Pester Lloyd - reggeli kiadás, 1930. május (77. évfolyam, 98-122. szám)

1930-05-01 / 98. szám

Donnerstag, 1. Mai 1930 Man sieht ihn dann senr ueißig una gt »is«=mwu Gemüse putzen. Das Mittagessen besteht zumeist aus gekochten und ungekochten Vegetabilien, Reis, indischen Erbsen oder Linsen (dal), Weizenbrot, Milch und dergleichen. Der Mahatma nimmt lim Milch oder Milchspeisen und Obst. Ein jeder Insasse des Heims führt sein Tagebuch. Er trägt darin seine Leistungen, Erlebnisse und Eindrücke des Tages ein und verzeichnet die guten und bösen Gedanken, die sein Inneres tagsüber bewegten. Er, Mahatma, prüft und kontrolliert ein jedes Tagebuch- und schreibt am Schluß seine Bemerkungen und Vorschläge nieder.Es sind die Mitglieder dieses Satyagraha Äshram, die heute die treuesten Begleiter Gandhis in seinem Kampf für die Freiheit Indiens sind. „Zum ewigen Frieden.“ Eine Rede Nikolaus Murray Butlers. Wie man uns aus Berlin berichtet, hielt heute der Rektor der Columbia-Universität in New York, der berühmte Gelehrte Nikolaus Murray Butler, der verdienstvolle Präsident der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden, im Reichstagspalast einen Vortrag, der großes Aufsehen erregte. Ursprünglich ivar geplant, daß Mr. Butler im Verläufe seiner dies­maligen Europareise auch nach Budapest kommen würde, um mit der ungarischen Regierung be­stimmte Pläne der Carnegie-Stiftung, die auch Un­garn angehen, zu besprechen. Da jedoch Mr. Butler Gelegenheit hatte, in Florenz mit dem Grafen Stefan Bethlen und dem Grafen Albert Apponyi zusammen­zutreffen, so unterbleibt für jetzt sein Besuch in Budapest, dem man hier in den weitesten Kreisen mit den lebhaftesten Gefühlen der Verehrung und der Sympathien für diesen hervorragenden Bürger Amerikas entgegengeblickt hatte. ln seinem heutigen Berliner Vortrage bekennt sich Butler zu den Kantsehen Grundsätzen, die im Werk -„Zum ewigen Frieden“ niedergelegt sind. Von seinen Studienjahren in Deutschland aus­gehend und auf die großen Gestalten hinweisend, die er als Student in Berlin noch sehen und be­wundern konnte, erinnert er an Fichtes Reden an die deutsche Nation — „seit Luther hat keine deutsche Stimme so mächtig zum deutschen Volk ge­sprochen“—, um dann in eine Analyse der „unsterb­lichen Schrift“ Kants: „Zum ewigen Frieden“, einzu­gehen. Hier findet man die folgenden Ausführungen: Kant sagt vom praktischen Politiker, daß er auf den theoretischen „mit großer Selbstgefälligkeit als einen Schulweisen herabzusehen“ sich befleißige. Dieser Aus­spruch, wahr im Jahre 1795, ist noch genau so wahr im Jahre 1930. Der Praktiker, der vorgibt, den Denker zu 'erachten und selbst wenig oder gar keine Fälligkeit zum . philosophischen Denken besitzt, sieht ständig mit schee­lem Blick aiif die Denkenden und macht sich über ihre Ratgeber lustig. Und bei alledem ist solcher Mann der Praxis doch stets, ganz ohne sich dessen bewußt zu wer­den, in den Fängen eines unsauberen, oberflächlichen, fehlerhaften Denkens. Je mehr er glaubt, es mit den greifbaren Dingen der Praxis, und mit dem, was er prak­­- tische Erfahrung nennt, zu tun zu haben, um so mehr steht er in Wirklichkeit unter dem Einfluß ungreifbarer Roms Geburtstagsgeschenke. Von GUSTAV W. EBERLEIN (Rom). Rom, Ende April. „Liebes Kind,“ so sagte der gute Vater Mussolini zu seiner Lieblingstochter Roma, „du feierst heute deinen 2684. Geburtstag, und wer nur nach dem Ka­lender geht, der könnte glauben, du kämest all­mählich in die Jahre. Bei Licht betrachtet, wirst du aber alle Tage hübscher. Je älter du dich kleidest, um so jünger siehst du aus. Du hast die ewige Schön­heit. Ja, du gefällst mir um so besser, je mehr du von dem modernen Plunder ablegst. Ich will dir das äl­teste Zeug anlegen, das ich habe, es steht dir. Es steht dir famos! Wenn dich Cäsar sieht, wird er er­röten. Das sollen meine Geschenke, sein! Nimm sie hin und laß dich umarmen, figlia mia!