Pester Lloyd, März 1910 (Jahrgang 57, nr. 63-76)

1910-03-16 / nr. 63

we; EL I u .. PESTER LLOYD­ ­ Ar szt es EURER 2.0 . . fein ihm Gleichiwertiger nach, Der die Partei mit alte „Barrierestöce“ behandeln darf, is­t Biener ‚alles vom Herzen gift und alles ger verzeiht, dann wird auch die christlichsoziale Partei bald einen Leichen- Stein zu bekommen haben: den stärksten Beweis für Die starke P­ersönlichkeit Karl Luegers. a as Bolt | « De 48 — Lisz g c FREE «illom Tage. Vudapcshl szärz.« Ministerrat. Die Mitglieder des Kabinetts sind für morgen 10 Uhr vormittags in das Palais des Ministerpräsidiums zu einem Ministerrat einberufen worden. Der Ministerpräsident in Wien.­ ­ Der Ministerpräsident Graf Karl Khauen-Heder­váry hat heute, m­­e wit bereits meldeten, in Wien den­ ­Bejud des Belgrader Gejandten Grafen Johann For­­ — gád, der von seinem an der Riviera verbrachten Urlaub zurückgekührt ist, empfangen und sie dann mit seiner Ge­mahlin zu dem Obersthofmarschall Grafen Bela Cziráty ‚zum Diner begeben. Nach Dem Diner fuhr der Minister­­präsident in das Ministerium des Aeußers, wo er mit dem Grafen Aehrenthal anderthalb Stunden­­ lang konferierte. Da Graf Khuen noch mehrere private Besuche su­ absolvieren hatte, verschob er seine Abreise und kehrt­e mit mit dem Nachtzug nach Budapest zurück. Mit ihm reisen der Ministerialrat Baron Ivan Sterlecz um­­ der Geftetür Dr. Stefan Baarczy. Der Chef des Pres­­bi­teaus Gektionsrat Edmund Klein it con mit dem Banfuhrzug nach Budapest gereist.­ ­ Die nächste Sigung des ABgeordnetenhauses. Das Abgeordnetenhaus wird am Tage vor der für den 2. 5. geplanten Auflösung, am Montag, den 21. 5. eine formelle Sibung halten. Für die bevorstehenden allgemeinen­­ Ab­wahlen­ sind die im vertroffenen Jahre richtiggestellten Wählerlisten maßgebend. Dieselben weisen gegenüber den für das Jahr 1909 gültig­ gewesenen Listen eine Erhöhung der Wählerzahl um 25.563 auf und enthalten insgesamt 1.162.241 Wähler. Von diesen entfallen auf die Komi­­tate 98.404, auf die Städte mit Munizipalrecht 163.870 ,und auf die Städte, die das Recht haben, einen besonderen Abgeordneten­ zu wählen, 59.967 Wähler. Der größte Wahlbezirk ist der VI. Bezirk der Hauptstadt mit 17.142, der kleinste die Stadt Berecht mit 113 Wählern. Die Wahlberechtigung beruht bei 22.908 Wählern auf altem Recht, bei 718.708 auf Grundbesit, bei 46.918 auf Hausbefit, bei 12.787 auf Grund- und Hausbesit zusammen, bei 270.110 auf Einkommen. 270.110 Metz­ionen sind kraft ihres Intelligenzgrades Wähler; die Zahl der indirekten Wähler in Siebenbürgen beträgt 4061. Die Partei der nationalen Arbeit. Das zur Ausarbeitung des Arbeitsprogramms ent­­sendete Neumerkomitee der Partei der­ nationalen Arbeit hat heute unter dem Boreiße des Grafen Albin Esaty eine Litung abgehalten. In derselben wurde beschlossen, ein detailliertes Programm auszuarbeiten, welches all­­jene Reformen und Pläne umfassen soll, die auf dem ge­­samten Gebiete des Staatswesens in Aussicht genommen sind. Das Komitee richtete daher an sämtliche Mitglieder des Kabinetts das Ansuchen, das Arbeitsprogramm der einzelnen Nessorts fertigzustellen. Nach Einlangen dieser Entwürfe wird das Neunerkomitee das Arbeitsprogramm der Partei unter Einbeziehung der Pläne der Mejjortdjefs ausarbeiten. Zum Referenten des Komitees wird voraus­­sichtlich Graf Stefan Tipa gewählt werden. Aus dermssub­partei. Der starteiklub wacheute ziemlich spä­rlich bes1tcht. Die anwesenden Abgeordn­ete­t beschäftigten sich vorn wink­lich mit den­ Ergebnissen der heutigen Audienz des Mi­­nisterpräsidenten und gaben ihrem Unm­ut darüber AUE- druck,daß der Ministerp­räsident die Höflichkeit gegenüber dem Präsiden­tetI des Abgeordnetenhauses so weit außer acht ließ,daß er,entg­egend der bisherigen Gepflogenheit, seine Unterbreitung über die Auflösung des­s Abgeord­­netenha­usses an die Krone mit dem Präsidenten Meme­­der Gåb­ nicht besprich.