Oedenburger Zeitung, Februar 1922 (Jahrgang 54, nr. 26-48)
1922-02-01 / nr. 26
! HO r 4 « BT. ® ? \ Seite 2. — Nr. %. Oedenburger Zeitung Sinnliche Mächte. Im „Berliner Tagblatt“ schreibt: der bekannte Dr. med. Mamlod: Gelegentli eines besonders großzügigen Ladendiebstahls in Berlin erfuhr man die interessante Tatsache, da keiner der Beteiligten völlig unter dem geheimnisvollen Banne seiner Schwiegermutter gehandelt haben soll. Schwiegermütter mit unheimlichem Einfluß sind ja genug bekannt; während diese Eigenschaft aber die intimen Reize eines idelinen Familienlebens meist nicht erhöht, scheint hier der kriminalpsychologisch beachtenswerte Hall vorzuliegen, dak die Schwiegermutter der rettende Engel wird. Leider muß die gerichtliche Richiatrie ih mit derartigen Engeln beschäftigen, denn hier liegt eine durchaus ernst zu nehmende Zeiterscheinung vor. — Es häufen si jeht nämlich Die „Bälle, wo Nechtsbrecher erklären, willenlose Werkzeuge ihrer Nebenmenschen geworden zu sein, und die Oeffentlichkeit it allzu leicht geneigt, bei allen möglichen Vergehen und Verbrechen dunkle Gewalten am Werke zu sehen. Einfache und natürliche Erklärungen und Zusammenhänge werden übersehen, und man schweift in die Ferne, wo das Schlechte so naheliegt. . Des gelingt sehr einfach, seitdem der Dffultismus und alles, was im weitesten Sinne zu den sogenannten Geheimmissenschaften gehört, das beliebteste Gesellschaftsspiel geworden it. Haben da zwei Damen des Berliner .Weitens ihre Möbel verkauft und sind mit einem Herrn, der ihnen vermutlich mit unsympathisch war, gereist. Da Dieter sich und andere mit Hypnose beschäftigt, heißt es einfach, er habe nun auch in diesem Falle seine dunkten Künte spielen lassen, obwohl man da weiß, daß solche Reifen ein uralter Quilspielstoff sind; die betreffenden Dichter haben denn au mit der ihnen eigenen, besonders fein ausgebildeten Menschenkenntnis, nicht aurekt auf Grund eigener Erfahrung, hier die schon recht lange bekannten erotischen Fäden spielen Tassen. Auf sie wird man vermutlich auch stoßen in dem Falle, wo sich ein unglückliches Mädchen das Leben nahm, nachdem sie in einer, angeblich Geheimwillendhaften treibenden, Yoge einen Herrn kennen und bewundern gelernt hatte. In eine mit Erotis geradezu beladene Atmossphäre hat der Kleppelsdorfer Proseh gegen Peter Grupen bilden Lassen. Sein beispielloser Einfluß auf Die Frauen ist gar nicht die Wirkung offulter Mächte, sondern seiner durchaus nicht offulten Persönlichkeit als Mann. Ueberzeugend wies das in einer Sigung der Biychiologischen Gesellschaft Geheimrat Moll, einer der Sachverständigen in Progeh, mad. Er zerstörte auch die Talihen Vorstellungen über die Möglichkeit, jemanden in Hypnose zu Verbrechen anzustiften: eine derartige suggerierte Handlung würde den an den unvorhergesehenen Widerständen scheitern, denen der Hypnotisierte nicht gewaschen it, und die ja der Hypnotiseur nit mit in Rechnung stellen kann. Zwar ist es in besonders gearteten, einfach liegenden Fällen nit absolut ausgeschlossen, Das jo etwas vorkommt, die ganz vereinzelt von Kahfleuten als sicher angesehenen Fälle sind aber nur die Ausnahmen, die die Regel bestätigen. "Somika l übte denn au der jüngst von einem Wiener Hypnotiseur aemante Versuch, nur ein angebliches Medium den Professor Magner von Sauregg erschicken