Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1884. April (Jahrgang 11, nr. 3130-3154)

1884-04-08 / nr. 3136

.,«z,v Ei Siebenbürnisch-Deutsches Rehaktionnudxdministntism Heltauergafje 23, Erfgeint mit Ausnahme der Sonn- und Leser­­­tage täglich. Abonnement für Germannstadt: monatlich 85 Er., vierteljährlich 2 fl. 50 Er., Halbjähris 5 fl, ganzjährig 10 fl. neu­­er­­­e mit Zustellung 1 fl., 3 fl., 6 fl., 12 fl. Abonnement mit Postversendhung: Für das Inland: vierteljährig 3 fl. 50 be, Bersstpeig 7 fl., ganzjährig Für das Ausland: RM. oder 10 gren., Sassjägig pieeketjährig 7 oder 20 Fred., ganzjährig 28 RAM. oder 40 Frd­. ARM. Unfrartirte Briefe werden nicht angenommen, antstribte nicht zurückgestellt. N“ 3136. XI. Jahrgang. Tageblatt. Ssermannfadt, Dienstag, 8. April Pränumerationen und Insernte übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauergasit Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresz­­­wandt’s Nachfolger, Mediasch J. Hedrich’s Erben, Schässburg H. Zeidner’s Filiale, Bistritz Friedrich Wachsmann Nr. 187, Sächsisch-Regen Karl Fronius, Mühlbach Jos. Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Zehrer, Wien Otto Maas (Haasen­­­stein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Moriz Stern, Heinrich Schalek, J. Danne­­­berg, Pest A. W. Goldberger, Frankfurt a. M. G. L. Daube , C. Aufertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile Tofter beim einmaligen Einladen 7 .fr., das zweitemal je 6 kr., das drittemal je 5 fr. ö. W. exclusive der Stempelgebühr von je 30 fr 1884, Rede des Reichstagsabgeordneten,Adolf Bay, gehalten in der Generaldebatte über den Gewerbegejegentwurf am 29. März 1884. (Schluß aus Nr. 3135.) Ich meinerseits würde er für eine weit glücklichere Konzeption gehalten haben, wenn der Gejegentwurf mit Weitergehung der halb­­amtlichen Gewerbe­­­korporationen alle jene Agenden, welche rein wirtschaftlicher Natur sind, den Gewerbegenossenschaften übertragen, diese dann für die einzelnen Ge­­­werbezweige obligatorisch gemacht und ihnen in ihren rein autonomen Wirt­­­schafts- und Selbstverwaltungsangelegenheiten freien Spielraum gelassen haben. Die im Entwurf den Korporationen zugedachten behördlichen Funktionen wären dann der Gewerbebehörde erster Instanz zuzu­weisen, die denselben mit ihrem behördlichen Arbeitsapparat weit pünktlicher und verläßlicher entsprechen kann — doc hätte dann der Rechtspreis der, dieser Gewerbebehörde kei­­­ne Gewerbebevollmächtigten erweitert, ihr Einfluß verstärkt werden müssen. Was nun, geehrte Haus, diese Gewerbebehörden selber betrifft, so habe ich eben jet schon darauf Hinge­wiesen, daß bei ihnen die dem behörd­­­lichen Organe, also den Magistrat oder Stuhlrichter beigesellten, von den Gewerbetreibenden gewählten Beiräte, zu einer gar zu unbedeutenden Rolle verurteilt sind. Der Gesehenzwwurf mutet ihnen allerlei Handlangerdienste zu und giebt ihnen in wichtigeren Angelegenheiten nur eine beratende Stimme ; er auferlegt ihnen eine Masse von Pflichten, ohne ihnen irgend­­welches Recht einzuräumen, und stellt sie bezüglich ihrer Amtsobliegenheiten unter so dra­­­tonische Disziplinarvorschriften und Geldstrafen, daß er der Gewerbetreibende geradezu als ein Unglück ansehen wird, wenn ihn das Vertrauen seiner Ge­­­nossen mit dieser Würde bebürdet, die er nicht einmal ablehnen darf. Erinnern wir und nur, wie sehr diese selbigen Agenden bisher von angestellten und be­­­soldeten Beamten, welche oft gar nichts anderes