(Diese Kritik wäre eine vielleicht berechtigte,wenn der Präsident des Abgeordnetenhauses wenigstens der Partei ang­e«»hören w­ürde,deren­ Fü­hrer der Ministerpräsident ist.Da aber der Herr Präsident der­ malen Sr.Vdajeftät aller untertänigsten Opposition an­­ gehört,kannt nur die Parteisucht daran etwas auszusetzen finden,daß der Ministerpräsiden­t dem König von Un­­garn­ bei der Entscheidung einer so wichtig ets trage den Vorrang einräumt. Die Red.­ Der Abgeordnete Julius Hódy teilte dem Präsi­­denten des Abgeordnetenhauses mit, daß er für die Montagsfibung Des­­ Abgeordnetenhauses eine Drin­­gende Interpellation­ an den Ministerpräsiden­­ten über die Erklärungen und Handlungen des Hofes aus Anlaß des Ablebens und der Beitrebung des Bürgermeisters von Wien Karl Lueger anmeldet Präsident G­e­­­nahne diese Anmeldung zur Kenntnis und versprach, Die Interpellation auf Die Tagesordnung zu geben. Die Anwesenden verhandelten auch die Frage, ob die Kosjuthpartei bei dem Erzherzog Josef aus Anlaß der Berlefung der Thronrede erscheinen soll. Die Abgeordneten meinten, die Partei soll Diesem Alte fern bleiben. Später wurde bekannt, daß die Parteileitung noch im­ Laufe dieser Woche eine Parteikonferenz einberufen wird, welche über diese Frage entscheiden soll. Der Meldung eines Bukarester Blattes, die aus von uns reproduziert wurde, en­det den Bemühungen des unga­­rischen Ministerpräsidenten beim Minister des Aeußern und duch bdiesen beim österreichischen Ministerpräsidenten ange­schreiben, daß bei dem gestrigen Leichenbegängnisse des Bürgermeisters von Wien Dr. Karl Lueger die Leichenrede des bekannten großösterreichischen Agitators Dr. Aurel Bopovici unterblieben it, werden man von allen Seiten Dementis entgegengelebt, die in der Tat vollkom­­men überflüssig sind. Es is­teinem politiker beigefallen, dem Ministerpräsidenten eine Intervention zuzumuten. Die, wie der nunmehr veröffentlichte Tert der ungesprochenen Nede zeigt, umso weniger notwendig war, da dieselbe, vielleicht mit Ausnahme einer ganz nebensächlichen Bewer­­tung, vollkommen harmloser Hüte war. Die Rede hätte daher gesprochen und ruhig zu alledem gelegt werden müns­sen, was sie gestern in Wien abgespielt hat. Ein Trevifspruch Franz Rossuths. Aus Czegled wird gemeldet: Nach der Märzfeier fand im Bürgerklub ein Bankett zu 400 Gededen statt. Den ersten Treinfforud­ brachte Bürgermeister Ludwig Go­mbo3 auf Franz Koffuth aus. Franz Koff­uth, der hierauf das Wort ergriff, wies auf die bedauerliche­ Tatsac­he Hin, daß die Ungarn, Die in Europa ohne Stammesverwandten stehen, ihre Kräfte den­noch nicht vereinigen, sondern durch­ Parteienzwist verblendet, einander bekämpfen. Bon jeiten Desterreichs werden wir in der­ gehäffigsten Weise angefeindet, und der Mann, den die­ vornehmsten Geister Desterreichs in seinem Tode als den hervorragendsten Bürger Desterreichs feiern, forderte seine Mitbürger testamentaris­ auf, Ungarn zu bekämpfen. Gegen­­über diesem Hafse müßten wir uns einigen. Der Redner bes­chäftigte sich sodan­n mit der Arader Rede des Grass­­en Stefan Tipa, der verurteilt hat, daß er, Kossuth, ein ideales Programm­ verfolge, in derselben Rede aber selbst ge­stand, daß auch er hinsichtlich der Wahlreform ein ideales Pro­­gramm begibe. Die Partei, die einst seine Partei war, erhebt gegen den Redner gleichfalls Vorwürfe, daß er für Dinge nicht kämpfe, deren Verwirklichung durch unüberwindliche Hinder­­nisse unmöglich