Oedenburger Zeitung, 1888. Juli (Jahrgang 21, nr. 150-175)
1888-07-01 / nr. 150
| — EEE Be Ari XXI. Jahrgang. 150. r edenburger Beitun ı (vormals „Oedenburger Nachrichten“) Organ für Pofitik, Handel, Inöustrie und Landwirthschaft, dann für soziale Interesen überhaupt. Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr’ — Bebrüchen zur Wehr? — Der Wahrheit eine Gaffe.“ 2 Administration, Verlag AR Infernienaufnahme, Buchdenkerei, Nommalter & Sohn, Grabenrune 11. KB Einzelne Nummern Rotten 5 Areyr. mu a Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn= oder Feiertag folgenden Tages. Y Pränumerations:Preise: Für Loco: Sorgjährig, 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig w fl., "Monatlich 1 fl. Für Auswärts: Gansjährigei fl. „patsiährig T fl., Vierteljährig 3 fl. 50 Alle für das Blatt bestimmte geil, mit Ausnahme von Inferaten, Pränumerations= und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion , portofrei einzusenden. Inserate vermitteln: Im Wien: Hafenstein , Vogler, Wallfischgafse 10, A. Oppelis, ı., Stubenbastei 2, Heinrich Scalek, Wollzeile 12, R. Moffe,Seilerstätte 2, I. Dufes, 1., Ries Kerne 12. In Budapest: Yaulus Sy. Dorotheagaste 14, teop. Lang, Gisellaplag 3, A. B. Goldberger, Bervitenplag 3. Unfersions:Sebüßren: 5 fr. für die eins, 10 fr. für die zweis, 15 fr. für die bdreis, 20 fr. für die vierspaltige und 25 fr. für die durchlaufende Bettzeile erelusive der Stempelgebführ von 30 fr. Bei mehrmaliger Einschaltung bedeutender Rabatt. „Oedenburger Zeitung.“ Mit 1. Juli beginnt ein neues Abonnement auf die im XXI. Jahrgang stehende ‚ Dedenburger Zeitung.“ Dieselbe Bringt folgende ME Gratisbeilagen BE jeden Sonntag: das „SNuftrirte Sonntagsblatt‘; jeden zweiten Donnerstag den belletristischen „Feierabend“ und jeden anderen Donnerslag das Wisblatt: „„Luftige Blätter.“ — Alle vier Blätter zusammen kosten: Ganzjährig 9 fl., halbjährig 5 fl., vierteljährig 2 fl. 50 kr. foco Hedenburg. Auswärts: Ganzjährig 12 fl., hafjährig 7 fl., vierteljährig 3 fl. 50 kr. — Das Abonnement kann auch mit jedem anderen Cage entirrt werden. Der Beginn der todten Haifon. Dedenburg, 30 Juni Die beiden Delegationen haben der ihnen gestellten Aufgabe ungewöhnlich schnell und still genügt; sie haben der gemeinsamen Negierung Die unerhört hohe Summe von 191.180.324 Gulden bewilligt, mehr, denn jemals seit Aufrichtung des Dualismus seitend der beiden Staaten in die gemeinsamen Kassen geschüttet worden. Sein lebhafter Meinungsstreit hat den Wänden der Sibungssäle und den Herzen der Nation Echos entlockt. Von der Kundgebung einiger, ganz unwesentlich von einander abweichenden Ansichten abgesehen, ist die auswärtige Politik einhellig, freudig gebilligt worden. Den schier angemessenen Ansprüchen der gemeinsamen Kriegsverwaltung sind die Delegationen mit grenzenloser D Opferwilligkeit nachgekommen ; nur durch kurze Darlegungen wurde Sorge getragen, dab die Genehmigung der Fa Br nicht als Vorwand für artige Beeinträchtigung des Budgetrechts mißbraucht werde. Und auf das von der Regierung skizzirte Tronnenhelle Bild der bosnischen Zustände hat nicht einmal der Zweifel einen blassen Schatten geworfen. So wohlig, wie heuer, haben sich noch niemals die gemeinsamen Minister in der angenehmen Temperatur der Sigungslokale gefühlt. Kein Wunder wär's, wenn ihnen heute Abends Hutten’s Idealismus die Brust schwellen sollte und sie anlaufen würden: „Es ist eine Luft zu leben!“ Nämlich als Minister, nicht als Steuerzahler. Das Stillleben der Delegationen hat einen hoch bewegten Hintergrund gehabt in dem deutschen Thronwechsel und den andeteren geknüpften Ereignissen. Die Kundgebungen des jungen deutschen Kaisers, soweit dieselben uns unmittelbar berühren, haben sich harmonisch mit den Meinungsäußerungen der Delegation verschmolzen. Das „N. B. 3.