zu thun hatten, als eben nur diese Agenden zu besorgen, vernachlässigt worden sind, ohne daß diese Beamten irgend­­wie zur Verantwortung gezogen wurden — so werden wir es geradezu unbegreiflich finden, daß der Entwurf nunmehr die mit eben diesen genden zu betrauenden Gewerbetreibenden, die ja hiemit ein unbesoldetes Ehrenamt, ein nobile officium neben ihrem eigenen Gewerbe übernehmen, mit so em­­pfindlichen Geldstrafen bedroht. Bezüglich dieser gewerblichen Beiräte scheint es mir weiter sehr bedauerlich, daß der Gelegentwurf von denselben zwar einen gewissen Permögenzzensus, eine bestimmte Höhe der Erwerbsteuer dritter Klasse fordert, einen Zensus der Intelligenz aber nicht für nötig hält. Wenn für die Wählbarkeit zu Ge­werbebeiräten nicht ein bestimmter Grad allgemeiner Bildung gefordert wird, so könnte es sich ereignen, daß ein Gewerbetreibender, der nach den raren Bestimmungen dieses Gefegentwurfes, mit Umgehung der Volksschule und der Lehrlingsschulung nach einfacher dreijähriger Fabrik­­­­oder Werkstättenarbeit zur Selbständigkeit gelangt ist, nunmehr vielleicht auch ohne nur lesen und schreiben zu können, al wohlhabender Mann zum Ge­­­werbebeirat gewählt wird und nun Schulen beaufsichtigen sol, für deren Be­­­urteilung ihm in des Wortes verwegenster Bedeutung das ABE fehlt. E 3 ist ganz merkwürdig, daß ein Gelegentwurf, dessen Aufgabe er doc war, die allgemeine und fachliche Bildung der Handwerker auf eine höhere Stufe zu heben, für die Wählbarkeit zum Gewerbebeirat gar seine Bildungsqualifikation ordert. Die Art der Zusammenfegung der Gewerbebehörde zweiter Instanz kann ich noch weit weniger billigen. Zunächst war es verfehlt, die Zahl der Rei­­­siger auf vier zu beschränken; denn erwägt man, daß diese als Gewerbetrei­­­bende regelmäßig von ihrem eigenen Geschäfte in Anspruch genommen werden, so ist es klar, daß man durch Feststelung einer größeren Anzahl für einen gewissen Turnus, für eine entsprechende Ablösung folgen muß. Auch kann ich damit absolut nicht einverstanden sein, daß, während die eine Hälfte der Reisigenden ganz forrest von der betreffenden Gewerbekammer gewählt wird, die andere Hälfte duch den Verwaltungsausschuß des betreffenden Komitates bestellt werden soll, denn einerseits kann e& durchaus nicht Beruf des­­­ Ver­­­waltungsausschusses, dieses buntsciedigen Administrativapparates, sein,­­­­er­­­trauensmänner für den Gewerbestand aufzustellen; man müßte denn etwa annehmen wollen, der Staatsanwalt, der Postdirektor, der Steuerinspektor und der Waisenstuhlpräses­­seien berufene Vertreter unserer Industrie. Anderer­­­seits sind jn die Verwaltungsausschüsse erfahrungsgemäß schon ihrer Zusam­­­menlegung nach ergebene Werkzeuge der Regierung, die von ihnen in die Ges­­d­­werbebehörde Entsandten werden also regelmäßig der Regierung ebenfalls zur Verfügung sein, so daß dann in dieser Gewerbeoberbehörde die zwei von der Kammer gewählten selbständigen Elemente den beiden von dem Verwaltungs­­­ausschuß entsendeten, unselbständigen gegenüber stehen und durch das beri­­­nirende Votum des um sein Brod zitternden Bizegespans in allen Streit­­fragen prinzipieller Natur üb­erstimmt werden. Dies wäre dann ein würdiges Gegenstück zum Kandidationsausschuß der Komitatsversammlung, in dem ja die drei freige­wählten Mitglieder auch regelmäßig dazu verdammt sind, von dem vorsitenden Obergespan und seinen drei Strohmännern überstimmt zu werden. Es sol also durch die Zusammenlegung der­ Komitatsgewerbebehörde