Pester Lloyd - Abendblatt, Juni 1872 (Jahrgang 19, nr. 124-147)

1872-06-11 / nr. 132

­8.In dem am 5.Aprill.J.abgehaltenen Ministerrat he­i­­t beschlossen worden,dass,nachdem deren Angelegenheit der Zivil- Anstellung der brav und langgedienten Unteroffiziere der gemeinsa­­men Armee und der Honnepshaft verfertigte Gefegentwurf noch län­­gere Zeit hindurch nicht zum Geseche erhoben werden könnte, jeht schon im Verordnungs­wege alle jene vorbereitenden Verfügungen ge­­troffen werden mögen, welche im Interesse der erwähnten Unteroffi­­ziere ohne Einfluß des Reichstages ausführbar sind. s. a. Der seit 16. Juli 1853 zwischen Oesterreich Ungarn und zwischen Belgien bestehende Verbrecher. Auslieferungsvertrag soll einen Maditionalvertrag erhalten und sind die diesbezüglichen Verhandlungen bereits dahin geviehen, daß derselbe dem nächssten Reichstage in den ersten Tagen zur Genehmigung vorgelegt werden­ann... Der mit Montenegro abzuschließende Staatsvertrag über den gleichen Gegenstand naht ebenfalls dem Abschlusse. Die Verhandlun­­gen über v denselben sind bereit geschlossen, und der Entwurf wird schon demnächst dem Ministerrathe zur endlichen Feststellung vorge­­legt werden.­­,,P.Naple««gibt seiner Entrüstung über den auf Edivics bezüglichen Passus der Akin’schen,,Rede'«(den selbst die oppositionel­­len Blätter zu reproduziven Anstand nehmen)in folgenden energischen Worten Ausdruck: Unter den Skandalen,mit welchen Herr Akin am vorigen Sonntag debütirte,befindet sich auch die Besudelun eines nochfi­schen Grabes.Herr Akin äußerte sich über den Minister Eötvös,der­­selbe­ habe seine wissenschaftliche Carriere gewaltsam abgebrochen,in­­­desn er ihm jene Stelle verweigerte,welche er dem eigenen Sohne reservirte.­­ Herr Akin spielte damit auf den Lehrstuhl der höheren Physik an,den gegenwärtig der Sohn des Ministers Eötvös einnimmt,und um den Herr Akin mehrere Jahre früher konkurrt hatte. Die Geschichte dieses Lehrstuhles ist folgende:Mit­ister Eötvös wies den um die Profeur sich bewerbenden Akin an die betreffende Fakultät der Universität,welche berufen sei,in derartigen Fällen dem Minister einen Vorschlag zu machen.Als der Konkurs für besagte Katheder ausgeschrieben wurde,erschien­ Herr Akin nicht unter den Konkurrenten und von den Bewerbern, die sich gemeldet hatten, wurde durch die Fakultät Koloman Szily, Professor am Polytechnikum, dem Minister zur Enennung vorgeschlagen, worauf Minister Eötvös Kolo­­man Szily auch unwirflich für diesen Lehrstuhl ernannte. " Da Koloman Szily den Lehrstuhl nicht annahm, sondern, in Folge eines neueren Gefuces, in seiner Eigenschaft als Professor am Volytechnitum blieb, so mal der Lehrstuhl neuerdings erledigt, und dann­ geschah es, daß der Sohn des Ministers Götods, Baron Loränt Götvös, zuerst als supplicinder und kürzlich als ordentlicher Professor denselben einnahm. Das Alles aber geschah­en na­chtodH Tode. Minister Eötvös war an dem Ganzen nur infos­fern dur einen­ Art betheiligt, daß er K­oloman Szily faktisch für diese Katheder ernannte. · · Es ist also nicht wahr,daß er diese·Stelle seinem eigenen Sohne reservirt habe,und Herr Akin hat somit durch jene Behau­p­­tung Eötvös verleumdet. · ·· Diese Aeußerung des Herrn Akin ist nicht nur eine einfache Verleumdung,sondern zugleich eine Undankbarkeit,und zwar ein po­­tenzirter Undank. " ··· · Eötvös nämlich,weit entfernt,Herrn Akins wissenschaftliche Gaunere­ wie dieser behauptet——abgebrochen zu haben,war viel­­mehr—Derjenige,der sie ihm geöffnet.Nur EetPoT hatte Herr Akin es zu verdanken,dass er zum korrespondirenden Mitgliede der Akademie gewählt wurde;ihm allein verdankte er es,daß er an der Akadem­ie eine Stelle mit tausend Gulden erhielt.Daß Herr Akin in dieser Anstellung eine Pflicht nicht erfüllte,dafür kann Ebivos nicht,daß aber die Yendemie Herrn Min als unbrauchbar fortschickte, fand es dermann, mit Ausnahme Herrn Ati, sehr natürlich. Aus