gemacht werde, daß er den Kampf für die selbständige Bank aufgegeben habe. ‚Der Redner erinnert Katran, daß, er während seiner Ministerschaft stets für die Errichtung der selbständigen­ Bank gekämpft hat, daß er deshalb sein Portefeuille niedergelegt, auch nach seiner Demission neun Mo­­nate hindurch fortwährend dahin gestrebt habe, diese Luftitus­tion für das Land zu erringen, und daß er nicht Dasuit ges­­angen sei, um den Kampf aufzugeben. Seine Haltung könne nur mißverstanden werden, wenn Befangenheit sie mißver­­stehen wolle. Die Anhänger der Unabhängigkeitsidee werden­ berufen sein, darüber zu entscheiden, ob die Beschu­ldigung auf Wahrheit beruht, daß der Sohn­ Ludwig Kossuths seine Prin­­zipien geändert hat. Wir stehen fest einem mächtigen Lager gegenüber, welches die Nation auf den Pfad der stummen Er­­gebung führen und glauben machen will, daß das Einverneh­­men zwischen König und Nation nur dann hergestellt werden könne, wenn Ungarn seine nationalen Beziebungen aufgibt. Diesem Lager steht ein anderes gegenüber, das für die Brin­­zipien der Unabhängigkeit kämpft und das auch das Brinzin des Ttufenweilen­ Fortschrittes akzeptiert, aber in der Benkfrage sofort alles fordert. Zwischen diesen beiden gefährlichen Mitlie­tungen führt der Weg, den der Redner und seine Bartei gehen. Dieser Weg wird seiner Ueberzeugung nach die Erringung der Unabhängigkeit ermöglichen. Redner erhebt sein Glas auf die Stadt Ezegled und auf ihren jungen Bürgermeister. (Lebhafter Beifall.) Es sprachen auch die Abgeordneten Gmerich Spanka und Sofef Sk­ap. Austritte aus der Unabhängigkeits: und Achtundvierzigen Partei, gram­ma LA der Wahlreform austrete, der Abgeordnete Bárczay aber motiviert seinen Austritt damit, daß « eh ap geordnetettz 18 Belanntlich hat auch­ die edle Königin Maria Theresia beraucht, Dies Bolt zu ristianisieren und ethisch zu heben, indem­ sie am 13. November 1761­ versuchte, die Zigeuner im Banat als Neuungarn anfällig zu machen und sie strangsweise taufen sok. Lift sagt Hiezu: „So besonders wohlwollend auch die Sorgfalt war, welche die gupke, an der Spibe der europäischen Angelegenheiten stehende Fürstin der Regierung ihres getreuen Ungarlandes widmete, das­­ ihe duch diese Horden ohne Treue und Geset, ohne Haus und Herd beunruhigt zu sein schien, so konnte sie unmög­­lich weder Muße haben, sich zu erkundigen, noch die Ge­­legenheit, zu erfahren, welcher Geist, diese Elenden, die nicht nur auf der niedrigsten Stufe der Gesellschaft, son­dern fast unter derselben standen, tatsächlich belebte. Wie wäre es möglich gewesen, die­ Zigeuner nicht als die ver­­ächtlichste und lette aller Menschenklassen zu betrachten, da ‚natürlicher­weise ihre ganze Nation und sämtliche Ratgeber in dieser Ansicht übereinstimmten. Wie hätte es ihr jemals einfallen können, sich die Frage vorzulegen: Wer sie seien?­­ Und warum sie das seien, was sie sind? Die Jahrhunderte Hatten die Geringschäßung, die ihnen eriwiesen wurde, leichsam sanktioniert... Die fromme Königin glaubte ir gütig gegen sie und voll Mitgefühls zu sein — sie zu taufen und ihnen die Polizei als Paten zu ihrer Taufe zu laden.” Die Beruude Maria Theresias Tcheiterien "an der rein gejeglichen Ausführung, da das innere Wesen der Zigeuner noch nicht genügend erforscht war. Was uns keineswegs zu wundern braucht. Selbst der strenge Befehl Maria Theresias vom 27. November 1767, daß die Finder nu nn den Eltern enteiffen und zwangsweise erzogen erden sollten, blieb ohne Erfolg. Chbenso ging es mit den Ber­suchen Sojefs II. Das Hauptregulativ Bojefs II. vom 9. Oktober 1783 im Durchdrungen vom hohen Geist dieses Monarchen, aber leider, leider fehlte auch ihm sowohl die historische wie ethnologische Kenntnis des Zigeunerwesens. Seine Verfügung hat etwas Aehnlichkeit mit dem Be­schlusse der Csongeäder Konferenz. Das Führen von­­ Pfer­­den ward ihnen untersagt, desgleichen der Pferdehandel. Gebrauch der­ Zigeunersprache und­ Eheschließung unter­einander wurde strengstens verboten. Denselben Erfolg hatten Bersuche von Seiten der ungarischen Geistlichkeit in den Jahren 1850 bis 1860, die Zigeuner zu einen ge­­fitteten eben zu erziehen.