Oedenburger Zeitung, 1889. August (Jahrgang 22, nr. 175-199)

1889-08-01 / nr. 175

« xXIL Jahrgang. edenburger 3e (V vormals „Bedenburger Maßrichten“.) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtbchaft, dann für soziale Interessen RR Motto: „Dem Fortschritt zur Ehe? — Betrüchten zur Wehr! — Der ana eine Gaffe.“ Er­s­ter Monatlich 1 fl. ö Für Auswärts: Ganzjährig a K, ‚Halbjährig 7 fL., viertel­­jährig 3­50 Alle für das Blatt bestimmte heine mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, und­­ au­ch die Redaktion portofrei einzusenden. Tages. . Das Blatt erscheint täglich, mit Akm­aiane des auf einen­­ Pränumerations­­reite:­r Loeo: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljähri­g­e Sonne oder Feiertag folgenden Administrnsion, Dem­og und Inferatenaufnahme: Buhdruser­ &. Romssalter , Sohn, Grakenranie Di­­ne Einzelne Nummern Rotten 5 Kreuzer. ER Inserate vermitteln: In Wien: Safenstein , Vogler, Walls fishgafse 10, A. B. 1., Stubenbastei 2, Heinrich Schalek, 2 Sollzeile %, Meoffe, "Seilerstätte 2, M. Dufes, 1, mergaffe 12. ‘m­ an Saulus Sy. Dorotheagaffe u,­­ teop. Yang, Gisellaplag 3, A. B. Goldberger, Bervitenplaß 8, Infertions:Sebüßren: Str für die ein=, 10­­%, für die zweis, 15 fr. für die dreis, 20 fr. fü­r die viershaltige und 25 fr. für­ die durchlaufende Petitzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 fr. I Bei mehrmaliger Grinshaltung bedeutender Nabatt, Der Wenfd, als Handelswaare. Dedenburg, 31. Juli. Ein gewisser Albin So El, welcher Haupt­­agent eines Wiener Bureau’s zur Vermittlung von Auswanderungsscheinen nach Amerika ist, sieht sich eben feßt, wegen Verführung von fünf slowanischen Arbeitern zur E­xpatrierung, in einen schmäßigen Prozeß verwidelt, dessen Austragung seit septem Montag in unserer Landeshauptstadt im Zuge ist und wobei auch die Budapester Polizeibehörde von dem Vorwurf eines forrumpirten Treibens sehr scharf berührt wird. Lebteres wollen wir für heute nicht zum Gegenstande unserer Ausführungen machen, wir wollen b[o8 wieder einmal ein Streiflicht auf den empörenden Handel mit lebendigem Menschenfreisch werfen. . ....8 wurde Schon unendlich viel über die noch immer nicht genugsam verfolgte Niedertracht geschrieben, womit gewissenlose „Aquifiteure (!) der Prostitution“ junge Mädchen zur Annahme von angeblich ganz außerordentlich lohnend sein sollenden Dienstplägen jenseits des Ozeans bewegen, die armen Getäuschten aber, wenn sie sie erst in der neuen Welt haben, erbarmungslos der moralischen Erniedrigung an­­ den Meistbietenden verkaufen. Derlei Seelenver­­läufern gegenüber zeigt die Negierung aber doch ein etwa wachsameres Auge und gelingt es ihr ab und zu so einen ruchlosen Händler mit Menschen­­waare zu ergreifen, so keit ihn die volle Schärfe des Gewebes. Anders jedoch steht «8, laut der finsteren­­ Eloquenz "unserer Auswanderungsstatistik, mit den arbeitenden Kräften unseres­ Vaterlandes, die allen bisherigen geießlichen M­aßregeln zur Verhütung ihrer Einschiffung nach Amerika zum Troße, massen­­haft die heimathlose Erde verlassen, um, einem beinahe gewissen Elend, jenseits des Weltmeeres entgegen zu gehen. Die ungarische Staatsverwaltung befaßt sich viel mit der Auswanderungsfrage. Was sie bisher gethan hat, um dem verruchten Treiben der Agenten, welche den schwunghaften Handel mit Menschen als Waare eifrigst vermitteln, entgegen zu treten, ist jedoch beschämend wenig; das Unmejen der Auswan­­derung greift vielmehr nach wie vor und zwar sogar­ in progressiver Steigerung um fi). Auch das „B. Tbt.