.Kurie appellire,werden Jahre vergehen!« Und in der That überlegen sich’s Kaufleute und Gewerbetreibende sehr reiflich,ehe sie den Prozeßweg betreten,sich große Spesen machen,um im günstigsten Falle erst nach langer,langer Zeit zu einem rechtskräftigen Urtheil zu gelangen,zu einer Zeit,wo der Geklagte ganz zu Grunde gegangen, ausgewandert oder gestorben sein kann. Mit Spitzbuben soll man kurzen Proyzeß machen,mit ehrlichen Leuten aber erst ret. THE »J. I. b«1 Er lä . »FI l: gut-dem ungarischen gskeichstaga Budapest, 30. September. Wieder hat sich gestern der Vorhang, der das Publitum von dem mitunter eben nicht sehr erquidlichen Schauspiele trennt, wo sich der alte Chor, die stets bereiten „Ja*-fager des Ministerpräsidenten, mit dem jungen Ehore jener Rabulisten in heftiger Rede und Widerrede streitet, die durchaus aus der fondvergessen sein sollenden Janski- und nun aus der neuesten Auflage derselben, der Herbert-Affaire ihre Waffen schmieden zu sollen glauben, indeß hinter den Koulissen das „Bolf" muret, weil die Neffigeure (die Regierungsfaktoren) es so haben wollen, Db der Ministerpräsident fest, nach so vielen Ursachen zur Unzufriedenheit, nach der horrenden Ueberlastung des Landes , — der nun einmal nicht fortzuschaffenden Berstimmung eines großen Theiles der Bevölkerung gegen das gemeinsame Heer, welches natürlich reciprocerweise gleichfall mit Unmuth die Lage der Dinge in Ungarn betrachtet , jegt vor der Erneuerung des Ausgleiches; — Ob der Ministerpräsident — fragen wir: — mit jener heiteren Ruhe, dem weiteren Verlaufe der parlamentarischen Verhandlungen entgegensieht, die wir an ihm, seitdem er an der Seite der Negierung in Ungarn steht, so oft angestaunt haben ? Selbst die treuesten Anhänger der sogenannten „liberalen“ Parteigruppe bekennen forgenvoll und tiefe befümmert, daß si schon seit Langem noch seine Session so fritisch und forgenvoll angelassen habe, als die des heurigen Herbstes und ein großes politisches Organ schildert sehr bezeichnend das Gefühl in den Here zen der Negierungsvertreter jenem Ähnlich, das den Knaben in der Parabel beschlich, als ihm sein Diater erzählte, sie würden auf ihrem Wege an einer Brüde gelangen, bei deren Ueberschreitung Seder den Hals drechen muß, der eine Unwahrheit auf dem Gewissen hat. Schon spannt sie die verhänguigvolle Brüde vor den Bliden der Minister über ihre Boranschläge und Berchreißungen und ihre wirklichen Ausgaben und Thaten aus, wohl dem, der dody mit heilen Gliedern hinüberkommt ! Gestern begann die Verhandlung mit der Frage über die Erneuerung des Zoll- und Handelbündnisses, wobei sich Referent Ludwig Lang ü bergebend abmühte das Separatvotum der äußerten Linken, welches die im Ausgleichsgefäße vorgesehene Errigtung von Zollihranfen an der österreichich-ungarischen Grenze verlangt, zu besämpfen. Auch Lukas Enyedi erstand als Gegner, indem er das Botum der Minderheit begründete und sie auf Ludwig Kossuth berief, der auch die wirtslchaftlige Selbstständigkeit Ungarns als ein W Postulat seiner ihm gewährleisteten Freiheiten betrachtet. In Diese Debatte griff noch besonders einschneidend mit einer temperamentsvollen Rede Graf Abert Apponyi ein, indem er sich, namens der gemäßigten Dpposition,der Erklärung der Unabhängigkeitspartei anshloß, daß das Zoll- und Handelsbündnis ohne Vereinbarungen betreffend den Bolltarif und die indireten Steuern blos ein leerer Rahmen sei, dem jeder Inhalt fehle. Wir müssen uns jedenfalls das Necht auf Absonderung unseres Zollgebietes vorbehalten, und e 8 ist ein taktischer Lehler der Regierung, die Folgen einer solchen Separation in den schwärzesten Farben darzustellen. Das separate Zollgebiet bediente noch seinen Rollkrieg und ein solcher ließe sich auch zwischen zwei unter demselben Monarchen stehenden Ländern nur [wer denken. Redner führte ferner aus, daß Ungarn gar seinen Grund habe, außer seinen eigenen Lasten, auch noch jene zu tragen, welche ihm der Schuß der Industrie eines fremden Staates auferlegt und proponirt daher dem Hause den nachfolgenden Beichlungantrag : Da die Verlängerung des Bol- und Handelsbündnisses sowohl ver Natur der Sache, wie der Verfügung Bed G.U. XII. 1867 gemäß davon abhängig gemacht werden muß, daß die Interessen Ungarns auf dem Gebiete der Handelspolitik und im Systeme ver indirekten Steuern gewahrt werden, da ever ver bestehende Zolltarif, noch vie Gelege über die indirekten Steuern dieser doppelten Bedingung entsprechen und die Möglichkeit ihrer Modifikation nach Abschluß des Zolbündnisses ungewiß wird , da demzufolge jede Bedingung dazu fehlt, daß das Zol- und Handelsbinenig mit Beruhigung erneuert werden könne, nimmt das Haus die Vorlage Über die Erneuerung des im G-A. XX: 1878 unartifulirten Zol- und Hanvelsbündnisses nit an, sondern weit die Negierung an, das Zollund S Hanveldbünding im Sinne des $. 