“ Damit zog der pater patriae die jahrhunderte­alten Schleier von der stolzen Roma weg, befreite ihre Schultern von dem Tand einer lächerlichen Mode und sie hob das Haupt und war so schön, daß die Leute geblendet die Augen niederschlugen. Dieses königliche Haupt, das Kapitol! Frei hebt es sich jetzt heraus, mächtig fluten die beiden Frei­treppen herab, der elende Kram in und um dieses einzigartige Gewelle ist gefallen. Man sieht es jetzt schon von der Piazza Venezia aus und man sieht da­neben endlich wieder den Tarpejischen Fels, den schmutzige Dächer und Terrassen mit ihren Kloaken­anhängseln buchstäblich überwuchert hatten. Bei der Freilegung des Kapitols mußte natürlich auch so manches andere fallen, was die Maler, die um keinen Preis dort wohnen möchten, malerisch, I und die Gelehrten, die vorher gar nichts davon wuß­ten, unersetzlich fanden. Unter anderem zwei Kir­chen, die unvermutet aus dem Häusergerümpel auf­tauchten. Seit Generationen vollkommen vergessen und verschwunden, erregten sie begreiflicherweise das Interesse der Antiquare unter den Kunsthistori­kern, aber der Gouverneur der Stadt. Fürst Ludovisi Boncompagni, meinte, der Tod dürfe nicht das Leben ersticken, der sogenannte Lokalcharakter der muffi­gen Winkel und der wäscheüberflatterten, ungesun­den und unmoralischen Gäßchen müsse verschwin­den. Die Hauptstadt des neuen Italien wende sich Gewalten, in diesem Falle von übler und schädlicher Art. Wenn inan die letzten hundsrtundfünfunddreißig Jahre zurückblickt, muß man gestehen, daß die Welt heute viel weiter gegangen wäre in ihrem Fortschritt, wenn die so­genannten politischen Praktiker, die die Geschicke der Nationen geleitet haben, fähig gewesen wären, die Leh­ren von Kants großer Schrift zu 'erstehen und anzu­wenden. Es ist buchstäblich überraschend, wieviel von der tiefsten und wahrhaft besten Philosophie des modernen Völkerlebens bereits von Kant vor so langen Jahren in dieser Schrift aufgebracht worden ist. Er legt den Grund­satz fest, daß kein Friedensvertrag gültig erachtet werden soll, der „mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht“ worden sei. Er dringt darauf, daß kein Staat, klein oder groß, jemals unter die Oberherrschaft eines anderen Staates gezwungen werde, denn der Staat sei eine Gesellschaft von Menschen, über die niemand anders als er selbst zu gebieten und zu dispo­nieren habe. „Stehende Heere (miles perpetuus)“, sagt Kant, „sollen mit der Zeit ganz aufhören." Denn dank ihrer immerwährenden Angriffsbereitschalt bedrohen diese Armeen unaufhörlich andere Staaten und reizen sie dazu, die Zahl der gerüsteten Mannschaften ohne Ende zu vermehren. Wer hat im zwanzigsten Jahrhundert das Übel und die Gefahr des Wettrüstens zu Wasser und zu Lande in bessere oder klarere Worte gebracht? Kant lehrte die wahrhaft moderne Doktrin, daß es die Staatsbürger selbst sein sollten, die darüber zu be­schließen hätten, ob Krieg sein solle oder nicht, womit jene Macht allen anderen Kräften entzogen wurde, den Monarchen sowohl wie anderen Staatslenkern, den gesetz­gebenden Körperschaften sowohl wie auserwählten Grup­pen, die sich leicht von Gefühlsüberschwang, Leidenschaft oder Ehrgeiz hinreißen lassen. Aber Kants Gedanken beschränkten sich nicht auf die Politik einer Nation