“ schreibt: In Berlin, wie in Budapest ist der Grundafford der Stimmung ein rückhaltslos friedlicher gewesen. Wir zweifeln nicht, daß Diese Uebereinstimmung der Gefühle, Wünsche und Strebungen eine dauernde sein werde; doch wir besorgen, dab mam, da, die Vorhänge der parlamentarischen Bühnen gefallen sind und die todte Jahreszeit mindestens für Mitteleuropa, ihr absolutes Recht geltend macht, zeitweise, hoffentlich nicht ernste Mißverständnisse auftauchen konnten. Und zwar aus den Beziehungen Deutschlands zu Nußland. Unzweifelhaft hat in diesen Beziehungen ih ein Umschwung vollzogen, der sofort mit der Thronbesteigung Fridrich’ III. begonnen hat, als die russische Presse einmüthig den kranken Monarchen, auf Stotten seines Vaters als Freund Neußlands gepriesen. Dieser Umschwung stiegt vollendet. So unerschütterlic fest nun auch nach den vom deutschen Throne und während der soedem geschlossenen Session von allen österreichisch-ungarischen Faktoren gegebenen Bereicherungen der Friedensbund steht, die Frage ist noch offen und künnte beängstigend wirken, wie die russisch-deutsche Annäherung auf das Obidjal Bulgariens wirken, welchen Einfluß sie auf die Unabhängigkeit der Balfan Halbinsel üben könnte ? Das ist der nicht ganz sorgenfreie Gedanke, welchen die komprimirten Parlamente von der Session nach der heimischen Scholle mitnehmen. Wir wollen hoffen, daß die Sorge unbegrüns=det sei. Wenn hie und da ein deutsches Blatt, vergessend, daß die Wendung nicht von Berlin, sondern von Petersburg ausgegangen und durch die bitterste wirthschaftliche Noth erzwungen ist, wenn solches Blatt im übertreibenden Diensteifer raffenfreundlich bis zur Gegnerschaft wider Ungarn wird, dann darf uns das feinen Augenicht irre machen an den von Bismark am lechten Februar gekennzeichneten Grundzügen der Politif Deutschlands. Der Kanzler erkennt zwar an, daß bei Abfassung des Berliner Vertrages dem Czarenreiche ein hervorragender Einfluß in Bulgarien zugedacht sei; er will,wenn er von Petersburg offiziell darum gebeten wird, jeden auf Wiederherstellung der Berliner Stipulationen gerichteten Schritt des russischen Kabinets unterstügen, aber er wird jeden russischen Bersuch zu Gewaltthätigkeiten gegen Bulgarien bekämpfen. Unsere Monarchie erkennt ein Necht auf besonderen Einfluß Nußlands in Bulgarien nicht an, weil im Berliner Traftat darüber nichts bestimmt ist, auch, da der Einfluß zu den politischen Imponderabilien gehört, nichts bestimmt werden konnte. Die Erfahrung ehrt, daß auf diplomatischem Wege das Zarenreich seinem Ziele um seinen Schritt näher fommt; es liegt also in der Haltung Deutschlands vorläufig nicht die geringste Gefahr einer Durchkreuzung des Programms unserer Orientpolitik vor. Darum hat Bulgarien in den soeben beendeten Verhandlungen der Delegationen gar seine Rolle gespielt, ist es kaum erwähnt worden. Die Dinge liegen eben genau so, enn Feuilleton. Bwilden zwei und drei. Eine unerklärte Begebenheit.Fortregung., Er trug einen Dolumflen Ueberzieher und einer schwarzen Filzhut mit sehr breiter Krenpe ; unter dem Hute aber gewahrte ich ein junges Gesicht von geradezu leichenhafter Farbe und halblanges welliges starr ergrautes Haar. Wie ich ihn anstarrte, hatte ich ganz deutlich das Bewußtsein, daß ich ihn nicht zum ersten Male sah, und doc war mir die sonderbare Erscheinung so befremdlich — stach so stark ab gegen Alles, was ich bis dahin unter den Menschen kennen gelernt hatte! Ich blieb nach einigen Schritten stehen, aber ich jang den großen Hut nicht mehr ragen.