Pester Lloyd - esti kiadás, 1930. december (77. évfolyam, 273-296. szám)

1930-12-01 / 273. szám

O % • PESTER LLOYD Montag, 1. Dezember 1930 Jahre 1922 besonders verbürgt sind, so ist — nach hiesiger Auffassung — der deutsche Schritt leider eine Notwendigkeit gewesen, da man sich nicht vorstellen kann, es könnten die Vertreter irgend­eines Rechtsstaates und Kulturvolkes sich dem Ethos dieses Protestes verschließen. Die österreichische Krise. Verhandlungen zur Bildung des Endcr-Kabinetts. Wien, 30. November. Bundespräsident Miklas empfing heute den Landes­hauptmann von Vorarlberg Dr. Ender und richtete an i'hn neuerdings das Ersuchen, als designierter Bundes­kanzler die Verhandlungen mit den politischen Parteien wegen Bildung der neuen Regierung ohne Verzug aufzu­nehmen und ihm möglichst bald Anträge zu stellen. Der designierte Bundeskanzler erklärte, diese Mission unter gewissen Vorbehalten, die durch die beginnenden Bespre­chungen geklärt werden sollen, anzunehmen. Landes­hauptmann Dr. Ender begab sich sodann ins Parlament, um zunächst mit dem christlichsozialen Klub Fühlung zu nehmen. .. Wien, 30. November. Der Sonntag hat noch nicht die erwartete Lösung bezüglich der Regierungsbildung gebracht. Dr. Ender wurde von dem christlichsozialen Klub, mit dem er zu­nächst Fühlung nahm, freundlich empfangen. Nach die­sem Besuch nahm Ender mit den Führerrn des Schober­blocks und des Heimatblocks Fühlung. Diese Bespre­chungen hatten aber nur informativen Charakter. Die meritorischen Verhandlungen mit den Parteien sollen erst morgen beginnen. Wien, 30. November. , Die Reichsparteileitung der dem Schöberblock ange­hörenden großdeutschen Volkspartei hat eine Ent­schließung angenommen, in der es heißt, die großdeutsche Reidhsparteileitung nimmt den Bericht des Abgeordneten Strasser über die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung zustimmend zur Kenntnis. Die Reichspartei­leitung spricht sich grundsätzlich für die Bildung einer antimarxistischen Mehrheitsregierung aus, die womöglich alle bürgerlichen Parteien umfassen soll. In der Zusam­mensetzung der neuen Regierung muß der politische Kurswechsel eindeutig zum Ausdruck kommen und sie muß die Gewähr dafür bieten, daß sieh ihre Tätigkeit nur auf dem Boden der Verfassung und der Gesetze bewegen wird. Die Unterstützung der neuen Regierung ist ferner an die Durchführung einer gerechten Wahlreform und die Entpolitisierung von Schule, Heer und Verwaltung zu binden. Wien, 1. Dezember, Die Preßstelle des österreichischen Heimatschutzes berichtet über die Aussprache ihrer Delegierten mit dem designierten Bundeskanzler Dr. Ender. Der Heimatblock faßt seine Forderungen in drei Punkten zusammen: 1. Linderung der Wirtschaftskrise und größte Sparsamkeit in der öffentlichen Verwaltung; 2. Kampf gegen den Mar­xismus; 3. Besetzung des Innenministeriums durch einen Vertreter der Heimatwehrbewegung. (Privattelegramm, des Pester Lloyd.) Wien, 30. November. Der zum Bundeskanzler designierte Landeshaupt­mann von Vorarlberg Dr. Ender ist Sonntag vormittag in Wien eingetroffen. Er begab sich sogleich zum Bundes­präsidenten Miklas, der neuerlich an ihn das Ersuchen richtete, als designierter Bundeskanzler die Verhandlungen wegen der Bildung einer neuen Regierung aufzunehmen und ihm möglichst bald Bericht zu erstatten. Ender nahm diese Mission unter gewissen Bedingungen an. Ender lud hierauf Schober nachmittags zu .einer Bespre­chung im Parlament ein. Am Vormittag hatte er bereits eine Besprechung mit den Christlich­sozialen, die Ender ihre Unterstützung zusagten, jedoch die Forderung erhoben, daß Vaugoin un­bedingt als Heeresminister dem neuen Kabinett angehören soll. Nachmittags konferierte Enders mit Vertretern des Schober-Blocks. Hierauf erschien Vaugoin. im Parlament und konferierte mit Dr. Ender. Zu dieser Besprechung wurde sodann auch Minister Heini hinzugezogen. Gegen 4 Uhr erschienen Vertreter des Heimatsblocks unter der Führung Starhembergs und konferierten mit. Ender. Der Heimatblock