allein. „Das Völkerrecht", fährt er fort, „soll auf cinem * Föderálisra gegründet sein." In diesem einen Satz steht die Prophezeiung des Völker­bundes und der Anwendung eines internationalen Rechtes. Da Moral die Grundlage und das Ziel aller Zivilisation ist, kommt Kanl zu dem Schluß, daß der „Zustand eines öffentlichen Rechtes", daß „der ewige Friede, der auf die bisher fälschlich sogenannten Friedensschlüsse, eigentlich Waffenstillstände, folgt, keine leere Idee ist, sondern eine Aufgabe, die nach und nach aufgelöst ihrem Ziele (weil die Zeilen, in denen gleiche Fortschritte geschehen, hof­mit Abscheu ab von einer derart heuchlerischen Ro­mantik, sie wolle Luft, Licht und Schönheit. Und der Duce gab dem mutigen Manne recht. Er berief einen Ausschuß für einen neuen Bebauungs­plan und gab ihm nur einige Monate Frist zur Voll­endung seiner Aufgabe. Keine leichte Aufgabe, ge­wiß, es gälte, mindestens vier Städte, die in Rom durch- und übereinander liegen, harmonisch zu ver­schmelzen, die Erhabenheit der Antike herauszu­schälen und dem modernsten Verkehr Rechnung zu tragen, denn in zwanzig Jahren werde Rom zwei Millionen Einwohner und hundertfünfzigtausend Automobile haben. „Ihr müßt die Dinge im Großen sehen! Und nun ans Werk!“ Die Geburtstagsgeschenke, die, wie alljährlich, am 21. April der Stadt zu Füßen gelegt wurden, sind programmatisch für das Doppelproblem der renais­­sancehaften Verehrung der Antike und der amerika­nischen Bauwut, die ganz Italien ergriffen hat. Nicht nur der „heiligste Hügel nach Golgatha“ wurde befreit, sondern auch das Marcellustheater. Eine Miniaturausgabe des Kolosseums, liegt es nun etwas schämig im Getto, dort, wo Goethe in einer der noch immer Liebhaber findenden Weinkneipen seine Faustina fand. Und mit der gleichen Entschlossenheit, mit der niedergerissen wird, ruft man draußen vor den Toren eine Neustadt ins Leben. Auf dem Monte Mario wird eine Freiluftschule eingeweiht. Alle Pro­vinzen haben ihre überlebensgroßen Statuen für das Forum Mussolini beim Ponte Milvio abgeliefert. Sechstausend Kinder singen nachmittags in der Pinienarena der Villa Borghese zum Preise des neuen Vaterlandes. Aber der Schöpfer des vierten Italien begnügt sich nicht mit Äußerlichkeiten. Er hat den Arbeits­feiertag des 1. Mai nicht bloß aus Demonstration ab­geschafft und auf den Geburtstag Roms verlegt. Er schuf und eröffnete am Festtagsmorgen in der Aula maxima des Senatorenpalastes auf dem Kapitol, vor der Statue Cäsars stehend, den Nationalrat der Ge­werkschaften, diktierte die Richtlinien für den wirt­schaftlich-sozialen Ausgleich, gab einer* Nation nationale Arbeit. In der Nacht, Punkt zwölf Uhr, sanken auf seinen Befehl die mittelalterlichen Zollschranken an fentlich immer kürzer werden), beständig näher kommt“. Kann mehr als das gesagt werden? Diese große deutsche Stimme aus dem Jahre 1795 spricht zu der Welt von 1930 in IVorten gebietender Führerschaft und höchster prak­tischer Weisheit. Die Stimme Immanuel Kants ist'eine ungreifbare Macht. Nun zieht Butler Schlüsse aus den Lehren der Vergangenheit auf die Bedürfnisse dér Gegenwart: Die Weif des zwanzigsten Jahrhunderts steht vor einer überfülle von Problemen, deren üösung die menschliche Tragfähigkeit aufs höchste belastet. Es handelt sich um rein menschliche Probleme, allgemein wirtschaftliche, industrielle und tinanzielle Probleme, um politische und religiöse. Der Punkt, der nicht dringlich genug gemacht werden kann, ist der, daß diese Probleme sich niemals werden durch Haß, Streit oder Gewalt lösen lassen, Auf einem dieser Wege können sie vielleicht