“ welches eben rebt Die­­selbe Angelegenheit bespricht, erklärt unsreie der­­malige Regierung schlechterdings für unfähig, den Umfang des Auswanderungs-Uebeld und die ver­­hängnißvolle Bedeutung desselben auch nur zu er­­­kennen, geschweige denn, demselben zu steuern. Denn ahnte die Regierung auch nur im ntfern­­testen,­ daß der bleibende Auszug jedes einzelnen ungarischen Staatsbürgers nach Amerika gleichbe­­deutend mit einer wirthschaftlichen Selbstver­­stümmelung i­, so würde sie mit aller Energie e3 verhindern, daß der Mensch als Handels­­waare verfrachtet wird. Unsere Regierung scheint e3 sich bewußt, daß die Zehntausende von Emigranten, welche jährlich aus Ungarn nach dem fernen Welttheile auf der anderen Hemisphäre auswandern, eine mählige, aber im Stammteffekt sehr erhebliche Abbröckelung un­­seres ohnehin leder gefügten Wirthschaftssystens bedeuten, hätte sie die richtige Kenntnis von dem Werthe der Arbeitskraft, welche uns in jedem Aus­­wanderer von dem nationalen Kapital, vom Stamm­­vermögen des Staates verloren geht, so würde sie die Agenten der Auswanderung und alle säumigen Polizei-Organe, die ihr Z Treiben nicht verhindert haben, an Landesverräther auf die Anklage­­bank verweilen und mit vieljährigem Zuchthause beitrafen. Mit Bahpladereien und ähnlichen Polizei­­maßregeln sollte der Auswandererstrom, der seit einem Jahrzehnt seine Wogen aus Ungarn nach Amerika ergießt, in seinem Laufe gehemmt und zu seiner Quelle zurücgedrängt werden. Begriff denn den Landmann Sich von der an die ihm die von den die Regierung nicht, daß nur die Verzweiflung des tiefsten Elends, nur die evidente Unmöglichkeit, sein Dasein im Vaterlande wenn auch noch so jümmer­­lich Fortzufristen, Scholle trennen Heißt, Vätern ererbte Anhänglichkeit fettet und auf welcher er die Lebensgefährtin und die Kinder als Beute der unberechenbaren Wechselsäle eines swinglosen Elends zurüclaffen mi ? Mehr als dem Geizhals feine Schäße, mehr als dem Neichen fein pracht­­stragendes Heim ist dem armen­ Bauer fein Stüd­­chen Aderfeld, das gedüngt ist mit seinem Schweiße und mit feiner Bäter Blut. Und wenn er es dennoch verläßt, wenn er sich den Abenteuern und Gefahren der Seefahrt ausjegt, sich in ferne Lande begibt, deren Sitten und Sprache ihm unbekannt, so thut er es nur, weil er daheim sein Kortfommen nicht findet, weil des Bodens sarger Ertrag nicht hinreicht, um ihn und­­ die Seinigen zu ernähren, weil sein kleiner Befig mit Schulden behaftet ist und feiner Mühen, Knappen Sohn die Zinsen und Dem Auswanderungs­­die Steuern verschlingen. übel, das so geartet, ist durch Fleinliche Polizei- Maßnahmen nicht Eine gesunde, thathräftige Wirtsbchaftspolitik allein wäre im Stande, diejenige Abhilfe zu schaffen, entjegt ob nach welcher die öffentliche Meinung, der beständigen Zunahme des Handel mit den Menschen alle Waare, seit manchem Jahre vergeb­­lic­chreit. | .— , Z N ZN ! u am Die Einführung des Zonentarifs. Bekanntlich tritt der Zonentarif am 1. August auf sämmtlichen Linien­­ der ungarischen Staats­­bahnen (die ungarische Westbahn und Budapest- Fünfeachter Bahn mitinbegriffen), ferner auf der Salathurn-Agramer Bahn, der ungarischen­­ Nord­­ostbahn, der ungarische galizischen Bahn, sowie der Feuilleton, Im­ Sclafwagen. Bon Friedrich, Gustav Trieich: (Bortregung.) Bruno’3. roll verwandelte sich nach diesem ‚Beischluffe, wie in den Renperungen entnahm, die er ab und zu murmelte, allmählig in Rührung, in tiefes, inniges Mitleid — zu fi) selber ! Endlich verstummte sein Selbstgespräch ; nur die Senfzer, die er dann und wann hervorstieh, und sein wiederholtes wertöses­ Herummenden im Bette, verriethen mir, daß er noch wache. Das GeplaudeI der Mädchen ging in dessen ununterbrochen fort wurde schließlich derart lebhar daß die Neugier unmrrrege wurde