Oedenburger Arbeiterrat, 1919. Juni (Jahrgang 1, nr. 47-68)

1919-06-01 / nr. 47

1. Juni 1919 rümpfenden Familienmitgliedern den Anschein zu erwecken,sie hätten ein Herz für den als Kanonenfutter zur Verwendung kommenden Krieger. Zeigt eine solche Wohltätigkeit nicht die größte Immoralität? Muß man nicht von solchem Bilde angeefelt sich abwenden? Da kam die Ummälzung. Die Proletar­­diktatur bahnt die Wege zum kommunistischen Staate. In diesem aber ist für Wohltätigkeit sein Raum. Und zwar aus dem einfachen Grunde, weil dieser für alle seine Bewohner, die ihre Pflicht erfüllen und der Gemeinschaft sich all­täglich erweisen, in gleicher Weise folgt. Die gesellschaftliche Wohltätigkeit, da sie doch bloß von BProletariern geübt werden könnte, könnte somit seine Berechtigung haben. Oder sollte ich mich diesbezüglich irren ? Unter den vielen Plakaten, die derzeit in Budapest in allen Straßenzügen die Aufmerksamkeit des Bublikums erregen, fiel mir eines dieser Tage ganz besonders auf. Es lädt die Genossen in auffallenden Leitern zu einem Luftigen Noten Nachmittag nach dem Römerbad ein, um dort zugunsten der Angehörigen der im Felde stehenden Krieger einer Kabarettvorstellung an­­zumahnen, zu tanzen, Konfetti zu werfen ufm. Waz,ist das? Wozu Diese bürgerlichen Allüren ? Sorgt denn der kommunistische Staat nicht in entsprechender Weise für seine Angehörigen, die dem das Land bedrohenden Imperialismus mit der Waffe in der Hand die Stirne bieten ? Wäre das der Fall, müßten wir es als ein unverant­wortliches­­Versäummnis brandmarken. Nachdem aber gegen die Ungarnjege­räte­­republik eine solche Anklage nicht ergeben werden kann — wenigsteng nicht mit Recht —, so muß ich auf die Geschmachzverirrung hin»­weisen, welche leite Die in Rede stehende Wohltätigkeitspointierlung begangen wird. Es fällt sie nicht bei, die hehren Intentionen der Veranstalteer — find­en doch wacere Prole­­tariee — in Zweifel zu ziehen, aber in einem fommitumistischen Staate sollte man Wohltätig­­keit solcher Natur, die so sehr an das kapi­­talistische Vorogentum erinnert, nicht üben wollen,­­ diskreditiert die Proletardiktatur, die die Gleichheit aller proklamiert, freilich der Proletarier. Die Grundlage des kommunistischen Staates bittet doch, daß er allein berufen ist, Worttätigkeit zu üben. Natürlich nicht Almosen, wie es sein korrupter Vorgänger getan. Die Ungarische Räterepublik übt denn auch diese Wo­hltätigkeit in vollem Ausmaße aus, so daß sich eine solche von festen Privater erübrigt. Er muß wahre Wohltat geübt werden, wie eine solche zum Beispiel wäre, daß der Bettler von der Straße — Dieses Schandmal aus der alten Welt — verschwinde. M.R. Die Bersammlung gewesener Soldaten im­ Volkshaus, Geltern, abends 8 Uhr fand im Bolfshaus eine Versammlung ge­wesener Soldaten statt. Der große Saal war von Teilnehmern dicht belegt. Die Bersammlung wurde von Genossen Gabriel Knapp eröffnet, der in einer markigen Nede die Notwendigkeit betonte, daß die P­ro­­letarier endlich zu der Einsicht gelangen, daß nur sie allein ihre eigene Sache vertreten­ und verteidigen können. Das Reoletariat Oeden­­burgs m­uß sich aus der Stagnation zu einem Zustand kraftvoller Entccließung hinauf: Schwingen. Wir sprechei — bemerkte er — zum legtenmale, auf daß die Arbeiter, die P­ro­­letarier, mit offenem, zugänglichen Sinn die Lage beurteilen und aus­ eigenem Antrieb handeln, wie es ihr Proletarierherz und Pro­­letarierverstand gebietet. Nun übergab er das Wort dem Genoffen Kellner. Die Rede des Genoffen Kellner. Er erging anfangs der Woche an alle Pro­­letarier der Ruf, umter­ Die Fahne zur eilen. Der Mo­­ilisierungsbefehl hatte leider nicht den gewünschten Erfolg. Am Mittwoch meldeten sich blek 304 Proletarier. Dieses bedauerliche Ergebnis war jedoch nur die Folge eines Miß­­ü