zu lassen. Die Affäre entpuppte sich ganz nüchtern als eine Kombination von Hysterie und Reklame. Man wird also gut tun, bis auf weiteres die Motive zu Verbrechen in der sinnlichen und nicht in der übersinnischen Welt zu suchen. Wie wenig man, obenn man nur auf Dummheit und Leichtgläubigkeit spekuliert. Hypnotische, suggestive oder offübe Einflüsse benötigt, zeigt der Fall jener Gutsbesißerswitwe, die ihr und ihres Kindes Vermögen einem Gärtnerlehrling opferte. Der geschichtsständige Süngling hatte sich nämlich bei ihr als Nachkomme des römischen Kaisers Marc Aurel vorgestellt. Seine Majestät der hochsselige Imperator dürfte sich in seinem Mausoleum umgedreht haben, wenn er aus diesem Vorkommnis hätte ersehen künnen, daß er seine 12 Bülder moralischer Betrachtungen so ganz vergeblich geschrieben hat; jedenfalls hätte er die von ihm so warm empfohlene stoische Ruhe verloren, hätte ihm jemand vorgeredet, daß ausschließlich sein imperialistischer Name und nicht etwa die Daß der braunschweigische Mi- Erotik in diesem Falle Wunder gewirkt hätte. M würde heute der seinerzeit wegen Ermordung der Geheimrätin Molitor verurteilte Rechtsanwalt Hau vor Gericht stehen, so würde vermutlich sein ‚unbegreiflich scheinender Einfluß auf die Frauen auch auf offulte und nicht auf erotische Mächte zurückgeführt werden. Sa, es muß, so wie sie neuerdings die Verhältnisse gestaltet haben, überraschen, unterpräsident Sepp Derter, der infolge seiner geschäftlichen Beziehungen zu dem Hypnotiseur Otto Otto gestürzt ist, si nit als willenloses Opfer geheimer Kräfte eingestellt hat. Denn unter Berufung auf vfsulte Wirkungen ist man heute nur allzu geneigt, ja ein seelisches oder moralisches oder gesellsschaftliches Alibi zu schaffen, wenn man nichts weiter von den offulten Mächten versteht, soviel weiß man aber allmählich, das man sie jedenfalls herbeizitieren kann, falls man kompromittiert ist. Auch gesteht man eher, ein Opfer des „unheimsten Offultismus“ als etwa der „heimlichen Liebe“ zu sein. Mit dieser Tatsache wird der Kriminalpigeloge also heute mehr denn je zu rechnen haben. »Jedenfallsaeben diese Vorfälle erneut hilaß,bei Juristen und Medizinern die Kleinstung der Psychologie,bei der Allgemeinheit aber naturwissenschaftliche Kenntnisse zu festdernt wird man vor Dunkelmännern und Hellsedern sich Iringen können. Dann % ee3halb wir Sie nochmals daran erinnern, Ihr Abonnement auf Die „Oedenburger Zeitung“ für Februar sofort zu erneuern, danit in der Zustellung des Blattes seine Unterbrechung eintritt! — der 1. it das $ . Mittwoch, 1. Februar 1998, ” ı 3ns Elend ber. Kriegsinvaliden, Kriegsschiinen und mailen. (Eine Aufklärung des Präsidenten des „Hadrda“ Göa Benkd.) Dedenburg, 8. Tänzer. ‚_Noch zu MWeihnachten beschäftigte sich die Dedenburger Ortsgruppe des „Hadıda“ (Landesverband der Kriegsinvaliden, Witwer und Maisen) mit dem Plane, den bemitleidenswertesten Opfern des Krieges wenigstens auf eine kurze Zeit eine materielle Erleichterung zu verschaffen. Da aber die Ortsgruppe nur über sehr geringe Mittel verfügt, wurde für eigene Delegierte eine Sammlung eingeleitet und edeldenkenden Menschen die Bitte vorgelegt, ihr Schlierflein zur Linderung der Not der Schußbefohlenen des Verbandes beizutragen. Dieser Appell it nicht ungehört verhallt, denn es haben sich eine Anzahl edler