22 G.-4. XX; 1878 zu kündigen, laut von $$. 585—68 18 G.-A. XIL; 1867 mit der Regierung des anderen Staates der Dionarchie in neutere Verhandlungen einzutreten und dem Keidydtage den Resultaten verfehlen entsprechende Vorschläge zu erstatten. Kaum war Diefe Attaque auf die Regierung darüber, kam Bela Komjathy mit schwerem Gesang gegen die Armee-Institution angefahren. Er interpellirte Herrn von Tipa wie folgt: 1. Hat der Herr Meinister- Präsident offizielle Kenntniß davon, daß das Ehrengerigt der 31. Division des fr u. k. Heeres dem Bizenotär der Stadt Fünffirden, Herrn . Herbert, der zugleich Reserve-Offizier ist, aber nicht im aktiven Dienste steht, mit Urtheil vom 16. August der Verfegung der militärischen Ehre schuldig gesprochen und auf Grund dessen der k. u. k. gemeinsame S Kriegeminister Herrn Johann Herbert seines Offiziersranges verlustig erklärt und als Soldaten der geringsten Sold- Klasse zu enem andern Regiment verlegt hat? Wenn er seine Kenntniß davon hat, ist er geneigt, sich diese Kenntniß zu verschaffen ? 2. Hält er der Herr Minister- Präsident für statthaft und forret, dag im Widerspruch mit dem ®.:4. XL. 1868 ein militärisches Ehrengericht einen derzeit nicht im Militärdienste stehenden Staatsbürger vor seinen Niderstuhl zitire und verurtheile ? 3. Hat der Herr Minister, Präsident die Absicht zu verfügen, daß das gegen Johann Herbert unrechtmäßig und mit Beilegung des Geseßes geschöpfte ehrengerichtliche Urtheil und Die Verfügung des Krieges ministerd außer Kraft gefegt und ähnliche Mißbräuche für die Zukunft unmöglich gemacht werden ? Die Maßlosigkeit des Interpellanten veranlaste eine Unterbrechung desselben duch den Präsidenten, und zum Schlusse einen energischen Protest des Minister - Präsidenten gegen for eine Schmähung einer konstitutionellen Institution, worauf der Interpellant die Tendenz seines Angriffes einigermaßen modifi irte. Über für einen Tag hat wie man sieht die Negierungspartei genug zu thun bekommen. Dem Lage, zehn Minuten und die hohe Frau lieg den Stationd © Allerföhrle Auszeichnungen. Seine Majestät der König hat dem Grafen Ladislaus Jantovic— anläßlich seines Nachtritts von der Stelle des Somogyer Obergespans — die Geheimrathswürde (Erzellenztitel) verliehen. Berner hat Seine Majerität dem Heren Ludwig Beöthy, aus Anla j einer auf eigenes Ansuchen erfolgten Enthebung von der Stelle des Obergespans des Hevefer-Komitatz, in Anerkennung seiner vieljährigen treuen und hervorragenden Dienste, taxfrei das Ritterkreitzg des X Leopoldordens verliehen. O Sofnachrichten. Aus Budapest wird berichtet, daß Kronprinz Rudolph seine Absicht, zur Bärenjagd nach Görgeny zu reisen, volltändig aufgegeben hat, da die Bären während der herrschenden Kälte bereits ihre Winterversiebe aufgesucht haben. Der Kronprinz kommt Anfangs Oktober nach Budaspest, um einer Redaktionskonferenz seines ethnographischen Werkes zu präsidiiren. König Albert von Sachsen trifft nächstten Dienstag, 5. Oktober, in Wien ein, um mit Sr. Majestät an den Hochwildjagden in Steiermark theilzunehmen. — Erzherzog Otto begab si gestern Donnerstag Früh mit seinen Geschwistern nach Dresden und wird am 4. Oktober mit seiner jungen Gemahlin Prinzessin Maria Josepha von Sachsen seinen Einzug in Wien halten. König Milan von Serbien wir Gleichenberg in allernächster Zeit verlassen und sich bei seiner Nacreise nach Belgrad vier bis fünf Tage in Wien aufhalten. O Der Dank der Erzherzogin. Erzherzogin Klotilde paflitte am 27. d. mit ihrer Familie Lipt Ge Sgent Mitlos. Dort hielt der Zug Het Rudolf Fran zu sich bitten. Di dem