der Schein erweckt werden, als sei sie ein Organ der Selbstverwaltung, während sie in Wirklichkeit ein Werkzeug der ministeriellen Willkür sein wird. Geehrtes Haus! Dem Vorausgeschichten zufolge ist es meiner reiflich ertrogenen Weberzeugung nach dem vorliegenden Gelegentwurf nur zu einem sehr geringen Teile gelungen, die ihm­ gestellte Aufgabe zu Lösen — einen anderen Teil seiner Aufgabe hat er gar nicht zu Lösen versuc­ht. So schweigt er, um nur ein einziges Beispiel anzuführen, vollständig von dem Herberge­­­rwesen, obwohl dieses von größter Wichtigkeit ist für das Verhältnis zwischen Meister und Gesellen, für das Fortkommen und die moralische Ueberwachung der Hand­werfsgehilfen. Am schlimmsten aber ist es, daß der Entwurf die ernste und schwere Frage der Frauenarbeit tot schweigen will. Er spricht zwar in seinem $ 1 das Prinzip aus, daß bei Erfüllung bestimmter Vor­­­bedingungen „jedermann ohne Unterschied des Geschlechts” zum selbständigen Betrieb eines Gewerbes zugelassen werde. Doc­­h­es Prinzip stellt der Ent­­­wurf nur auf, um die Frauen dann bei der Normierung der Dualifikation umso gründlicer von der gewerblichen Selbständigkeit auszuschließen. Er fordert, „ohne Unterschied des Geschlechtes”, Lehrlingsdienst, Lehrlingsschule und Gesellenarbeit, ohne zu beridsichtigen, daß unsere heutigen Institutionen es den Frauen unmöglich machen, diese Vorbedingungen zu erfüllen, und ohne dafür Sorge zu tragen, daß fünfzighin Vorkehrungen getroffen werden, die auch den Frauen gewerbliche Ausbildung und die Erwerbung der Gewerbe­­­qualifikation möglich machen. Das neue österreichische Gewerbegeset ist, da­­s Ziel fiberaler und humaner; er' gestattet der Regierung zu Gunsten der Frauen Ausnahmen zu machen von den Befähigungsbedingungen bei jenen qualifizierten Gewerben, die dem bestehenden oder sich entwickelnden Brauche nach auch von Frauen selbständig betrieben werden. Und es ist in der That nicht einzusehen, warum eine ganze Reihe von qualifizierten Gewerben, ich nenne hier nur das der Schuster, Schneider, Riemer, Taschner, Hutmacher, Strumpfwirker, Buchbinder, ja selbst Goldarbeiter und Uhrmacher — nicht auch von Frauen selbständig betrieben werden sollen? Es fehlt ihnen Hiezu weder Kraft, noch Geichil, weder Intelligenz noch Berläßlichkeit, — wir müssen ihnen nur die Vorbedingungen zur Schulung und Entwicklung ihrer Fähigkeiten Schaffen. Oder wollen wir denn die Frau, die auf ihre Hände­­­arbeit angewiesen ist, auch für alle Zukunft dazu verdammen, sich einzig durch Stunden und Hädeln, Stichen und Nähen, Waschen und Plätten mit Mühe und Not ihr Stückchen Brot zu erwerben und zeitlebens Proletarierin zu bleiben?! Ungarn ist ja so arm an gewerblicher Arbeitskraft, warum will er denn auf die ehrliche Mitarbeit der Frauen am Handwerk verzichten? Wo es sich um die Auferlegung von Lasten und Opfern, von Steuern und Ges­­chühren handelt, da vergißt unser Staat der Frauen niemals, er hebt von ihnen jedwede Art der Steuern, ja auch den hier geplanten zweiperzentigen Steuerzuschlag zur Erhaltung der Lehrlingsschulen ebenso unerbittlich ein, wie dem Manne. Uebernimmt hiemit der Staat nicht die moralische Ver­­­pflichtung nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben, übernimmt er nicht die Verpflichtung auch seinerseits etwas zu thun für die Hebung der Erwerbs­­­fähigkeit der Frauen und ihnen in seinen geweglichen Institutionen und staat­­­­­­lichen Veranstaltungen die Möglichkeit und die Gelegenheit