den Thatsachen geht also gerade dat Gegentheil von dem hervor, was Herr Alin zu behaupten sich ersühnte. Eötvös hat Herrn Alin in seinem Fortkommen nicht gehindert, sondern ihm vorwärts geholfen; jenen Lehrstuhl aber hat er nicht seinem Sohne reservirt, sondern denselben mit einer jugendlichen Kraft belebt. NH­RE 2 Diensta;, 11. Juni. Bahlbewegung. Die Beil:Theresienstädter Jotalpartei hielt weitern Nachmittags in den Scießstätte-Lifalitäten eine Generalversammlung ab. Zunächst wählte die Partei Herrn Kanik zu ihrem P­räsidenten, wa Dobra von dieser Stelle „aus bekannten Gründen” zurückgetreten. Sodann wurde ein­ Komite ausgeschickt, um den Kandidaten Moriz X ófai abzuholen. Sofai wurde mit stürmischen nicht enden wollenden Essens begrüßt ; er nahm Plab auf der im großen Saale errichteten Tribune und hielt eine kurze Mode, deren Inhalt wir in Folgendem wiedergeben : A ótai bemerkt zunächst , dab er sich der deutschen Sprache bedienen wolle, weil ein großer Teil der Anwesenden der ungarischen Sprache nicht mächtig ist. Mebrigens bedarf es ja hiefür seiner Ent­­schuldigung ; denn der Hader, der zwischen Deutschen und Ungarn bestanden, ist beigelegt ; der Hader war nur durch jene Organe her: Redner erläutert diesen Satz ausführlich und schließt seine Rede unter den anhaltenden stürmischen Verfallsrufen der Zuhörer. Hierauf tritt ein aus drei Männern der Partere stehendes Komite auf die Tribüne und überreicht unter lauten Jubelrufender Menge Herrn Jokai einen von den oppositionellen Dam­en der Theresienstadt dem hochgeachteten Kandidaten der­ Linken gewidmeten silbernen Becher und einen aus grünen Lorbern und weißen Rosen geflochtenen Kranz. A­n Jokai danktin gerührten Worten und laßt zum Schlusse die edlen und wackeren Frauen der Theresienstadt hochleben. ·· Während Jokai eine Rose aus dem Kranze loslöste und ins Knopfloch heftete,verkündete Hegedüs,daß nächsten Montag Nach­­mittags wieder eine Generalversammlung der Theresienstädter Oppo­­sition stattfinden würde. · ·· · Die anwesenden Wähler begleiteten theils in Wagen, theils zu Fuße ihren Kandidaten in seine Wohnung. · In Ofen hielt gestern die Opposition des ersten Wahlbezirkes eine Generalversammlung, in welcher der Kandidat Ernst Simonyi sich den Mählern vorstellte­ und sein Programm entwickelte. Nach ihm hielt Ludwig Czernatonny eine Ansprache an die Ver­­sammlung. Aus Fünfkirchen, 9. Juni, erhalten wir folgenden Bericht: Die Deputirtenwahl it sowohl für die Stadt Fünfkirchen als an für die Landbezirke des Komitats­, mit Ausnahme des Sitlöser Wahl­­bezirkes — wo wegen eines Formfehlers die Konskription auf’3 Neue aufzunehmen ist — auf den 23. b. festgelegt und es läßt Ka auch ohne Optimismus behaupten, daß die Denkpartei nun jedenfalls um ein Bedeutendes stärker sei, als sie es vor drei Jahren war und daß somit gegründete Aussicht vorhanden ist, daß in der Baranya, vor­­mals dem Brutherde der alleräußersten Linken, diesmal die venfistischen Kan­didaten zum mindesten in der Mehrzahl der Bezirke als Sie­­ger aus der Wahl hervorgehen werden. Nicht wenig zur Konsolidi­­rung der Denkpartei im Komitate hat der Obergespan Herr Nikolaus v. Verczel beigetragen, der unter Anderem auch eben fest seine all­­jährlich gewohnte Inspektionsreife im Komitate hielt und diese Gele­­genheit bewußte, um in seinen Reden in den einzelnen Gemeinden das Vort über die demselben, systematisch eingeimpften Vorurtheile und Tendenzlügen aufzuklären und daß die überzeugenden Worte des Medners auf seinen unfruchtbaren Boden fielen, beweisen die zahlrei­­chen Opationen, Fabelzüge, Banderien, Serenaden u. s. w., melde dem Obergespan allerseits, ja selbst in solchen Ortschaften dargebracht wurden, in denen bisher die äu­ßerste Linke ausschließlich dominirt und das Bolt jedwelcher Autorität und jeder Behörde mit offensibler Leinpieligkeit begegnet hatte. Man schreibt uns aus Neutra, 10. Juni: Gefunden! Wenn nicht die Quadratur des Zirkels oder der Stein der Weisen, so haben sie doch nach langer Suche einen Kandidaten der Linien. Die ver­­schwindend­e eine Fraktion dieser Partei in hiesiger Stadt und Um­­gebung, wie überhaupt im ganzen Komitate, konnte so lange nicht ruhen, bis sie Samstag in der Rerson des Grundbefisers Klobus folitiv dem Minister des Innern einen Gegner schuf. Auf pol­­itischem Gebiete ein homo novus, dem größten Theil der Wähler bisher gänzlich unbek­annt, tritt er Herrn v. Tóth, der unseren Wahl­­bezirk nun zum fünften Male vertritt, als ein ungefährlicher Gegner entgegen. Bis heute it der Oppositionskandidat wo nicht unter seinen Wählern erschienen, um sie des wahren Evangeliums theil­­haftig werden zu lassen. Hingegen aber ließen seine spärlichen An­­hänger es sich nicht nehmen, einen kleinen Straßenskancal in Szene zu seßen, welcher gestern Abends vorfiel. Ein Haufe halberwachsener gehr jungen und eine große Menge Gesellen aller Branchen mit ihren Damen vom Herde am Arme, durchzogen um 9 Uhr nach dem Schalle einer türkischen Trommel johlend und lärmend die Straßen, liegen die Linie und Herrn Klobuscisfy „hoch leben", und befun­­deten ihren Liberalismus dur ven Refrain "zidy ven" (Suden hinaus), welcher Ruf bei unserer „Liberalen Opposition sehr beliebt ist. Dies das erste Debut vor Klobuschisfy-Bartel, um den Namen ihres Auserkorenen zu popularisiren, und die Introduktion der Wahl­­agitation von Seite der Opposition. · Man schreibt uns aus Scheming:Wie ich in einem frü­­heren Berichte gemeldet habe,wurde hier der Deakist Herr Josef Boldizar von den Bürgern und der Bergmannschaft zur An­­nahme der Kandidatur gegenüber dem vormaligen ebenfalls realisti­­schen Abgeordneten Baron D.Mednhansky aufgefordert.(Die letzte Nummer des»Pester Lloyd«erwähnt irrthümlich noch eines dritten Kandidaten fürs Schemnitz in der Person des MisteriaL rathesz Alex Havasz dieser tritt jedoch nicht in Schemnitz,son­­dern in Kremnitz auf. Aus Szillm der Sonkvgg schreibt man uns:Am6.d.M. war der hiesige Ort Schauplatz einer sehr merkwürdigen Wahlszene.Herr Josef Madaraß,der auf einem nahegelegenen Gute Uzd ver­­meilt, besuchte den heutigen Wochenmarkt in der Absicht, hier für den oppositionellen Kandidaten Marius Bárány zu agitiren; um 9 Uhr Vormittags begab er sich auf den Borstenviehmarktplan, wo er schen seine dahin dirigirten Anhänger, circa 20 an der Zahl (die 150 bis 200 Bierfüßler, von denen der Plab seinen Namen hat, natürlich nicht gerechnet), antraf; alsbald fobte aber seine bekannte freisehende Stimme eine Menge hiesiger Einwohner und Bauern aus der Umge­­bung an, welche hier den Wochenmarkt besuchten, so daß die Zuhö­­rerschaft bald aus 4.500 Menschen bestand. Eine kurze Zeit hörten sie seine aufwieglerischen Invektiven gegen die Deckpartei an, dann aber wurde es ihnen zu viel und der Standal brach los; die Menge tief: „Wir wollen seinen Revolutionär! Jagt ihn aus dem Orte! Wir rennen den saubern Vogel!“ So ging es fort, bis er endlich das Hafenpanier ergriff und sich in ein nahe gelegenes Haus flüchtete. Inzwischen kam Herr Bárány, für dessen Rechnung Herr Mada­­taß agitiven wollte, herangefahren. Alsbald gewann er aber die Welterzeugung, daß er hier sehr wenig Anhänger habe. Nach einer kurzen Anrede, welche man ihn nicht beendigen ließ, da er sich belei­digender Ausbrüche bediente, und mußte nämlich auch er das Weite suchen, nicht ohne früher gehört zu haben, wie stark hier die Deät­­partei sei, denn aus 500 Kehlen tönte ihm der Ruf nach: „Er lebe die Wahrheit! Nieder mit den Lügnern! 