erklärte sich bereit, in die Regierungsmehr­heit einzutreten. Wie man hört, ist Dr. Ender für den Fall des Gelingens seiner Mission gesonnen; das Innen­ministerium, das heiß umstritten ist, und das sowohl vom Heimatblock wie vom Schober-Block in Anspruch genom­men wird, selbst zu übernehmen. Die Entscheidung wird heute kaum fallen und wird erst für Montag nachmittag erwartet. Sie wird wesentlich davon abhängen, wie sich der Schober-Block zu der Bereitwilligkeit des Heimat­blocks, an der Regierungsbildung teilzunehmen, stellen wird. , (Telegramm unseres Korrespondenten.) Wien, 1. Dezember. Dr. Ender hat heute seine Besprechungen wieder auf­genommen und zuerst Dr. Schober und dann die Abgeord­neten Dr. Straffner und Winkler empfangen. Nachher fand eine Aussprache Dr. Enders mit dem früheren Mini­ster Ingenieur Schumy statt. Wie im Parlament verlautet, haben die heutigen Konferenzen noch keine weitere Klä­rung der Situation gebracht. Es wird sogar Vielfach von einer Versteifung gesprochen, die darauf zurückzuführen «ein soll, daß Dr. Ender dem Schober-Block nur zwei Portefeuilles angeboten haben soll, während der Schober- Block drei Sitze für sich beansprucht. Dr. Ender will die Vizekanzler stelle und das Außenressort mit Dr. Schober besetzen und es den beiden nationalen Gruppen überlas­ten, sich entweder für das Justizportefeuille oder die so­ziale Verwaltung zu entscheiden. Der Landbund verharrt demgegenüber, -auf seiner Forderung nach Uberlassung­ei nes der drei wirtschaftlichen Ressorts und die Bevoll­mächtigten des Schober-Blocks erkläre», weiterhin auf dem bereits geltend gemachten Verlangen nach Zuerken­nung von drei Ministersitzen beharren zu müssen. Uni die Mittagsstunde begab sich Dr. Ender in den großen Klub der Christlichsozialen, der heute in Permanenz tagt, wäh­rend die Bevollmächtigten des Schober-Blocks den beiden nationalen Parteien über die bisherigen Verhandlungen 'berichteten. Um die Mittagsstunde erschien auch Minister des Innern Starhemberg im Parlament, um sich für wei­tere Verhandlungen bereit zu halten. Wien, 1. Dezember. Wie das Wiener Montagsblatt erfährt, hat der Bundespräsident dem scheidenden Präsidenten des Na­tionalrates Dr. Gürtler das große goldene Ehrenzeichen am Bande verliehen. Wien, 1. Dezember. Nach dem ohristlichsozialen Neuen Wiener Montag­blatt sind bis zur Bildung der neuen Regierung noch einige Verhandlungsbarrikaden zu überwinden. Die erste davon bestehe darin, daß der Schoberblock drei Ministe­rien für sich verlange, welche Forderung das Blatt als ungerechtfertigt zurück'weist. Die zweite sei die Frage der Einbeziehung des Heimatblocks in die Regierung. Die übrigen Montagblätter sprechen bereits von einem Kabinett Ender-Schober, in dem Schober das Außenministerium innehaben würde. Nach -einer Parläinenfskorrespondenz beabsichtige der designierte Bundeskanzler Dr. Ender das Ministerium des Innern selbst zu verwalten als eine Art Treuhänder, so daß ein eigener Innenminister nicht ernannt werden würde. Vom Tage* Der Kaiser von Japan an den Reichsverweser. Das Ung. Tel.-Korr.-Bureau meldet: Der Reichsverweser hatte anläßlich der Erdbeben­katastrophe in Japan an den Kaiser von Japan eine Beileidsdepesche gerichtet, worauf heute die fol­gende Antwort ein ge troffen ist: „Die warme Teilnahme Ew. Durchlaucht hat mich tief gerührt, ich drücke hiefür meinen auf­richtigsten Dank aus. Hirokito.“ DEUTSCHLAND. Die Preissenkungsaktion. (Telegramm des Pester Lloyd.) Berlin, 30. November. Die Verhandlungen des Preissenkungsausschusses der Regierung mit der Reichsbahndirektion haben zu einer teilweisen Senkung der Reichsbahntarife geführt. Die Ermäßigung betrifft die Tarife für Lebensmittel, Kohlen und sogenannte Zeitkarten, die im Nahverkehr außerhalb der großen Städte wohnender Arbeiter be­nützt werden. Auf der anderen Seite ist, wenigstens iu der Hauptstadt, die in der Vorwoche einge.trptene Sen­kung des Milchpreises durch eine um den gleichen Prozentsatz erfolgte Erhöhung des Milchpreises