Oedenburger Zeitung, 1887. Mai (Jahrgang 20, nr. 100-122)

1887-05-03 / nr. 100

Dienstag-, 3.gaai1887 regen ST TEE TIERE TE IRRE DIT EEE EEE EIS Ar. 100 XX.IaB"rgang Ordenburgerznknng (vormals „Oedenburger Hachrichten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortscritt zur Ehr? — Betrachten zur Wehr’ — Der Wahrheit eine Gaffe.” —————­­ ur nn [new gg Administration, Verlag und Inseratenaufnahme: Indirikern­ &. Nomwvalter & Sohn, Greberrunde 121. BE Einzelne Rummern Rollen 5 Kreuger. Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn= oder Feiertag folgenden Tages. Främ­merations-Preise: Eür Loco: Ganzjährig fl., Halbjährig 5 f, Vierteljährig tr., Monatlig 1 fl. De Auswärte: Ganzjährig Ka fl., H elbjährig TR., Viertel­jährig 3 Alle für das Blatt bestimmte Seihungen, mit Ausnahme vom Inseraten, Präm­merations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. u Inserate vermitteln: u Wien: Hafenstein , Bogler, Bol Kan­afje 10, A. Oppelit, ı., Etubenbastei 2, Heinrig Sıalet, ollzeile 12, vt. Diofie, "Seilerstätte 2, M. Dutes, ı., Ries­mergasse 12, In Budapest: Saulus Sn. Dorotheagaf­e ıı, Sepp Lang, Sifelaplag 3, 4. ®. Goldberger, Bervitenp 8 8 Insertions:Sebüßren: 5 fr. für die eins, 10 fr. für die zweis, 15 fr. für die deebe, 20 fr. für die vierspaltige und 25 fr. für die duchlaufende Weritzeile evclusive der Etembelgebühr von 30 fr. Bei me­hrmaliger Ein­haltung bedeutender Rabatt­en 3 Br Die Oriflammen wehen! Dedenburg, 2. Mai. Die nationale Trikolore der Magyaren ist gleich­­sam die Oriflamme dieser ritterlichen Nation, die ihr so oft siegreich vorangetragen wurde in den Kreuz­­zügen für die ungarische Freiheit, gegen die Unter­prüfung durch brutale Fremdherrschaft. Diese Dris­flamme, die rothweißgrüne Fahne, sie loderte inmitten von Türkenheeren und verbreitete in einem weiten Kreise Tod und Verderben unter die Ungläubigen ; sie flatterte hoc über den in heiliger Vaterlandsliebe glühend entflammten Helden der glorreichen 1848­er Epoche und heute noch, wenn es gilt souveränes Bügerthum in Ungarn hohen Zielen zuzuführen, werden die roth­­weißgrünen Fahnen hervorgesuht und indem sie stolz in den­ Lüften fr­ entrollen, betrachtet der gute Patriot diesed8 Wahrzeichen ungarischer Begeisterung und spricht gleichsam andächtig bei sich selber: Im diesem Zeichen wirft Du siegen, gebenedeites Baterland ! — Bald, in zwei Monaten sehen, werden sich an den Firsten der Heinsten Bauernhäuser, fern und nahe im Ungarlande, die vielerprobten Trifoloren von war­­mem Windeshanch bewegt, stolz vom blauen Himmel abzeichnen, sie werden­­‚gleichsam in rothweißgrüner Schrift auf­ das Firmament schreiben : der Feldzug für die Besten der Nation hat begonnen, nieder mit den Lauen, Imdifferenzen, oder gar mit den Abtrün­­nigen gegenüber den hohen Traditionen unserer Väter ! Bürger! Ihr verleiht fest auf volle fünf Jahre das Mandat für Eure fünftigen Geieggeber, erwägt diese ernste, feierliche, hochwi­tige Aufgabe genau und sorgfältig ! folgt nicht blind der raffelnden Werbe­­trommel der Kortes. Bedenkt, die großen Stimmenwerbungen werden auch bald umraushen und da nicht in jedem Abgeord­­netenkandidaten der Stolz eines Brutus oder Koriolan steht,­­ wird­ man jeden Stimmberechtigten um­­schmeicheln und umgarnen und urpröglic wird durch das ganze Land ein demokratischer Zug gehen, als wäre eine neue Epoche angebroc­hen. Große Herren, die sonst auf den Bürger nur stolz herabbliden, werden jeden Wähler als Freund und Bruder an die Brust prefsen und selbst die wohlgepflegte aristokratische Hand wird die schwierige Rechte des Bauers schütteln und ihm allerlei Schöne3 verheißen , allein feid auf Eurer Hut, laßt Eudy Eure Ueberzeugung weder abschmeicheln, noch abtragen und erinnert Eudy daran, daß wenn erst die Wahl entschieden