Wohltäter gefunden, welche sich durch einen entsprechenden Griff in Die Börste der Mermiten der Armen annahmen. Die Namensliste dieser edlen Spender soll demnäch mit der Deffentlichei zur Kenntnis gebracht werden. . Der Zweck der gegenwärtigen Mitteilung it, der großen Deffentlichkeit einen Einblick an bieten in jene Not und in jenes Elend, uinter welchem die Kriegsinvaliden, Kriegswitwen und Kriegswaisen seufzen, um dadurch das Gewissen der Gesellsshaft wachzurütteln und sie dazu zu veranlassen, sich jener anzunehmen, welche duch den Krieg nicht nur Einbuße an Gesundheit und an geraden Gliedern erlitten, sondern in den meisten Fällen all ihr Alles verloren haben, oder aber ihren Ernährer auf dem Altare opfern mußten. Eine kleine statistische Zusammenstellung über die Bezüge der Kriegsinvaliden un. dürfte mehr zu sprechen vermögen, als der gewandteste Redner und es ja manchen begreiflich machen, welche bittere Tränen fließen, diesgu trennen die gutgesinnte Dedenburger Gesellschaft als ihre christliche Gewillenspflicht erachten möge.” In der Evidenz der Dedenburger Ortsgruppe befinden sic 1, 62 bis 7% 20 PBozent Kriegsinvalide Mitglieder, welche je nach Maßgabe ihrer Arbeitsfähigkeit einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 38-54 Kronen beziehen; 2. 44 Kriegsinvalide (25%,) mit monatlich 38--59 K 3. 42 » (300.-)» » 48—68 „ 4. 38 (83%) , 45272, 5.23 » (40««), » 56--84 „ 6. 34 = (50%) , TRIR0 7. 24 » (60.%,) »· 96—138 „ 8.10 » (70»,«») «,,—105—14s 9.8. , 5 u) 2 .. 108—146 „ 10. 2 (100%) „ 7 216 „ Bezügen. 9 7 269 „ Bezügen, wobei zu bemerken it. dah Nahhdruch verboten. der Hherstuhlrichter. Roman von E. Dentich. (28. Fortlegung.) „Dein Kind it Die geblieben,“ sagte Maiha, „es lebt in deinem Herzen, deiner Seele und — er gibt ein Wiedersehen, und sie, Die du nicht nennen willst, sie hast du nicht verloren, sie war mie’ dein, dur hast sie nie beseilen.” „Sie war nie mein, du hast vet,” sagte er und niete wie bejahend mit dem Haute,” „Sie konnte auch nicht dein sein,“ fuhr Maja erregt fort. „Das Reine ann mit dem Gemeinen nie Eines fein. Sage den Sonnenstrahlen, sie sollen sie mit den Nebel verbinden, der aus den Abgründen steigt. Weichen sie nicht scheu zurück? Sie war die einzige Schwäche deines großen Herzens und Du büßest sie.“ „Du hastet und wieder recht,“ veriebte er. „Jede Schuld, jede Uebereibhung rat sich auf Erden. Du hast nur nie geliebt, Marcha, und darum kannst du so sprechen,“ fügte er nach einer Pause Hinzu. „Ich habe nie geliebt!" Ein schmerzliches Lächeln alitt über ihr Gesicht. Dann hob si plößlich ihre Gestalt und wie eine Seherin stand sie vor ihm, leuchtenden Bliekes, mit geröteten Wangen und ein tat warmes Leben in den ernsten, derben, früh gealterten Zügen. „Ich habe geliebt, o, ich habe geliebt, geliebt mit allen Kräften meiner Seele, geliebt, wie nur ein Weib lieben kann, das, von der Natur vernachlässigt, von den Menschen verhöhnt, einsam im Leben dasteht, und ihr ganzes Hoffen und Söhnen an einen Einzigen hängt, den sie für den Besten und Edelsten hält, ich habe Dich geliebt, Ferencz. Du warst der Traum meiner jungen Jahre, der Gedanke, der Inhalt meines ganzen Lebens, und dir nur eine kurze Kunst angehören zu dürfen, dafür hätte ich alle meine übrigen Jahre mit Freuden hingegeben.