63 lebe Graf Lavislaus Hunyady !" ... das Bellus schreibt man uns: In unserem Wahlbezirke (Bistricz:Bellus) ist Josef Vitolaj als oppositioneller Kandidat aufge­­treten, jedoch mit sehr geringer Aussicht auf Erfolg ; ein Theil der hiesigen Bauern, unter denen er seine Anhänger refrutirt, hat das Stimmrecht gar nicht geltend gemacht; so bleibt denn z­weifelnohne Bernát Szitányi (Dedfif) auch für die nächste Session der Ab­­geordnete unseres Bezirkes. .. Unsere viesmalige Wahlperiode ist reichhaltiger an interessanten Episoden und turbulenten Intermezzos, als die frühere, da wir damals gar feine Opposition besaßen. — DObligates Fensterzertrümmern und Steinewerfen ist das Ereigniß der lechten Nächte, doc, Dank der Friedensliebe der Nechten, ohne ernstere Folgen. So wurde gestern der Komitat 3:Oberförster Herr Koscayal (Deátút) etwas unsanft aus den Armen Morpheus’ gerissen; dem Sohlen betrunfener Bauern re­­fundirten Elirrende Fensterscheiben, doch als Herr Anscaval mit einem poppelläufigen Pseudo,Revolver red­e Stiefelk­echt, eine zielende Geste ausführte, ergriffen die tapferen Ruhestörer das Hafenpanier. von der Linsen. · · · + Wien, 11. 3 Juni. Gestern ist hier der amerikanische General Sherman in Begleitung des jungen Grant, Sohn des Präsidenten der Union3,Staaten und Lieutenant in der Unionsarmee, angekommen und von Mr. Jay, dem Gesandten der Vereinigten Staaten, em­­pfangen worden. General Sherman ließ heute semwohl kein Kriegs­­minister, als beim Landesvertheinigungsminister seinen Besuch ansagen und dürfte an von Sr. Majestät in besonderer Audienz empfangen werden. « Ø Wietz,10.Juni.Die Staatshilfe für den Seelsorge- Klerus hat bei diesem selbst,trotz aller Agitation,eine dankbar-freund­­liche Aufnahme gefunden­.Jetzt,wo die den einzelnen Ordinariaten zur Uebermittelung der betreffenden Unterstützungsgesuche an die Regie­­rung anberaumten Termine ablaufen,läßt sich erst aus der Anzahl dieser Gesuche der große Umfang,indem der Klerus an der Staats­­subventio­npartizipiren sich beeilt,annähernd richtig beurtheilen und läßt sich daraus genau erkennen,daß die anfangs auch in dieser Frage opponirenden Bischöfe nur der ihnen nicht unbekannten Stimmung im Seelsorge-Klerus wichen, als sie auf der letzten Wiener Bischofs­­konferenz in dieser Frage plötzlich allen Widerstand­ aufgaben.Die Regierung beeilt sich,diese Gesuche,nachdem sie durch die Konsistorien und die politischen Behörden an sie gelangt sind,möglichst rasch zu erledigen,wohl von dem Grundsatze geleitet,daß,je rascher dies ge­­schieht,um­so nachhaltiger der Eindruck bleibt,den diese Subvention auf die Betheiligten ausüben wird.Die Erledigung der Gesuche er­­folgt in derselben Reihenfolge,in der sie eingebracht wurden und nach­­dem über Initiative des Kardinals Rauscher der n.­ö.Klerus der erste war,der von der Staatssubvention Gebrauch zu machen beschloß,so wurden auch dessen Gesuche in erster Linie erperb­t. Im Ganzen haben bisher aus der Diözese Wien 139, aus der Diözese St. Bölten 31 Seelsorger um Unterfrügung angefucht und wurden Kieselben mit Beträgen von 150 bis 300 fl. betheilt. Bei dem BVertheilungsmodus wurden gemeiste Rangstufen beobachtet, und zwar erhielten im Allge­­meinen die Dechanten 300 fl., die Pfarrer und Lokal-Kapläne 200 fl., die Kooperatoren 150 fl., ohne daß jedoch diese Abstufungen dar­­gehends bindende Norm ge­wesen, da wegen besonderer Dürftigkeit an Pfarrer und Kooperatoren mit Beträgen von 200 und 300 fl. bedacht wurden. Die auf den Einzelnen entfallenden Beträge sind, in Ver­­gleiche zur dürftigen Lage des niederen Klerus, sehen eine ganz respek­­table Unterstüßung, und wird”wer Klerus ihnen gegenüber erst jene Organe richtig beurtheilen kernen, die, das Organ des Bischofs Audigier voran, jüngst berechneten, daß auf jeden Seelsorge: Priester ein Bettelgeld von höcstens 10 bis 15 fl. entfalle! Inter­­essant it übrigens die Thatsache, dab aus allen Lrvinariaten bereits Unterfrügungsgesuche vorliegen. Nachdem bekanntlich der Erz­­bischof von Olmüß in seinem bezüglichen Erlasse andeutete, er­­ müsse vorher die Zustimmung des Papstes haben, ehe er seinem Diözesan­­klerus die Ermächtigung zur Einbringung solcher Gesuche ertheilen könne, so darf man wohl