derständnisses, weil die meisten Proletarier nicht wußten, um was es fi handelt. Sehr natürlich­ war es, daß die Gegenrevolutionäre nicht eine Minute lang mit­ der Ableitung der Särußfolgerung warten konnten. Das Pro­­letariat fühle sich schwach, das Proletariat habe ihre eigene Niederlage erlebt, das Pro­­letariat hat ih­n an­gelebt. Nun kommen sie, um im Lrüben­ zu siien. Wie,­­die Gegenrevolutionäre, glaubten, daß­ sie bereits mit dem Händeklau­chen beginnen künnen. In dieser Versammlung sind viele, die gelemmten sind, um zu applaudieren. Aber sie haben eine falsche Folgerung abgeleitet. Hier wird sich seine Gelegenheit bieten zum Händeklatschen über den Sturz der Proletarierdiktatur. Darum fordere ich alle auf, Die nicht mit dem Pro­­letariat fühlen, den Saal zu verlassen. Ich fenne ja alle diese heimlichen Gestalten, die ich hier eingenistet haben. Ich sehe aus den « näm, welche er sind,die schadenfroh lachen woen.Aber diese werden großen Enttäuschungen ausgesetzt-Also nur hinaus aus dem saale Den Ausgang habe ich offengeladen.Hier wird keine Gelegenheit sein,sich schadenfroh auszutobeln(Großer Beifall.). Redner erörtert sodann den wahren Sinn der Proletarierdiktatur,welcher ein Uehemmth zustand ist.Nur ein Mittel zumeeck-Die Proletarierdiktatur bedeute­t,daß die Pro­­letarier diktieren,und zwar so lange,bis nicht alle arbeiten werden Wenn bereits alles in den Fabr­iken,­inden Geschäften und in den Kanzleien eine Arbeitsstelle gefunden hat, wenn keine Hand nach arbeitslosem Einkommen mehr greift,wird die Proletarierdiktatur auto­­matisch aufhören,um dem freien Walten einer sozialistischen Gemeinsamkeit Platzu machen­. Unter den Oedenburger Proletariern sind ja viele,die schon vor 70 Jahren für eine kleine Besserung ihrer Lage im Lahnkampf führten, die alle Leiden und Martern des Proletariates Durchgekostet haben. Wer glaubt ernstlich daran, daßs das Oedenburger Proletariat die Macht so weit aus den Händen gleiten läßt. Die Proletarier-Diktatur bedeutet je­doch den Sieg des­­ Proletariates. Jeht, wo wir die Großgrundbeu­ge den Feudalheeren, die Fabriken den Großindustrellen, die Banken den Groß­­kapitalisten, die Binskasernen und großen Miethäuser den steinweigen Hausherren ent­­riffen haben; wo wir, die Proletarier, Gebieter über das Staatsvermögen sind, wer glaubt, daß wir fest, von einigen dummen Schauer­­mädchenerzählern­ eingeschüchtert, unsere Waffen aushliefern werden. Wir­ haben nur die großen Vermögen sozialisiert und beliefen wir dem Bauer seinen Grund, weil er für diesen Boden geschwigt und geblutet, und ihn ehrlich erworben hat. Das bedauerliche Ergebnis der mittmöchigen Offentierung konnte nur dadurch bewirkt werden, daß die Proletarier nicht genug tief in den Gedanken schürften. Sie glaubten, daß es Hinreiche, wenn sie die Macht in den Händen haben und weiter arbeiten — für einen höheren Lohn, ald früher. Aber sie dachten nicht darauf, das sie bei VBourgeoisie die Verteidigung ihrer Herrschaft nit an­­vertrauen künnen, daß eben­ sie es sind, die an­­ diese Aufgabe herantreten müssen. Sie müssen auch die Waffe in die Hand nehmen, weil die Waffe in den Händen der Bourgeoisie eine sichere Gefahr für sie bedeute. Wir sind weit entfernt davon — sehte Ge­­noffe Kellner seine Rede fort — durch das Ergebnis von Mittwoch erbittert zu sein. Der Mobilisierungsbefehl mußte rasch ausgegeben werden. Die Zeit reichte nicht mehr hin, in den Gewertschaften die Aufklärungsarbeit zu boßbringen. Dieser Fehler ist fegt gutgemacht worden. Die für Heute nachmittags einbe­­rufene Konferenz der Leitungen der Gemein­­schaften hat volles Licht verbreitet. Die Führer der Gewerkschaften dementierten die falschen Gerüchte, welche verbreitet worden sind. Sie erklärten, daß es unmwahr sei, daß die Deben­­burger Broletarier nicht