zu geben,zur Er­­­reichung der wirtschaftlichen Selbständigkeit auch auf dem­ Gebiete der Gewerbe ? ! Nachdem ich mich ganz freimütig ausgesprochen habe über die Mängel und Schwächen des vorliegenden Gelegentwurfes, stehe ic auch durchaus nicht an, ebenso offen anzuerkennen, daß der Entwurf in­ seinen Einzelbestimmungen manchem dringend gefühlten Bedürfnisse entspricht, manche ganz vorzügliche Verfügung enthält. So ist es z. B. sehr dankenswert, daß der Entwurf den ortsfremden Gewerbetreibenden den Verkauf ihrer Waren nur an den Jahre märkten gestattet, und somit die gemeindeangehörigen Handwerker, die ja in der Gemeinde alle Steuern und Lasten tragen, während der übrigen Zeit des Jahres und insbesondere auf den Wochenmärkten vor der schänlichen Kon­­­kurrenz der Zureisenden schüßt. Ebenso anerkennenswert sind die Bestimmungen des Gelegentwurfes zur Einschränkung des Ausverlaufes. Dem Heillosen Schwindel, der von unsoliden Spekulanten dadurch getrieben wurde, daß sie eine Sandflut von Schundware zu wahren Spottpreisen auf den Markt werfen und hiemit das unerfahrene Publikum an­­fi­­­eden, das gesunde Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage stören und das Publikum verführen, nicht vom soliden Geschäftsmann gute Ware zu anständigen Breiten zu laufen — mußte ebenso sehr im Interesse der Solidität der Geschäftswelt, als in dem der Sicherheit des Publikums denn doch ein Ende gemacht werden. Die $$ 51 und 52 des Gefegentwurfes scheinen mir sehr geeignet, dies im sehr wirksamer Weise zu erreichen. Ziehen wir aus all dem Vorhergesagten die Billanze, so ergiebt sich wohl, daß der vorliegende Gefeßentwurf durchaus nicht eine epochale That, sondern ein ziemlich schwächliches Machwerk ist, voll Fehler und Lüden. Der Herr Fachminister selbst hat dies anerkannt, indem er sich bereit erklärte, zur Verbesserung und Ergänzung das seinige zu thun, und der Spiritus Rektor des Kabinetes, der Herr Minister-präsident, hat ja ziemlich deutlich durch­­­blidhen Lassen, daß dieser Gefeßentwurf nur einen Uebergangszustand schaffen sol. Ich meinerseits anerkenne, daß dieser Gefeßentwurf bei all feinen Schwächen und Halbheiten denn doch ein Schritt, wenn auch nur ein sehr Heiner zum­ Beffern ist, indem er in dem Gemerbestand Zucht und Ordnung, Bildung und fachtüchtige Arbeit wieder heimisch machen will. Al erste Etappe auf dem einzuschlagenden Wege, als Ausgangspunkt zu einer künftigen gedeihlicheren Entwicklung nehme ich somit — indem ich mir die Ein­­­bringung von Abänderungs-Vorschlägen für die Spezialdebatte vorbei halte — den­ vorliegenden Gelegentwurf zur Basis der Beratung an, und gebe hiebei der Ueberzeugung Ausdruck, daß auch im Rahmen dieses künftigen Gesehes das Beste und Wertvollste zur Hebung unseres Gewerbewesens unser tüchtiger Gewerbestand selber thun muß und tun wird. Politische Webersicht. Hermannstadt, 7. April. Die­ europäische Friedensstille wird im Augenblicke nur durch den zwischen Ungarn und Oesterreich entbrannten Krieg unterbrochen. Wir begeben uns auf den Kriegsschauplan, um unserer Pflicht als Berichterstatter zu ge­­­nügen. In der Situng des Reichstages vom 5. d. M., nachdem der Ges­­werbegelegentwurf bis einschließlich Paragraph 58 erledigt worden war, richtete Abgeordneter Graf Apponyi an das Gesamtministerium folgende Sinter=­­pellation : 1. Hat die Regierung amtliche Kenntnis von dem auf die Biedeinfuhr aus Ungar­r bezüglichen Erlaß der niederösterreichischen Statthalterei dato. 30. März 1. 