annehmen, daß diese Erlaubniß des päpst­­lichen Stuhles bereits eingetroffen sein wird. Zur Tagesgeschichte. ‚Heute liegt uns der ausführliche Bericht über die Sagung des englischen Oberhauses vor, in welcher er dem Kabinet Gladstone ge­­lang, sich aus der Klemme zu befreien, in welche er durch sein kraft­­loses Vorgehen in der Alabama-Angelegenheit gerathen war. Wir ge­­ben aus der sehr interessanten Verhandlung die wichtigeren Momente wieder. Nachdem Lord Derby die Verhandlung mit einigen Bränfe­­leien eingeleitet hatte, erhob sich Lord Granville und bemerkte, er habe seit der jüngsten Debatte das folgende — vom 6. b. datirte -­­Schreiben des amerikanischen Gesandten General Schend erhalten : My Lord ! In der Unterredung, welche wir gestern hatten, und welche heute Morgen wieder aufgenommen wurde, erklärten Sie, die königliche Ne­­gierung habe stete die von ihr vorgeschlagenen Ansprüche in dem Entwurf des Bufapartikels zum Zwede der Beseitigung und vollstän­­diger Entfernung aller Forderungen bezüglich der in der amerikani­­schen Staatsschrift vor dem Genfer Schreisgerichte enthaltenen in­diz­ierten Ansprüche, deren Zulässigkeit von der königlichen Regierung bet­­tritten wurden, als hinreichend erachtet. Sie bemerkten übrigens weis­t er, daß von manchen Seiten bezweifelt werde, Ansprüche Har ginug seien, um dieses vollkommen klar zu machen, und zu verhindern, daß dieselben Ansprüche aufs Neue zur Geltung gebracht würden. Ich stimmte mit ihnen in der Ansicht über die Zu­­länglichkeit der in jenem Abschnitte des genannten und von der ame­­rikanischen Regierung angenommenen Artikel 3 geführten Gerade überein, und wies den Gedanken zurück, daß irgend Jemand es für möglich halten sollte, daß die Regierung der Vereinigten Staaten, falls sie diese Ansprüche gegen ein Entgelt in einer Vereinbarung zwischen beiden Ländern aufgeben sollte, sie später suchen würde, viele selben Ansprüc­he wieder geltend zu machen oder den Standpunkt zu behaupten, daß solche noch ferner zur Berathung durch die Schieds­­richter vorlägen, bin nunmehr doch eine heute von Herrn Fish erhaltene telegraphische Depesche ermächtigt zu erklären, daß die Regierung der Vereinigten Staaten die neue in dem Zufasartikel enthaltene Be­­stimmung als den Erhak für die drei in der amerikanischen Staats­­schrift aufgestellten Klassen indirekter Forderungen ansieht und ihre Annahme als die endgültige Erledigung dieser von der englischen Regierung angefochtenen Forderungen betrachtet. Robert Schend. habe die Ehre 2c. An den Right Hon. Carl Granville.” My Lords — fuhr der Minister nach DVerlesung dieses Schrei­­bens fort — ich habe viesen Brief zu dem Ziede mitgetheilt, den­­jenigen Lords, welche sich vi el der B Zulänglichkeit des Artikels beunruhigten, Genüge zu leisten. Ich glaube, wersehle zeigt auch, daß wir nicht so dumm waren wie Mancer geglaubt hatte, und er liefert ferner nach meiner Meinung einen ehrenmwerthen Beweis für die gerade Weise, mit welcher die Vereinigten Staaten die Verhand­­lungen betreiben. (Beifal.) Ich erlaube mir indessen gleichzeitig die Bemerkung zu machen, daß der Artikel noch nicht vereinbart ist. Er ist einstweilen ein Vorschlag, allein es ist mir unter den obmac­­henden Verhältnissen unmöglich, eine bestimmte Zusicherung über die Art und Weise zu geben, nach welcher Nichtung die Verhandlungen auslaufen werden. « Lord­ Granville hatte seine Rede mit rechtbehaglicher Miente begonnen, die im Hafen Gegenfall zu der offenbaren Bek­emmung stand, mit welcher er sie während der legten Wochen beständig unter unbequemen und fpisigen Fragen und Andeutungen winden mußte. Das Haus lauschte dem Briefe des amerikanischen Gesandten mit gespannter Aufmerksamkeit, und als er geschlossen­ hatte und wieder Bla nahm, erhob sich ein allgemeiner Ausbruch des Beifalls, und dann machte die nach allen Seiten geflüsterte Frage die Runde: wo l­ Lord Ruffell? Lord