der Wunsch die Ruhertörerinnen, die ich so reichlich gehört, nun da auch zu sehen. Mein Erscheinen machte auf die Versammlung, die aus fünf bis sechs jungen Mädchen bestand, ungefähr die Wirkung, wie... wie wenn man des Nachts einen Stein in einen Teich wirft, in dem Frösche quaden: einige Augenblicke Herrschte tiefe Stille, dann ließ sich zuerst schichtern eine Stimme, bald darauf eine zweite und dritte ver­­nehmen, bis schließlich wieder der ganze Chor Lustig wie vorher fortquadte. Armer Bruno­ dachte ich bei mir, bis diese Mädchen mide werden — da rannst Du lange warten! PRlöslich rumpelte eine Thür. t Bruans Kopf wurde sichtbar „Meine Damen!“ lebte er mit weicher, vi­­brirender Stimme. Alles wandte sich überrascht um und lauschte: „Meine Damen, ich bitte Sie inständigst­­e3 it jemand anwesend, der dringend ‚der Nähe bedarf!“ Er verschwand, die Thür wurde wieder zuf­­geschoben, er h­errschte plößlich Grabessü­lle. Die Mädchen wagten eine zeitlang faum zu athmen. Eindlich Fraßte eine schlanke Blondine, die zuvor die Gesprächigste, die Heiterste gewesen, Sich ein Herz und flüsterte: „Mein Gott, wenn ich das gewußt hätte! Wie schäme ich mich, daß ich die Nachtruhe eines armen Leidenden, vielleicht gar Schwerkranken gestört Habe!“ — „Der Schaffner hätte und das aber Doch jagen sollen!“ Tispelte eine Zweite. Nun ging ein, aber immer im feifesten Flüsterthon geführtes Rathen und Kundgeben von Bermuthungen über­ den unbekannten armen Leiden­­den an, Sowie über die Beziehungen, in welchen derselbe wohl zu dem bleichen jungen Meanne stehen könne. Eine ® der Mädchen hatte beim Kommen einen­ sehr gebrechlich aussehenden alten Herrn bemerkt, der, wie sie sich nachträglich erinnerte, große Aehnlichkeit, mit dem jungen Manne beffte und daher sein Papa oder Großpapa sein müsse. Eine Andere erklärte, sie glaube beim Vorübergehen, während die Thür aufging, eine alte Dame mit weißen Haaren gesehen zu haben, die aller Wahr­­scheinlichkeit nach die Mutter des jungen Mannes sei. ALS aber die Blondine, die zuerst gesprochen, an eine kleine, schmächtige, blasse, junge Frau erinnerte, Die sich einige Augenblide im Gemenge Hatte seden Lassen, da wurden mit einem Schlage alle übrigen Hypothesen fallen gelassen und die Meinung, daß besagte blasse, junge Frau die Gattin des breichen jungen Mannes­ei, gewann die Ober­­hand. Ein Paar halbtragend hingeworfene Bemer­­kungen von dieser und jener Seite noch — und die Sache war entschieden: der junge Mann war der Gatte jener armen, blassen, brustleidenden jungen Frau, deren Augen, wie sich fest Alles deutlich erinnerte, mit unendlicher Schwermuth in die Welt blickten, als ahre das unglückiche junge Weib, daß es bald, mur zu bald von Allem, was ihm theuer auf Erden sei, würde Abschied nehmen mühsen ! Arme Frau! Armer, junger Mann! Auch ihm war ja der Kummer, der bittere Seelenschmerz von seinem gramdurchfurchten Antlig herabzulesen! „sinder!“ fi­ßelte endlich die ersterwähnte Blondine, doch eine Störung. Biechen wir ung zurück. 8­ont, gehen wir und reden wir heute feine Silbe mehr!“ Händedritte und lette Riffe wurden getauscht ; auf den Beben, mit angehaftenem Athen unhörbar wie Schatten glitten die Mädchen an jener Thür vorüber, auf welche eine Jede noch einen Blicd innigsten Mitgefühls richtete. Einige Augenblicke später lag der Gang still und leer da, wie ausgestorben. Nım 309 auch ich mich zurück. Ich fand meinen Freund fest sQlafend wie ein Murmelthier. Der Schwerenöther­ dachte ich bei mir, nicht ohne eine N Regung des Unwillens ! Er spürt nicht die geringsten Gewissenschiffe. (Bortregung folgt:) „So leite wir auch flüstern, «3 macht EEE % ee . BR «.. EEE Se­ee EEE

Next