wieder ausgeglichen worden. Der neue Präsident der Deutschen Volkspartei. (Telegramm des Pester Lloyd.) Berlin, 1. Dezember. Die Deutsche Volkspartei hat ihren bisherigen stell­vertretenden Präsidenten, Dr. Edward Dingeideg, zum Vorsitzenden, den bisherigen Vorsitzenden Dr. Scholtz zum Ehrenpräsidenten gewählt. Dr. Dingeldey sprach in einer längeren Rede seinen Dank für die Wahl aus und betonte, daß er entschlossen sei, die Politik im Geiste seines frühverstorbenen großen Präsidenten Dr. Strese­­manii weiterzuführen. Dr. Edward Dingeldey ist ein verhältnismäßig junger Mann, er steht in seinem 44. Lebensjahr und gehört der deutschen Gesetzgebung seit dem Jahre 1928 an. GROSSBRITANNIEN. Zu den Gerüchten Uber Gegensätze im Kabinett. (Telegramm des Pester Lloyd.) London, 1. Dezember. Außenminister Henderson belaßte sich in einer Rede in Cardiff mit den Gerüchlcn, daß zwischen den Mit­gliedern des Kabinetts starke Gegensätze beständen uni daß die Auflösung des Unterhauses für die ersten Monate des kommenden Jahres zu gewärtigen sei. Henderson de­mentiere diese Nachrichten auf das entschiedenste' und bat die Versammlung, sie nicht ernst zu nehmen. Die Arbeiterregierung sei entschlossen, das Unterhaus solange nicht aufzulösen, als sie nicht durch eine Kombination der beiden oppositionellen Parteien in einer lebenswichti­gen Frage niedergestimmt würde. Auch Sir Herbert Samuel nahm in einer Reder gegen die Auflösung des Unterhauses Stellung, da seiner Mei­nung nach keine andere Regierung England aus den ge­genwärtigen Wirtschaftsnöten befreien könnte. Die unterbliebene Reise Montague Normans. London, 1. Dezember. (U. .T.-K.-B.) Die Blätter dementieren die Samstag in sensationeller Aufmachung veröffentlichte Nachricht, als ob Montague Norman seine geplante Reise nach den Ver­einigten Staaten plötzlich aufgegeben hätte, und zwar auf eine aus London erhaltene Nachricht hin. Die Wahrheit ist nach den Meldungen der Blätter die, daß Norman an Deck der „Bremen“ den heimkehrenden Gouverneur der Federal Reserve Bank Harrison bis nach Cherbourg be­gleitet hatte und sodann mit der „Majestic“ nach London zurückkehrte. IVIoniag im Rundfunk: SConzert der Philharmonischen GeselBschaff mit Marcelle Meyer (Dirigent: Dr. Ernst Dohnányi) FRANKREICH. Die Finanzskandale. (Telegramm des Pester Uoyd.\ Paris, 30. November. Die von der Kammer eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Börsenskandale hat einen sechs­köpfigen Unterausschuß unter dem Vorsitz Louis Marin» gebildet. Dieser Unterausschuß hat sich gestern nach­mittag. in seiner -ersten Sitzung mit den Angriffen be­faßt, die in der Kammer gegen den Justizminister Péret erhoben worden waren und dessen Rücktritt zur Folge hatten. Obwohl über diese Beratung keine Mitteilungen veröffentlicht worden sind, glauben die Blätter zu wis­sen, es sei festgestellt worden, daß die Börseneinführung der Snia Viscosa-Werke, die Péret zum Vorwurf ge­macht wurde, ordnungsgemäß erfolgt sei. Der Unter­ausschuß will dazu noch ergänzende Erkundigungen bei der Regierung einziehen. Ferner sei beschlossen wor­den, vom Ministerpräsidenten Tardieu den Bericht zu verlangen, in dem der Generalstaatsaruvalt Mitteilung über die Beziehungen der Unterstaatssekretäre Falcot und Lautier zu dem Bankier Oustric. gemacht hat, also des Berichtes, der zur Demission der beiden Unter­staatssekretäre geführt hat. Verhaftung italienischer Kommunisten. (Telegramm des Pester Lloyd.) Paris, 30. November. Fünf italienische Kommunisten wurden gestern von der Polizei verhaftet und über die Grenze abgeschoben. Es handelt sich um den bekannten Führer der italieni­schen Kommunisten und Anarchisten Clarego Menotti, der den vorgestern verhafteten ehemaligen italienischen Abgeordneten Ruggiero Grieco als Vertreter der italieni­schen kommunistischen Organisation in Frankreich er­setzen sollte, und vier seiner Freunde. Einer von diesen, Tino Mazzoni, der in Luxemburg wohnte, fungierte als Verbindungsmann mit der internationalen Roten Hilfe in