®) Der Bischof von Gratmar Johann Ham, der 1857 eine Schule für Zigeunerfinder stiftete, und Pfarrer Farfas zu Erjefulvar, der eine­­ Zigeuner-Erziehungsanstalt gründete, mußten diese wieder aufheben, da auch sie zu wenig Kenntnis von dem Wesen der Zigeuner besaßen und einsahen, daß eine rein meca­­nie Erziehung unmöglich war. Genau so würde es mit der Ausführung der Beischlüffe der Geongrader Konferenz gehen. Rein mechanisch ist dieses Bolt nicht zu erziehen. Die Konferenzbeischlüsse wür­­den dem­ Staat ohne jeglichen Nuten nur hohe Kosten auferlegen. Die Fortnahme der Pferde muß naturgemäß eine Erbitterung bei den braunen Gesellen hervorrufen, und würde daher die Verschlagenheit­ derselben eher fördern, als die Leute moralisch bessern. Ehrlichkeit wird duch äußeren Gejeeszwang nicht geschaffen, sondern nur durch Herzens­­bildung und Ethik. Was nüht es, ihnen die Waffen weg­­zunehmen, da­­ dieselben doch in jedem Laden zu haben sind. Man denke nur auch an den Miterfolg, den das Deutsche Reich hatte, als es den Eingeborenen­­ seiner Ko­­lonien die Waffen­ wegnehmen ließ. Und dabei war das Deutsche Hei­ nodh so vorsichtig, eine Geldentschädigung für die Waffen zu geben. Die Anbringung einer Nummer würde die Zigeuner aber wieder zu Wariaz stempeln und Wäre es und auch die u­ngarische Negierung zöge in Ber­tracht, was die Forschung des Zigeunerivesens ergab, und versuchte auf Grund dieser Forschungen dies Bolt in humanschriftlicher Weise zu beeinflussen? Die seit Jahren gemachten Befuuche der Regierungen, dieses Bolt anfällig zu machen, werden erst dann wirklichen Wert erlangen, wenn es gelingt, dies Bolt nicht nur äußerlich sam­t Christentum heranzuziehen, sondern ihm auch eine religiöse ethische Grundlage zu geben. Die ethnologische Forschung des Erzherzogs Sofef, Wlisiockis und anderer haben zur Genüge ergeben, daß auch Dieses Bolt reges seelisches Innenleben besitz. Wird auf Diesen fruchtbaren Boden ein guter Same gestreut, nicht mit Gewalt und Geseb, sondern getragen von Liebe und wahrer Humanität, dann geht er auch auf. Die Frucht dieser Arbeit wird fein, daß Die Zigeuner zu nüssichen Gliedern der ungarischen Nation und brauch­­baren Werkzeugen der menschlichen Gesellschaft werden. Das hätte Ungarn davon, in seinem Lande ein nach Zehntausenden zählendes Bolt zu besiten, welches Gehor­­sant gegen die Gesete heuchelte und Dabei im Herzen doch grimmige Seindschaft und Racegedanten hegte? Hier liegt ein weites Wirkungsfeld für solche Glieder ungarischer­ Kichhen — einerlei ob protestantisch, Tatholisch oder orthodor —, die von wirklicher Liebe und religiöser Ueberzeugung durchdrungen sind. Kranz Lißt macht den G­ristlichen Kirchen den Vorwurf, daß während sie in allen heidnischen Ländern missionieren, sie Doch des unter sich lebenden­ Volkes der Zigeuner vergessen haben. Möge recht bald eine Schar wirklich ernster Menschen sich finden, Die diesen­ Bolt gute Belehrung geben und Samen in ihre Seelen streuen, der aufgeht und Frucht bringt. Der Eng­­länder Borrow hat bewiesen, Daß solche Arbeit nicht ver­­geblich ist. ( Hamburg, 1890, 5) Nach Dr. 9. v. Wlislacfi: Vom wandernden Zigeunerwolfe;

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