“ Ein tiefes Schiweigen trat ein. Weber wältigt von ihren Empfindungen, von dem großen Weh ihres Lebens, das jeßt Maicha selber aus der Tiefe heraufbeschworen hatte, barg sie still weinend ihr Haupt in den Händen, während ein Zittern durch ihren ganzen Körper lief, der auch aus seinem Antlitz war der müde, teilsnahendlose Ausdruck gescmunden. Was sich ihm hier offenbarte, das große Leid eine Menschenherzens, ihr Zeid, die ihm durch Jugendfreundschaft verbunden, die er hochhielt wie sein eigenes Bewußtsein, drängte für einen Argenhii die eigene Verzweiflung zuruf; das tiefe Mitleid, das für sie aufstieg,. »sänftigte den Schmerz der Seele. "arme Mafcha! Sett erklärt si mir so! Gott meine Verzweiflung gesehen, nur er manches. Ich habe es nie gewußt, nie geahnt!” “ Sie hob das Haupt und wendete sich zu ihm. „Du hast es nie geahnt, darum ich wieg ich. Wenn man liebt, so lauscht das Herz mit Begier jedem noch so stunmten Zeichen dieser heiligen Offenbarung. Du jabst diese Zeichen nicht und solltest sie nicht sehen. Du durftest nicht meine Tränen gezählt. Ich ging nicht zugrunde, denn ich wollte es nicht. Seit der, da oben so viel Vertrauen im deine Kräfte, dachte ich, so zeige, daß er Dich nicht zu schwer gewogen hat. Dirfe den Schmerz nieder, tief, tief Die auf Den Grund des Herzens, daß er dir nicht Die Seele verswirren, den Geist verdunkeln kann und lebe. Er hat dich einst seinen Kameraden genannt, halte auf dem Rosten aus, vielleicht braucht er sich einmal. Und das Leben war nicht leicht, Terencz, jeder Tag, jede Stunde eine Rat. Ich hieft aber doch aus, willst du weniger fein als ein einfältiges Weib?“ Er schritt in großer Bewegung Durch da Zimmer, dann blieb er vor Tim stehen und faßte ihre Hard mit kräftigem Drude. „Nicht schwach, nicht einfältig,“ sagte er, „Schlicht und groß wie die eivige Güte des Himmels! Habe Dank, Mafcha, alter Kamerad! Einmal Hast du mir schon die geschloffene Buyn geöffnet, als ich, ein Sinabe, Hilf- und heimatlos mit der kleinen Schwester mit freiem Himmel stand, jebt tust du es wieder und jet bin ich vielleicht hilfsbedürftiger ala Da= mals, wo sich mir erft das Leben auftat und die übervolle Erri des Lebens eine Welt erstürmt hätte. Ich will mich nicht den dir beikämen lasser. Maiıya, Tendern, wie dir lernen, mit dem Schmerze fertig zu werden.” : I d ein agroßes herrliches Leben an der Seite eines häklichen, ungebildeten Weibes vertrauern. Du solltest glücklich sein, glüch! Dir bist es nicht geworden.” „Nie,“ rief er, sich erhebend. „Selbst in der ersten Zeit war es sein reines, ruhiges Glück, und fest bin ich so elend, daß ich nicht weiß, was ich mit dem Dasein beginnen sol.“ „So Soll ein Ferencez Oxesi nicht sprechen!” rief Maicha fast Strenge und wieder hob sich ihre Gestalt. „Du, der Strenge, Gerechte, mußt die göttliche Gerechtigkeit retten, Wie darf ein Mann wie du um eines solchen M Weibes willen imnerlich zugrunde gehen? Sieh, Ferenez,“ fuhr sie mit milderem Tone fort, „ich darf so zu Dir sprecholen, denn ich habe deinenwegen gelitten, was seine Sprache nennen, was seine Reder beschreiben kann. IH War faum aus den Kinderjahren heraus, da wart du mir eigenen Starren ! schon alles, umd jeßt — jest bin ichein „Arme Marcha,” altes Mädchen. UNS du deine schöne, glänjagte er mit tieftrauerndem Tone, „arte,zende Frau binüberbrachtest, da hat nur (Fortfegung folgt.)