Berlin. Ein zweiter, Antonio Coriane, angeblich aus der Schweiz gebürtig, bereiste als Propagandist für die kommunistische Internationale Jugoslawien, die Tschecho­slowakei und Deutschland, wobei er sioh eine Schweizer Passes bediente. Menotti gab zu, daß er in Verbindung zu den Antifaszisten gestanden sei, die vor einiger Zeit versucht hätten, in Sartrouville einen des Verrates ver­dächtigen Landsmann „hinzurichten“. Ferner wurden gestern über die Grenze zwei Individuen abgeschoben, die mit Pässen von der ekuadorischen Gesandtschaft in Berlin aus Moskau nach Paris gekommen waren. Im Besitze dieser „lästigen Ausländer“ befanden sich politische Propagandaschriften und Dokumente, aus denen hervor­geht, daß sie in Moskau an einem revolutionären Vor­­bereitungskurs teilgenommen haben. TSCHECHOSLOWAKEI. Die ungarische Beschwerde wegen der Volks­zählung. Paris, 1. Dezember. (U. T.-K.-B.) Correspondent Universel beschäftigt sich in einem längeren Artikel mit der Beschwerde, die die ungarischen Parteien des Slovensko wegen der tschecho-slowakischen Volkszählung dem Völkerbunde unterbreitet haben. Der Artikel stellt fest, daß die Volks­zählung auf zwei verschiedene Arten vorgenommen werde: in den sogenannten historischen Ländern würden die Zählzettel von den Staatsbürgern eigenhändig unter­zeichnet, wogegen man im Slovensko und in den Wald­karpathen Aufnahmebogen benütze, die vom Volks­­zä h hi hgs komm is sä r ausgefüllt und vom Gezählten nicht unterzeichnet würden. Die letztere Methode könne zu Mißbräuchen Anlaß geben, da die Staatsbürger die genaue Eintragung der Angaben nicht zu kontrollieren vermöch­ten. Diese Methode werde dort angewendet, wo eine be­deutende ungarische Minderheit lebe. Die Beschwerde er­scheine um so begründeter, als die Volkszählungskommis­­säre nicht einmal die Sprache der Minderheit be­herrschten. Die ungarischen Parteien der Tschecho­slowakei hätten sich in einer Denkschrift an den Innen­minister gewendet, in der sie zur genauen Durchführung der Volkszählung verschiedene Vorschläge machten. Diese Vorschläge seien von der Regierung zurückgewiesen wor­den. Unter solchen Umständen erscheine das Verfahren begründet, die Aufmerksamkeit des Völkerbundes im vor­hinein auf die Möglichkeiten der Mißbräuche bei der tschechischen Volkszählung zu lenken. Paris, 1. Dezember. (U. T.-K.-B.) L’Oeuvre veröffentlicht ein Telegramm aus Genf über die Eingabe, in der die ungarische Minder­heit der Slowakei im voraus gegen die im Slovensko an­zuwendende und zu Mißbräuchen Anlaß gebende Volks­zählungsmethode Protest erhebt. Prag, 1. Dezember. (U. T.-K.-B.) Wie bekannt hat das Landesamt zu Pozsony zwei Plakate und Flugblätter der ungarischen Oppositionsparteien verboten. Das Sekretariat der christlichsozialen Organisation von Pozsony hat jetzt die offizielle Mitteilung des Landespräsidiums erhalten. Das erste Flugblatt errege nach dieser Mitteilung im Leser Mißtrauen und die Worte: „Scir ein Ungar bis zum Tode und Gott wird mit dir sein“ — seien geeignet, gegen an­dere Nationalitäten Antipathie zu erregen. Der Satz des anderen Flugblattes: „Es ist eine große und erhabene Sache, ein Ungar zu sein“, wird aus dem gleichen Grunde beanstandet. Gegen das Verbot kann binnen 15 Tagen zum Innenminister appelliert werden, was aber wenig bedeutet, da eine günstige Erledigung erst nach der Beendigung der Volkszählung erfolgen könnte. ITALIEN. Zwischenfall an der jugoslawischen Grenze. Rom, 1. Dezember. (Stefani.) Wie aus Görz gemeldet wird, wurden im Dorfe Murovizza auf sechs Zollwächter, die sich im Auto­mobil zur Zollwache begaben, um neun Uhr von un­bekannten Tätern mehrere Gewehr- und Revolverschüsse abgegeben. Die Angreifer hatten sich im Gebüsch ver­steckt gehalten. Der Zollwächter Rastelli wurde auf der Stelle getötet. Der Polizeichef hat die Untersuchung an­geordnet und mehrere Detektive an Ort und Stelle ent­sandt. Es scheint, daß es sich um ein politisches Ver­brechen handelt.

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