ist, da der große Herr si wieder in seine Bornehmheit drappirt und ihr der Bauer oder fleine Gewerbsmann bleibt, der ihr zuvor waret. Man beruft si­­o gerne auf das Mutterland des konstitutionellen Lebens, auf England, wenn man Wahlmißbräuche aller Art entschuldigen und be­­schönigen will. Wirklich gibt es Dort ebenso heiße Wahlkämpfe wie bei und und in der That lasfen auch dort die Kandidaten sein Mittel unversucht, um zum Biele zu gelangen. Aber der einfache Stimmenshadher ist dort dur) Die strengen gefieglichen Bestimmungen, welche in neuerer Zeit geschaffen wurden, fast zur Uns­möglichkeit geworden. Schon weil es im Gefege aus­­gesprochen ist, daß in Zolge folch’ grober Wahlmiß­­bräuche ganze Bezirke ihres Wahlrech­tes oder lustig werden können, bitte man sich, an dieses verwerfliche Mittel zu appelliren. Nun denn­­ so weit die Macht der Gefeggebung auch bei uns reicht, muß sie, wo sie angedrohtem Uebel begegnen, der Berführung des Volkes vorbeugen kann, e8 thun. Denn nicht nur davon ist die Rede, daß einem, oder dem anderen Abgeordneten, der sich durch Hinterthbüren in das Abgeordnetenhaus schleichen will, der Eintritt in’S Parlament verwehrt werde, weit Höheres ist in’s Auge zu fassen.­­ Läßt man die GSittlichkeit des D­olfes untergraben, seine heiligsten Ueberzeugungen zum Gegenstande eines schmäh­­lichen Handels machen, dann vergiftet man die zukünf­­tige Größe des Landes, erst­ft die edelsten Triebe, des Bolfes im Keime. Man verliere nit die Thatsache Augen, daß die Reichstagswahlen die erhabenste Ver­­fürperung des DBolfs willend involvire und daß die Souveränität der Nation unverleglic sein und bleiben soll, sobald die Oriflammen wehen! BR. M. aus den­ Berbrieft und besiegelt. Dedenburg, 2. Mai. Mit dem legten Tage des eben abgelaufenen Montes kann der meritorische Theil der sogenannten Ausgleichsfragen alle­r endgültig entschieden werden. Nach einer kurzen, aber interessanten Dis­­kussion, an welcer der Ministerpräsident und Graf Albert Apponyi den vornehmsten Antheil nahmen, hat die Majorität des Abgeord­­netenhauses sowohl das Zollbündniß, als das Tarifgefeg in der Form, wie dieselben vom Magnatenhause modifizier wurden, angenommen. Eine prinzipielle Ablehnung des Zollbündnisses wäre übrigens im heutigen Stadium der Angelegenheit nicht mehr thunlich gewesen, denn das­ Abgeord­­netenhaus hat bekanntlich die Gefegentwürfe, welche ihm vorlagen, nach eingehender Diskussion bereits akzeptirt und die vom Magnatenhaufe betroffene Modifikation des Holbündnip- -Entwurfes ist eine völlig unbedeutende und rein formelle. Einigermaßen wiliger sind die am Tarifentwurfe proponirren Abänderungen, namentlich enthalten die­ Modifik­­ationen des Magnatenhauses auf die Entsgeidung über die viel diffutirte Frage des Balles­­ auf Roh­­petroleum, und zwar eine Entscheidung im Sinne der Wünsche der österreichischen Petroleuminteres­­senten. Zur Berfchleppung der, Zollfrage‘ würde es an genügenden Handhaben nicht­ fehlen, wollte’ das ungarische Abgeordnetenhaus die im österreichischen­ Parlamente befolgte Pakt­t nachahmen. Das Bes­­­­­ ­­kfeuilleton Der EN — Novellette. — ‚As ich noch Student war, gab es in meiner Geburtsstadt einen jungen Deann, dessen Situation ziemlich, sonderbar und gleichzeitig auch ziemlich traurig­ war. Er war ein großer und­ hübster Junge von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, dem man­ immer allein auf­ der Promenade und an son­­stigen öffentligen Orten begegnete. Niemand sprach mit ihm,. Niemand grüßte ihn und wenn man an ihm vorüberging, stießen die Frauen einander mit dem Ellbogen an, maßen ihn die­­ Männer mit altem Blide und genirten sich sogar die Kinder nicht, wenn sie sich außerhalb des Bereiches seines Armes mußten, ihm halblaute Spottrufe nachzusen­­den. Er gehörte