Ruffell war in der That noch nicht zur Stelle und das Haus ging zur Tagesordnung über, ob die angewendeten Chamandrin. Nach dem Französischen von Ernest Daubet. Bon Friedrid Eopmann, B3weiter Theil. (41. Fortfeßung.) Dolores legte ihm mit einer Geste Stillschweigen auf und dann horchte sie, indem sie hoffte, Vauquelas werde vor ihrem Zimmer vorübergehen, ohne sich aufzuhalten. Ihre Erwartung wurde ge­­täuscht. Bauquelas kopfte zweimal an ihre Thüre: „Darf ich eintreten, Bürgerin Dolores?" „Nein !” antwortete Sie: „Ich bin schon im Bette": „Dann stehe auf und öffne ichnes. Man hat einen Mann über die Mauer Klettern feben, welche den Garten von der Straße trennt. Er muß um das Haus herumsc­mweifen. Man verfolgt ihn. Eine Patrouille ist hinter mir.” 3 überraschte fragende Blide von dem Einen auf die Andere. Die Ge­­genwart einer Patrouille in seiner Wohnung, der E­rdoadlet, den die Reb­haftung eines Unbekannten, den man tete-a-tete bei Dolores ge­­funden hatte, gegen ihn, einen so reinen Batrioten, einreden konnte. „Ich stehe auf", rief Dolores, welche während sie Zeit zu ge­winnen suchte, sich fragte, wie sie Philipp entfliehen Lassen könnte. „Die Naht ist dunkel“ , sagte dieser nun mit leiser Stimme. „Ich werde in den Garten gehen. Dort werde ich mich verstehen und abwarten, bis meine Verfolger sic­h wieder entfernt haben werden.”­­ Dolores billigte es mit einem Niden ihres Kopfes und ging auf ihren Zupfeigen bis zur Glasthür, um sie zu öffnen und Philipp entfliehen zu lassen. Sie schloß die Thür behutsam auf, zog sie an sich und trat zur Seite, um ihren Freund vor sich vorbeipasliren zu lassen. Aber sie stieß einen Schrei aus.Im Garten erblickte sie bei dem Scheine ihrer Lampe im Zimmer für nationalgardisten,die auf das Haus losschritten,indem sie mit ihren Flintenkolben auf das dicke Gebüsch neben der Allee losschlugen.Sie wid­ erschrocken zurück-Philipp sprang hinaus,um zu entfliehen,ehe die Solda­­ten ihn erreicht hätten,aber diese zielten mit ihren Gewehren auf ihn. „Schießen Sie nicht!“ rief er, „ich ergebe mich“. Und piöklic stehen bleibend, erwartete er sie. In demselben Augenblicke trat Bauquelas durch die andere Thür herein. Dolores warf­ einen erschrodenen Blick auf Philipp. Dann näherte sie sich ihm durch eine inst­nftmäßige Bewegung. Er berrfhte anfangs eine augenblickliche Stille, welche durch die Nederraschung der Einen, der den Schreden der Andern veran­ Lagt war. Philipp war im höchsten Grade erschreden, nicht weil es ihm an Muth fehlte, sondern weil er sah, daß er für Dolores die Ursache einer Katastrophe geworden. Diese empfand seinen geringe­­ren Schreden, indem sie sich sagte, Philipp werde unter ihren Augen von den Soldaten verhaftet werden, die in das Haus eindringen mollten. Diese betrachteten mit einem ironischen Auge diesen schönen jungen Mann und dieses hübsche Mädchen und fragten sich, ob ihre Ankunft ni­ blos ein süßes Rendezvous gestört habe und ob sie Liebende oder Verschwörer vor sich hätten. Was Bauquelas anbetraf , so richtete er zornige und zugleich beunruhigten sein Gehirn ein wenig. Vielleicht hätte er seinen gan­­zen Zorn auf Philipp fallen lassen, als der Sergeant, welcher die Soldaten befehligte, das Wort ergriff und an den jungen Mann die Frage richtete: „Was machst Du in sdiefem Hause, Muscadin? * Wer bist Du?" Ph­ilipp wollte antworten. Baugquelas verhinderte ihn darin. „Mer er­bt?" rief er, „nichts Leichter zu errathen­: ein Feind der Republik, der ein Asyl bei mir gesucht hat, auf die Gefahr hin, die Ehre dieses jungen Mädchens und meine eigene Bürgertugend bloßzustellen.” Bei diesen Worten zitterte Dolores und mit einer Anstrengung, die ihrer Schamhaftigkeit viel zu kosten fühien, sagte sie: „Du irrst Dich, Bürger Vauquelad. Dieser Mann ist mein Gatte.” „Dein Gatte! Du bist verheiratet ?" „Aus besondern Ursachen verbarg ich Allen die Wahrheit.” „Aber Courregor . . ." · .,S­elbst er wußte es nicht!