Stationschef, die Füred an Die Thier wurde mitbracht. O Geschenk ir Königin Philitoria. Wie aus Konstantinopel mitgetheilt wird, soll die Königin Viktoria beabsichtigen, dem Sultan aus Erferntlichkeit für die liebenswürdige Aufnahme, die ihrem Sohne, dem Herzog von Edinsburgh, im YildizeKiest zu Theil geworden, einen praptvollen Moude»- Dampfer in neuester Konstruktion zu vererren.Praktisch wäre diese d Ge=Idenf gerade nit, denn wie allgemein bekannt, Jegt Abdul Hamid eine unüberwindliche Scheu vor den trügerigen Yluthen des Bosporus. O Erherzog Albrecht balrfger Riegiments-Inhaber. Aus Wien, 28. Dd., meldet man: Eine Offiziers- Deputation des 5. bairischen Chevaufleger-Viegiments , bestehend aus Oberst Freiherr v. Hartmann, Rittmeister v. Ber=em und Lieutenant v. Zeller, it aus Saar» ‚uch den At Holohazyzherzogin dankte nun herzlich einen zahmen Dambhirich nach äherzogin gesendet hatte. Das werden Zuge nach Abzuihges gemünd hier eingetroffen, um dem heuernannten Regiments- Inhaber Erzherzog Albrecht sich vorzustellen. Militäranrufen in Madrid. Die Königine Regentin Christine hat sicn den Beschlag des Ministerrathes, bezüglich der Bouftrebung desS Todesurtheid gegen die an den Putsh betheiligt gewesenen Offiziere,gefügt Die Soldaten jedoch dürften über Wunj der Königin nicht hin gerichtet, sondern in afrikanische Strafkompagnien eingereiht werden. Am Tuge der Hinratung wird die Königin sich auf Anrathen der Minister nach dem Gecurial begeben. Die vier Bischöfe Cataloniens und der Erzbischof von Palencia vereinigten si mit dem Bischof von Madrid um die Begnadigung der Aufrührer zu erbitten. General Ruiz Dana wurde zum Bertheidiger Billacampa’3 bestimmt. () Prälatenwahl. Im Stifte Göttweih wurde heute P. Adalbert Dungl, der bekannte Alterthumsforscher und Archivar des Stiftes, zum Prälaten gewählt. Aus dem bulgarischen Hexenkessel verlautet General Kaulbarsgrave erklärt: Wenn die Bulgaren die eventuellen Habschläge Hußlands nit befolgen würde, so wäre Hupland gezwungen, die einberufene Sobranje als ungejeglich nicht anzuerkennen. Die Kaisermäcte seien einig, einen Kandidaten Huplands für den bulgarischen Thron vorzujghlagen. Die Beziehungen zu den Mächten seien vorzüglich. Der österreichischungarische und heutige Vertreter seien angemiesen, in Uedereinstimmung mit Kaufbars zu handeln. Desterrei- Ungarn sei allerdings gegen die Ossupation. Dog beabhfjigtige Rußland viefeldbegarnicht. O Graf Zadislaus Batteyany hat, wie in Abgeordnetentreffen verlautet, sein Mandat als Heichstags-Abgeordneter niedergelegt., O Eine Interpellation Desider Szilagyi's. An den Miniserpräsidenten vihlete in der Sigung vom 29. d. der genannte Abgeordnete folgende zwei Fragen: 1. Eragıet 8 die Negierung mit den Besftimmungen des Berliner Vertrages vereinbar, daß 6108 eine der Signatarmägte, nämlich Rußland, über Bulgarien that täglich das Protessorat aussint? 2. Entsprngt den Auffassungen der Regierung und dem leitenden Prinzipe unserer Orient- Bolttf jene in der heutigen Presse häufig wiederkehrende und in weiten Kreisen für offiziös geltende Mittheilung, daß der Interessenkreis unserer Monarchie auf der Ballans Halbınsıl territorial abgegrenzt sei, und da Bulgarien wie Ost-Numerien nicht in denselben fallen, dort eintretende Ereignisse unsere Interessen nit verlegen, daß endli das Hauptgewicht dieser Interessen- Sphäre auf der wichtigen, nach dem Ägäischen Wieere führenden Handelsstraße beruhe ? . Eröffnung des Weichsrathes. Ohne Lang und Klang hat am 28. d. der Wiener Krigsrath seine Arbeiten wieder aufgenommen. Die Abgeordneten begrüßten einander, weil er die Stro in partes in unserm mit warmen Händebrüchen und süßsauren Deinen. Gäbe 88 einen Barometer für parlamentarische Witterung, so hätte derselbe eine namhafte „Der pression“ auf der Nedhten und eine „Aufheiterung auf der Linken verzeichnet. Die treuen Bundesgesnoffen auf der Necpten zogen ziemlich zerstreut auf die alte Wahlstätte parlamentarischer Kämpfe. Mit einer gewissen Spannung sah man dem Erscheinen der Minister entgegen, und als Baron Prazal und Dunajemwati den Saal betraten, gig, ein leises Flüstern durch den Saal: „Ihr naht uch wieder, [mansende Gestalten !“ Parlamente zuläßt, , „,