“ F „Den nächsten Mittag um dieselbe Zeit, auf derselben Stelle, sah ich den jungen Mann wieder. Seine Züge waren fein, das Gesicht zart, — ich farrte ihn danach auf höchstens neunzehn Jahre. Indessen hielt er den Blik am Boden und ging mit eiligen Schritten, e8 war, als ob er wünsche, nicht bemerkt zu werden, — doch schien er wunderbar, daß nicht Jeder, wie ich, auf's Höchste betroffen nach ihm schaute. Er verfolgte mich nun in Gedanken, wei sonderbare Umpftände, dachte ich, künnen eine solche, jedem Naturgeseb spottende Er Scheinung hervorgebracht haben ? Was kann der Sek seiner Augen sein? It's ein äußerlich merlich Stanfer ? Ich vergaß ihn auch nicht, als ich am dritten it einem gesprächigen Bekannten den Weg machte , wieder. „Ich unterbrach Herrn Peters Nede kurz und machte ihn auf den Süngling aufmerksam. Peters drehte sich schwerfällig nach ihm um: „Den Langen meinen Sie? Ach das ist ja Herr Müller, Kommis in der großen isenwaarenhandlung von Herrn , na, da bei Ihnen unten.“ „"Ich weiß schon. Also Herr Müller, gut.“ * „Und kaum, daß ich meinen Kaffee getrunken hatte und Herren Beters abgeschüttelt, ging ich hastig meinen Weg zurüf und nach Der beschriebenen Handlung. Was ich eigentlich wollte, war mir selbst nicht ganz klar, jedenfalls aber um diesen Menschen, der mich in unheimlicher Were in Anspruch nahm, gerade und deutlich vor Augen zu haben. „Herr Müller wurde auf meine Bitte bereitwillig herbeigerufen und erschien, ein langer, ich mächtiger Mensch, wohl frisirt, mit einem höflichen, wenn auch etwas erstaunten Lächeln; er war ein Mensch wie tausend andere ein seltssamer Züngling nicht. Ich entschuldigte mich und ließ ihn stehen. — „Aber kommen sollst Du mir doch noch, Du Gespenst!“ sagte ich bei mir selbst, — sagte das so Hin, denn es versteht sich, daß man am Mittag in der Leipziger Straße seine Gespenster sieht. — „Den folgenden Tag erwachte ich bereits mit einer Art Spannung. Wen ich mich besann, fiel mir ein, weshalb : ahn, Heute — heut will ich Dich kriegen! [I Ich könnte bis zu Mittag nichts vornehmen, ich war in einer Art Fieber. Endlich kam die Zeit ; nun sah ich die Straße hinunter, sah mit meinen scharfen Augen in die schwarzwogende Menge als ob er mir entschwinden wolleund richtig da zeigte sich der Seltsame im den Dunst, der wie eine Mauer dahinter lag, jah nichts — und plöglich ging der Schwarze an mir vorüber. Er durchfuhr mich wie ein Stich, — ich machte auf der Stelle Kehrt und eilte ihn nach, es war immer. Bei seiner ungeheuerlichen Größe schien die Gangart die mich zum Seuchen brachte, ein ruhiges Wandern. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, aus Furcht, er möchte mir entgehen, und achtete gar nicht auf den Weg, doch merkte ich, dass wir in Eile nach einer mir unbekannten Gegend fanten und in schmalen Winkelgassen und üiberbauten, hofähnlichen Gäschen liefen — furz, daß Alles um mich her fremdartig wurde. Vlöglich bog men Flüchtling in einen dürste ven Thorweg ein und machte ie fehrt, so daß ich ihm unversehens gegenüberstand. Der starre Carbolgeruch, der hier herrschte, brachte mir eine böse Epoche aus meiner Dienstzeit so lebhaft in Erinnerung, daß ich Mühe hatte, den beängstigenden Eindruck zu überprmden. Inzwischen blieb der junge Memich gleichsam erwartungsvoll vor mir stehen und ich mußte jeßt einen Vorwand für meine unermüdliche Verfolgung finden. „üBerzeihen Sie“, sagte ich, „wenn ich mich nicht ganz versehen habe, so find Sie Humphrey Jakson . 2...“ (natürlich hatte ich den Namen aus der Luft gegriffen und war bereit, in grenzen»loses Erstaunen über solch eine „täuschende Aehn=lichkeit“ zu verfallen.) Der junge Mann schlug langsam ein paar schwarze Augen auf, mit denen er mich, troß seiner Größe, von unten herauf Anz sah.. Es waren jeder Seltsame Augen, wie zwei dunkle Löcher in die Ewigkeit hinein, — tief und Für Abonnenten liegt heute Ar. 27 des „Illustrirten Sonntagsblattes“ bei. Siezu ein halber Bogen Beilage. ·RESTE SS BT ;.-..·« SE RAN 9 ESTER Er