unterdrückt, aber nicht gelöst werden. Wenn sie gelöst werden sollen, so kann es nur geschehen in dem Geiste fieundwilliger Zusammenarbeit, freundschaftlichen Ver­bandes und gemeinsamen Rates, mit dem endgültigen Vorsatz, Gerechtigkeit walten zu lassen und Freiheit zu schaffen unter den Menschen. Ein Weltfrieden kann nicht dauern auf der Grund­lage irgendeiner Theorie der Gewaltherrschaft, 'veder einer militärischen, noch einer wirtschaftlichen, rassen­mäßigen oder religiösen, denn solche Herrschaft trägt stets die Versuchung zu Störung und Umsturz in sich selbst. Ein sicherer Frieden ruht einzig und allein auf einer liberalen, einsichtigen und von Überzeugung ge­tragenen Öffentlichen Meinung. Die selbe Öffentliche Meinung, die die Ächtung des Krieges als Instrument nationaler Politik herbeigeführt hat, geht jetzt daran, sich einen neuen befriedigenden Ausdruck in der Errich» tun gewisser Institutionen zu schaffen, die die Wechsel­beziehungen der Menschheit als Nationen regulieren und leiten sollen, und zwar zum Ersatz all des in verflosse­nen Jahren so üblichen Argwohns, all der Furcht und all, der Schaustellung äußerer Macht. Über die Aufgaben des Völkerbundes äußerte Sich Butler in eingehender Weise. Einige seiner Sätze sollen im nachstellenden verzeichnet werden: Der Völkerbund mit seiner wachsenden.Autorität und seinem sich beständig steigernden Prestige sind symbolisch für die neue Staatskunst und Gewohnheit, miteinander Angesicht zu Angesicht zu beraten, statt formelle Noten den Städtetoren. Millionen über Millionen an Zoll­einnahmen verschwinden damit auf einen Schlag, aber wie meinte er doch ? Man müsse die Dinge im Großen sehen! Wenn nichts anderes, diese Ver­fügung allein zeigt den Unterschied zwischen dem heutigen und dem Italien von gestern, das eine solche Tradition einträglicher Schranken und bequemer Zöpfe niemals oder doch nur nach einer Kette von Parlamentsgefechten und Regierungsstürzen auf­­heben hätte können. Man mag an der wirtschaft­lichen Zweckmäßigkeit oiner solchen radikalen Maßnahme herummäkeln, es ist der Geist, der in ihr zum Ausdruck kommt, dieser kühne, mannhafte Herrscherwillc, den inan bewundern muß. Der die Traktoren in die. pontinischen Sümpfe schickt, der die Aufforstung des entwaldeten Landes befiehlt, der die Getreideschlacht schlägt. „An diesen Ostern endlich bricht man an un­serem Tische nicht mehr das Brot der anderen, das so bitter war, das die Zeichen der Abhängigkeit und des Elends in jeder Krume trug. Zum ersten Male, am Tage der Auferstehung, essen wir das Brot un­serer Erde und wir heben es in die Höhe, wie die jüdischen Priester zum Himmel hoben die Ähren als Symbol der Befreiung aus der Knechtschaft. Wir segnen es, unser heiliges Brot, die Verheißung für morgen, die Gewähr unserer Zukunft, das Signal für Ereignisse, die den eisernen Ring zerschlagen wer­den, mit dem man den Lauf unserer Geschichte an­­halten und unsere gerechte Bestimmung in Fesseln schlagen möchte!“ So beginnen die Jubelartikel in den Zeitungen und es wäre töricht, in diesem Überschwang nichts als Theater zu sehen. Wenn Rom seine Geburtstags­geschenke betrachtet, so sieht es sie nicht mehr bengalisch von außen her, sondern von innen heraus beleuchtet, und auch das ist wie ein Gleichnis. Es erkennt in scharfen Umrissen seine jahrtausend­jährige Geschichte und entnimmt ihr eine ver­lockende Mahnung für morgen: die Mahnung zur Größe. Figlia prediletta — der Duce weiß wohl, warum er Roma seine auserwählte, seine Lieblingstochter nennt • 3 • FESTER LLOYD

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