«sagte Dolores,welche die Augen niederschlug.­­ « »Verheiratet!«wiederholte Vauquelas maschinenmäßig. Philipp näherte sich und mit einer Stimme,deren Laute Nie­­mand verstand, sagte er zu Dolores : ‚Ah, Grausame! Hättest Du vieses Wort früher ausgespro­­chen, so würden wir nicht hier sein.” Dolores antwortete nit. Sie bat mit einem Blid D Bauque- Ya3’, welcher die Soldaten mit einem Worte entfernen konnte. Was diesen betraf, so rief er sich die Geschichte der Dolores zurück, deren Einzelheiten Courfegol ihm erzählt­ hatte. Er sagte sich, daß die Adoptivtochter des cei-devant-Marquis von Chamon­drin nur einen Adeligen habe heiraten können, daß dieser Adelige einer der unver­­sinlichen Gegner der neuen Sachlage sein müsse, welche von dem Wohlfahrtsausschuß verfolgt und ohne Unterlaß vertilgt wurden. Daß eine solche Persönlichkeit in seinem Hause gefunden wor­­den war, war mehr, als er bedurfte, um ihn zu verderben, wie groß au­f ein Einfluß bei Robespierre war. Auch war es nothunwendig, einen großen Schlag­­ thun, um aus dieser Prüfung rein und flehen, 103 herauszugeben. „Weshalb hast Du mir verheimlicht, daß Du verheiratet wart ?" fragte er Dolores. „Aus Gründen, die blos mich betreffen.” „Und weshalb vringt Dein Mann bei mir mie ein Verbrecher ein, anstatt durch die Thür einzutreten ?" „Weil wir unsere Ehe geheim zu halten wünschten.“ „Das Alles ist nicht ganz klar,“ sagte dann der Anführer der Patrouille. Und sich dann an Philipp wendend, fügte er hinzu: „Dein Name? Woher kommst Du?“ Da Philipp ihm nicht gleich antwortete, fuhr er fort: „Der Bürger und die Bürgerin werden uns zur Section fol­­gen. Dort werden sie sich erklären und wenn sie sich nicht vorzu­­merfen haben, so wird man sie auf der Stelle in Freiheit­­en.” „sa, ja! Führt sie fort”, rief Bauguelas, der über eine Lösung erfreut war, welche die Soldaten von ihm entfernte. Erst dann begriff Dolores,daß die Lüge,zu der sie ihre Zu­­flucht genommen hatte,um Philipp zu retten,ihn nicht rettete und sie selbst in’s Verderben zog.Sie fühlte nur über das Bedauern, was ihren Freund berührte.Was sie selbst betraf,­so hatte sie das Opfer ihres Lebens seit langer Zeit gebracht. Aber Philipp wollte dieses Opfer nicht, Wie Beide verhaften wolle, rief er: „Dieses junge Mädchen hat gelogen, ohne Zweifel, um einen Unbekannten zu retten, den sie in einigen Stunden vergessen haben wird. Ich bin nicht ihr Gatte, und wenn man mich bei ihr gefunden hat, so ist es, weil ich soeben vor einem Manne floh, der mich ver­­folgte und vor dem ich mich hieher geflüchtet habe. Ich bin der Marquis Philipp von Chamondrin; ich bin ein Beschhwörer und ein Emigrant.” Ach, der Unglückliche!” murmelte Dolores; er richtet fi zu Grunde. Was Bauquelas betraf, so sprang er, als er die Erklärung Philipp’­ hörte, in die Höhe. „Du heißt Philipp von Chamonprin ?" fragte er. „Das it mein Name!" entgegnete Philipp. „Aber dann bist Du der AMooptivb­uder bdieses jungen Mäd­­chenz, und wenn Du hier bst, Du ein Verschwörer und ein Emis grant, so it sie Deine Mitfe huldige. Das erbärmliche Meibsbild, mein Haus ‚zu einem Stelldichein für die Feinde der Nation zu machen !" Der Zorn hatte sein Gesicht geröthet, seine Augen erweitert. Er schäumte: »Man verhafte sie!«rief er. Philipp,welcher seine Erklärung in der Absicht gemacht hatte, um Dolores zu retten ward von einer ohnmächtigennth ergriffen. »Mein Herr«,sagte er,»das wird ihnen Unglück bringen­«' Er erfannte Vaugquelas’ Stimme. Sie kam aus Dolores’ Zim­­mer. Weber rascht, daß diese zu einer so späten Stunde noch nicht schlafen gegangen sei und in der Besorgniß, sie sei frank geworden, trat er ein. „Was mir Unglück bringen würde, das­st, wenn ich Aristo­­kraten,wieSie,unter meinem Dache schützen wollte Aber ich bin ein Patriot!Ich liebe die Republik!Frankreich vor Allem!Bürger, dieser Mann ist gefährlich!Eind­sdevant-Edelmann,hat er sich ver­­schwören,um die Königin zu retten und den kleinen Capet auf den Thron­ steigen zu lassen.Was diese betrifft,so ist sie eine Natter, welche die Gastfreundschaft,die ich ihr habe zu Theil werden lassen, mit einer abscheulichen Verrätherei bezahlt hat.Führt sie fort und mögen die Feinde der Nation zu Grunde gehen."