3.? 2. Nachdem dieser Erlaß mit den vertragsmäßig festge­­­stellten Artikeln des zu­­recht bestehenden Zoll- und Handelsbündnisses mit Oesterreich in Widerspruch steht, frage ich: welche Schritte hat die Regierung gethan oder gedenkt sie zu thun, daß dieser Erlaß außer Kraft gefet werde? 3. Welche Verfügungen twirde die Regierung für den Fall angezeigt hab­en, wenn die Außerfraftlegung dieses Erlasses nicht zu erreichen wäre? 4. Ge­­­denkt die Regierung dem Reichstage über den Verlauf der ganzen Angelegen­­­heit zur rechten Zeit Bericht zu erstatten ? Benifleton. Theo. Bon Frances Bnrnett. (7. Fortfegung.) „Ich glaube, ja“, sagte sie ftanmelnd. „Arme Margarethe, wenn sie ihn nur hätte retten können.” „Wieso ?“" fragte er: „Ich weiß nicht — oder ich weiß es kaum, aber ich dächte, der Dichter hätte ihn auf die eine oder die andere Weise doch sie retten lassen können, wenn — wenn sie etiwas ertragen oder geopfert hätte.” „Würden Sie es gethan haben, wenn Sie gekonnt hätten ?” Denis langsam. Er war nun wieder ganz gesammelt. „I würde es gethan haben, wenn ich Margarethe ge­wesen wäre”, flüsterte Theo. In seiner Ueberraschung vergaß er sich. Er wandte si­­elöglich zu ihr um, und, als er ihren süßen harmlosen Augen begegnete, fühlte er die Schwache. Schmerzliche Erschütterung noch einmal und wunderbarer Weise war sein erster Gedanke nicht in Verbindung mit Priscilla Gomner. „Sie?” er­­­widerte er im nächsten Augenblice. „Ja, i­ glaube, Gie würden es gethan haben, Theodora.” Er war nach seiner scharfen Beobachtung völlig davon überzeugt. Was müßte das für ein glücklicher Mann sein, für den diese zärtliche junge Margarethe leiden und sich opfern könnte. Es war ihm vorher nie in den Sinn gekommen, daß Theodora North ein wahrer Schag von einem Mäd­­­chen war, aber nun wurde ihm um so Harer, was er vorher ganz übersehen hatte. Er saß neben ihr, Gig der Vorhang fiel, aber die schweigsame Stim­­­mung schien wieder über ihn gekommen zu sein. Er muß sich sehr für Margarethe interessieren, dachte Theodora. Aber es ist sehr zu bezweifeln, ob er einen Haren Bericht über den Vorgang auf der Bühne hätte geben können. Er begleitete sie nicht ins Haus hinauf, als sie zurückkehrten, aber fragte als er auf der Thürichtwelle stand und seinen Hut zum Abschied lüftete, sah er deutlich, wie Theodora oben an der Treppe, leuchtende Wellen von Roja- Atlas auf dem kostbaren Teppich um ihre Füße, sich ihm zuwandte, um ihm gute Nacht zu wünschen. Obgleich die Zukunft heiter vor ihm lag, so fühlte er doch ein gewisses Unbehagen, er wußte nicht, warum. ‚Er entließ den Wagen und ging zu Fuß in recht gebracter Stimmung. Er hatte si nie zuvor in Gedanken mit dem Mädchen beschäftigt, nur wenn der Zufall sie zusammenführte, und selbst dann hatte er sie nur einfach bewundert. Sie hatte ihm gefallen und er hatte versucht, sie zu unterhalten in harmloser, wohlwollender Weise, doch machte er ihr nie zärtliche Kompli­­­mente, d­ie neun unter zehn Männern es gethan haben würden. Er hatte sich so an Priscilla gewöhnt, daß er nie daran dachte, daß ein so junges Mädchen wie Theo auch eine Frau werden künnte. Dazu war seine Blind­­­heit nicht die Folge reichsinniger Gedankenlosigkeit. Mannigfache Erfahrun­­­gen hatten einen Weltmann aus ihm gemacht, aber sie hatten nicht vermocht, ihn zu verhärten oder gleichgiltig gegen die Annehmlichkeiten des Lebens zu machen. Niemand würde ihn für Leicht empfänglich oder für einen Enthu­­­siasten gehalten