einrüden wollen. Sie beharren jedoch nur auf ihrem Standpunkte, daß ein jeder Brole­­tarier einrüden soll, vom 18. bi zum 45. Lebensjahre, ohne Rücksicht darauf, ob sie Soldaten waren oder nicht. Er bereitet seine Schwierigkeiten, auf dieser Grundlage eine neue Orientierung abzu­­halten. Die Oedenburger Proletarier haben viereinhalb Jahre für fremde Interesen ihr Blut vergossen und wurden für die Kapitalisten higemegent. Seht, wo es heißt die Herrschaft der Proletarier zu verteidigen, können wir nicht sagen, daß mir nicht geben, da mir auf den Mobilisierungsbefehl pfeifen. Wenn wir jet die Waffen ergreifen, wissen wir, wofür wir kämpfen. Diesser Kampf ist der Kampf der Proletarier. Wenn wir­ diesen Kampf verlieren, so ist es mit den Errungenschaften der Arbeiter- Schaft für Jahrzehnte Hinaus aus. Die Kapi­­talisten werden seine Gnade walten lasen und sie­ werden die einige Monate lange Herrschaft des Proletariats blutig rächen. E33 kommen wieder die Gerstenberger. Und was ges­­chehen wird, wenn diese wieder kommen, dafür fehlen ja die Erfahrungen nicht. Genosfe Kellner erklärt, daß er sich unver­­züglich nach Budapest begeben werde, um bei dem Armeeoberk­ommando zu erwirten, Daß die einladenden Dedenburger Bro­­letarier so lange in Dedenburg ver­­bleiben können, bis man sie nicht an den Fronten verwendet. Ich muß jedoch wissen — jeßte er fort — ob die Oedenburger Pro­­letarier­ entschlossen sind, für ihre Sache zu kämpfen. ch glaube nicht, daß sich solche Tölpeln finden werden, die sich dazu ver­­geben würden, um auf Oesterreich zu bauen. Auf Oesterreich, wo noch der Kapitalismus in weiter Blüte ist, mo noch die Großindustriellen, die Großbankiers, die Hausherren, ihre volle Herrlichkeit genießen. Nur deshalb, damit sie nicht einlüden müssen. Sa, wir wollen eine Gemeinsamkeit mit Oesterreich herstellen, aber nur dann, wenn auch dort die Räteregierung die Interessien des Proletariats vertreten wird. &3 ist nur Die rage einiger Wochen, daß dieser Zustand auch in Desterreich eintreten wird. Bis dahin würde die Violetarier drüben im Desterreich der Becher des Elends und Leidens erwarten. Seine Kleinmütigkeit ! Die ungerische Räterepublik ist stark, ist stärker als je! Nehmen wir nur Rusland. Man hat dort unablässig prophezeit, daß die Proletardiktatur nur höchstens zwei­ d­rei Wochen mähren wird. Nun sind anderthalb Jahre verrauscht und die­­ russische Näteregierung steht auf der Höhe ihrer Machtentfaltung. Ihre Befreiungstruppen nähern sich über Polen und Galizien der ungarischen Landesgrenze. Wir sind auch des Krieges überdrüssig ge­­worden. Wir ließen die Bourgeoisie nicht zu Haufen schießen, wie sie unsere Söhne in der Uraine. Heute wiederholen aber die Schinder. .der Arbeiterschaft hundertmal im Tage: — Wir wollen sein Blut sehen! Wie aber anders? Wir wollten mit Rumänien den Frieden. Aber der Preis des Friedens wäre unser unwis­­shaftriger Nuii gerwesen. Wir hätten alles ausliefern sollen, so daß sein Bergwerk,­ ‚Seine einzige Lotomotive, sein Waldsäum­ung ge­­blieben wäre und nach obenhin Hätten wir 47 Milliarden in Gold abliefern müssen. Die Szegediner Gegenregierung verhandelt bereit mit der Entente, und ist sie geneigt alles h­erzugeben, um nur die Hegemo­nie zurückzuerlangen hier im Lande, wenn auch nur auf einem Streifen Boden herrschen zu künnen. Uns hätte man verflusst, wenn wir um folgen Breis Frieden geschlossen hätten. Auch die übrigen Gegenregierungen sind nicht untätig. € 8 Kb ja sechs oder sieben Gegen­­regierungen. In Wien allein gibt es bereits hier, außerdem in Szegedin, in Arad, im Mai. Vielleicht ist auch in V Budapest eine. In Debenburg ist nach seine Gegenregierung ge­ bildet worden, aber Gegenrevolutionäre sind -»«"J---«rss:--.-.«.- x w

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