seinem Klub, keiner Koterie an und obwohl ihn alle Welt zu kennen schien, erhielt er doc nie eine Einladung, hatte er seinen Freund. seit einem Worte, man behandelte ihn wie einen Aus­­gestoßenen, einen Bar­a,­ einen­ Pesttransen. Dieser arme Teufel, welcher Gegenstand der Feindseligkeit einer ganzen Stadt zu sein schien, hieß Armand Dubief. Nachdem er tad Gymnasium absolvirt, hatte er seine juridischen Studien in Paris ge­­macht, von wo er mit dem Titel­­ eines Advokaten zurückgekehrt war. Er besaß auch ein ziemlich be­­trächtliches Vermögen, das ihm eine gewisse Unab­­hängigkeit sicherte. Er war, wie erwähnt, ein hübs­­her junger Mann und kleidete sich mit einer außer­­­­ordentlichen Eleganz, die fast bie zur Gesud­heit ging und eine Art Herausforderung an die Gesells­­chaft zu sein schien. Sein kurzer, schwarzer Geh­­rod saß ihm, vortrefflich, Chauffure und Handsguhe waren bei ihm stets spiegelbrauf, die­­ Leibwäldche tadellos, der Bart sogfältig gehalten und der­ Hut saß gewöhnlic­h auf, ein Ohre.In der Hand trug er meistens einen Rohr mit goldenem Knopfe, das wie man sagte,­ ein Stockdegen, barg. So gefleidet, ihren Armand mit feinen großen blauen Augen, die seinen stolzen Ausdruch hatten, mit feinem feinen Munde, der, immer einen lächelnden Zug­ hatte, wenn er nur durch das Gefühl einer erlittenen Beleidigung zusammengepreßt wurde, die allgemeine Abneigung thatsächlich nicht zu verdienen, welche man­ ihm entgegenbrachte. Der Kampf, welcher zwischen Dubief und der foraten G­esellschaft thatfähli bestand, währte lange. In der ersten Zeit war derselbe [charf und heftig ; allein Armand hielt jedem tapfer Stand, "der es wagte, ihm nahezutreten. Bar, oft mußten die schönen Epöiterinnen ihr Haupt unter diesem flammenden Blik senken und die Heinen Straßenjungen trugen häufig rothe Ohren davon, wenn sie «8 aus gar zu großer Nähe wagten, ihn zu versagen.­­ Und was die jungen Leute von Welt betrifft, „melde er früher an Nedereien und kleinen Rosheiten gegen­ ihn nicht fehlen liegen, so gab er ihnen den Beweis, daß er’ Pistole und Säbel’gleich vortrefflich zu handgaben wire. Er en­weimal geschlagen, wobei ein­er seiner Gegner eine Kugel in die Schulter und der andere einen Dieb auf die Brust davontruf. Diese beiden Experimente genügten und man vermied es nunmehr, ihn offen zu bräßquiren.­ Sr Bolge Dieser seien Haltung : ‚Oubief’3 bildete sich nach Verlauf von zwei Jahren eine­ ganz andere Taftif gegen ihm heraus ;­ eine Art Sleichgiftigkeit schien an die Stelle der­ offenen Hem­dseligkeit zu treten. Man begann ohne Zweifel gegen die Ursache, welche diese Situation derbeit geführt hatte, blasirt zu werden, und man beschäf­­tigte sich gar nicht mehr mit dem fühnen jungen Manne. Seine vollständige Stolk­ung hörte dadurch jedoch keineswegs auf; alle Thüren blieben vor ihm­­verfloffen. Niemand richtete vor Anderen das Wort an ihn und seine Hard ur geneigt, die feinige zu drüden. von dem Augenblice am, gewonnen. Zu­­ dieser Zeit hatte ih meine Studien be­­endet und spazierte eines Tages mit einem älteren Freunde, der alle V­erhältnisse unseres Städtchend an kannte, doch die Straßen desselben­­­­ ­Foctiegung folgt. I - als die auf ihm h­­aftende Act diese mildere Form annahm, ging in dem Wesen des­ jungen Deanned eine bemerkens­­werthe Veränderung vor. Man begegnete ihm wohl noch hie und da, allein er hatte seine trogige Miene verloren, den stoigen Ausbruch, der­ seinen Gegnern imponirte. Sein Auge war erfolgen, seine Wangen wurden hohl­ und fahl, sein Gang beinahe schwane­rend. Er war sichtlich mit seinen Kräften zu Ende oder hatte irgend ein mächtiges Gefühl, welches bisher nur die Aufregungen eines starken Kampfes zurückgedrängt wurde, wieder Gewalt über ihn |

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