haben und doch hatte er durchaus fein Harte Herz. Er machte sich seine eigenen Gedanken über Menschen und Dinge, und viele von diesen stillen, selten ausgesprochenen Ideen waren voll von Hochachtung und Nitter­­­lichkeit für die Frauen. Eine Welt des Widerstandes würde sein Vertrauen zu Prizcilla Gomwer nicht erschüttert, noch seine Achtung vor ihr vermindert haben, aber dennoch hatte er noch nie sehr warn für sie gefühlt. Priscilla Gower und Begeisterung paßten nicht zu­­einander. Der Zufall hatte sie zusammengeführt, als sie noch sehr jung waren, und der nahe Umgang hatte in Denis Ogerthorpe'3 Lage gewirkt, was etwas anderes nicht herbeigeführt hätte. Der verz­weiflungsvolle junge Schreiber von zwanzig Jahren war bei Mit Gower der ältern zur Miete gewesen und Briscilla hatte ihm mit sieb­­­zehn Jahren sein frugales Mittagessen gebracht und seine bescheidenen wöchent­­­lichen Rechnungen quittiert. Priscilla, siebzehn Jahre alt, schweigsam und praktisch, ernst und schön, wurde unbewußt berührt von seinem oft so bleichen Aussehen — er arbeitete viel und bis spät in die Nacht hinein; als sie endlich befreundet wurden, bot er die ernste Priscilla ohne Zögern an, ihm zu helfen. Sie könne gut und deutsch abschreiben und er künne in ihrer Tante Bimmer kommen — er würde Feuerung ersparen. So half sie ihm im ruhiger und an­ ständiger Weise; mit ihrem ernsten, Schönen Gesicht saß sie oft stundenlang über sei­­­nen Papieren in den Winternächten. Man kann leicht erraten, wie die Sache endete. Wenn er Erfolg haben würde, wollte er ihn mit Prigcilla teilen — und dies sagte er ihr. Seitdem hatte er nie eine Sekunde lang in sei­­­ner Neigung gewarnt, obgleich er vielen schönen Frauen begegnet war. Er hatte standhaft um ihretwillen gearbeitet, und hatte ihr jede Sorge zu er­­­leichtern gesucht, soweit es in seiner Macht stand. Er war nun nicht mehr Mit Elisabeth Gomer'3 Mieter — er war der zukünftige Gatte ihrer Nichte. Er wollte Priscilla Gower in acht Monaten heiraten. Und daher kam es, daß Theodora North’s Erscheinung in glänzendem rosa Atlas ein plößlich aufsteigendes schmerzliches Gefühl in ihm erregte. Zweimal hatte er während eines Abends sein Auge auf das sechzehnjährige Mädchen gerichtet und hatte eine plößliche warme Erregung empfunden. Er war bestürzt und niedergebeugt. Sie war nicht berechtigt, ihm solche Bewunderung abzuge­­­winnen , und er war unberechtigt, ihr eine solche zu zollen. Aber der Gang der die Nahtluft kühlte ihn etivad ab und gleichzeitig auch den Eifer seiner Selbstprüfung. Seine Unzufriedenheit hatte sich ge­­­mäßigt, al er seine Wohnung erreichte. Der Ausbruch des Gesichts, das ihn von der Treppe aus angesehen hatte, war verblaßt — er war nur zwieder das Gesicht eines jungen Mädchens. Er war zufriedener mit si) und seine Schwäche erschien ihm weniger furchtbar. „Ich will mein Versprechen morgen halten”, sagte er, „und Priscilla soll mit uns gehen. Arme Briscilla! Rosa-Allas würde kaum für Brooms Street passen. Dies Versprechen war nur die Bekräftigung eines früheren. Sie wollten zusammen die Löwen sehen, und Briscilla sollte sie führen. Und als der Morgen kam, fand er es dennoch sicher und angenehm. Theodora’s Heine behandschuhte Hand unter seinen Arm zu nehmen, um die Erforschungs- und Entdeckungstour anzutreten. Sie war auch schon Hübsch genug in ihrem weichen, Schwarzen Merino — ihr bestes­ Kleid in Domenport — aber sie blendete nicht. Der kleine runde Hut mit­ der schwarzen Feder­­­

Next