« Er sprach diese Worte mit einer energischen Stimme aus,als ob er dadurch seinen Patriotismus bezeugen wollte. Während dieser Zeit plauderten die Soldaten unter sich.Als sie geendigt hatten,theilte die Patrouille sich in zwei Korporalschafte11. Die eine verhaftete Dolores,die andere Philipp. Man führte sie fort·.Es war ungefähr 11 Uhr Abends. VI. Die Thaten Courtegol'ő. Courtegol fehrte, gegen Mitternacht zurück. Seiner Gewohnheit gemäß wollte er, ohne sich aufzuhalten, durch den Gang des Erdge­­schofses gehen, um sein Zimmer in der ersten Etage zu erreichen, als er sich rufen hörte. Baugquelas war allein, blaß, aufgeregt, in einem fieberhaften " . Zustande. Das Bett des jungen Mädchens war noch nicht berührt. Ihre Abwesenheit war Courregol auffallend. „Bo ist Dolores?" fragte er lebhaft: „Gourregol, weshalb hast Du mir nicht gesagt, daß sie hier insgeheim Philipp von Chamonprin empfing?” „Sie empfing den Herrn Philipp ?” bestürzt, an meinem Hause, in diesem Zimmer. Man hat sie hier Beide überrascht.“ „Die, wann lebt also Herr Philipp noch ?" „Er lebt zu meinem Unglück.” „Das willst Du sagen?“ fragte Courtegol, der nur das Eine begriff, daß sein Herr nicht gestorben war. nd) will sagen, daß Dolores, die ich auf Deine Bitte hier aufgenommen hatte, auf vie­ Gefahr mich bloßzustellen und mich auf immer zu Grunde zu richten, einem egalierten Reaktionär, diesem Philipp von Chamonprin, einem der Chef der V­erschwörung, die er unter den Emigranten gebildet hatte, um die Witwe Capet zu retten, hier ein Asyl gegeben hat.” „Ach, ich begreife”, murmelte Gourregol, welcher auf der Stelle begriff, daß Philipp als Flüchtling sich in die Wohnung Bauguelas? gerettet und hier Dolores gefunden hatte. „Nun wohl, Bürger“, fuhr er fort, „dieser junge Mann wird nicht hier bleiben. Wir wer­­den ihn abreifen lassen und Niemand­ wird willen... ." „Sr kann nicht mehr abreifen.“ „Weshalb ?” „Sr ist ebensowohl wie Dolores verhaftet; er wegen einer Beschwörung gegen den Staat, sie als Mitsehuldige des Verbrechens.” Gourregol stieß einen frredlichen Fluch aus. Dann sich auf Bauquelas stürzend und ihn beim Kragen faslend, rief er aus: „Du, elender Greis, hast sie überliefert.” „Du erwürgst mich,” sagte Bauquelas, der unter dem Drude dieser energischen Faust den Athem verlor. “ „Aber sage mir doc, wo sie sind ?” fuhr Goursegal fort, ohne ihn zu hören. „Ich will sie sehen. Wo find sie ? »Laß’mich erstlos!«antwortete Vauquelas mit einer er­lo­­­schenen Stimme. Coursegol gehorchte,aber er blieb drohend vor Vauquelas stehen.Dieser zitterte.Er hatte nicht vorhergesehen,daß Cour­­segol sich wegen der Verhaftung Dolore’s und Philipp’s an ihm rächen würde. „Erkläre Dich doch !“ rief Coursegol. „Die Patrouille ist hier eingetreten, welche den jungen Philipp verfolgte, der sich in diesem Zimmer verstedt hatte. Um ihn zu ret­­ten, sagte Dolores, sie sei seine Frau. Philipp, welcher befürchtete, sie möge si bloßstellen, erklärte diese Angabe für grundleg und da ihre Erklärungen nicht hinlängli­gau fchienen, so hat man sie Beide ins Gefängniß geführt.” „Konntest Du, Dich nicht für sie verbürgen, erklären, daß Tu sie renntest ?" „Ich habe Alles gethan , um sie zu retten,” warf Vauque­­la3 ein. „Du lügst, Du Lügst! 34 sage Dir, dab Du lügst! Du hast sie überliefert, davon bin ich überzeugt. Du hattest Furcht für Dein eben, für Dein Geld! Wehe Dir!" (Festsehung folgt, Als er sah,daß man tief Courfegol ganz *) „Muscadin”, Stuger, war zu jener Periode in Paris der Gegentag von „Lanzculotte”, BEEREBLIE FEIERT

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