Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1892. Januar (Jahrgang 19, nr. 5492-5516)

1892-01-15 / nr. 5502

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Der vulgäre Liberalismus trifft mit dem Ultramontanismus strengster Ob» ferrang in der Forderung zusammen, daß Kirche und Staat völlig zu trennen seien, der eine, um von oben herab die kirchlichen Einflüsse zu eliminieren, der andere, um von unten hinauf schließlich das Gesamtleben der Individuen und der Völker in voller Abhängigkeit von geistlichen Motiven zu sehen. Der zuversichtliche Hochmut, mit dem die einen sich über die Thatsache des reellen, berechtigten und notwendigen Einflusses religiöser Gesichtspunkte bei der Er­­­ziehung des Menschengeschlechtes hinwegfegen, wird nur übertroffen durch jenen anderen. Daniel, der den Staat al ein zeitliches Uebel betrachtet und ihn nur “gelten lassen will, soweit er sie zum Diener der Kirche hergiebt. ein Historiker liegt die Frage anders. Er weiß, daß, so lange die Welt steht, im Singen geistlicher und weltlicher Interessen, kirchlicher und staatlicher Machtfragen die Menschheit sich heranbildete; daß in diesem Kampfe das sittliche Niveau der Gesamtheit immer am tiefsten stand, so das entschiedene Webergewicht de3 einen Faktor den anderen nicht zur Gel­­­tung kommen ließ und daß im friedlichen Nebeneinander beider das Heil des Ganzen ruht. Auf deutschem Boden hat man ss allmählich durchgerungen zu dem Standpunkte, den Fürst Bismarc in einer Rede vom 26. Mai 1889 als den verfassungsmäßigen für Preußen bezeichnete, zum Standpunkt der vollen Freiheit der Kirche in kirchlichen Dingen und der entschiedenen Abwehr jedes Uebergriffes auf das staatliche Gebiet. Es kann sich heute dort nur noch um Grenzstreitigkeiten handeln, und das ist gut, denn nur auf diesem Boden kann das föstlichste aller Güter, die Freiheit der Gemissen, erleichen. Auch sol hier nicht von Deutschland geredet werden, überhaupt nicht vom Abendlande, das — wenn auch zum Teil widerwillig — auf dem Boden der Gewisensfreiheit steht. Anders aber Liegt die Frage in Rußland, und da gerade jegt dort die bedenkliche Lehre zur Geltung gelangt, daß die Macht­­­mittel des Staates der Kirche beizuspringen haben, damit sie einer Konfession in jenem halb orientalischen Hundertmillionenreiche zur ausschließlichen Herrschaft verhelfe, während andererseits die Kirche sich zum Werkzeuge des national assimilierenden Staates hergiebt, wird es für jeden Politiker notwendig, sie den Zusammenhang und die wahrscheinlichen Folgen klarzulegen, welche diese ungeheuerliche Entwicklung nach sich ziehen muß. In dem Bericht des Ober­­­prokurators des heiligen Synod, Poberonoszew, ist vor einigen Tagen die rus­­­sische Antwort auf die Frage über das Verhältnis von Religion und Polität erschienen, und das Abendland wird gut thun, den darin niedergelegten Theorien sein Augenmerk zuzumenden. Es ist das umso notwendiger, als die offizielle Kundgebung sofort einen berufenen Kommentar dur­ das Medium der rus­­­sischen „Moskauer Zeitung“ gefunden hat, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. i­­ai Herr Oberprokurator beginnt mit einer Analyse der russischen Volfz­­­seele, an der sein Scharfbild allerdings auch einige Unvolk­ommenheiten ent­­­deckt, die der christlichen Moral unwidersprechen, die aber dafür die schöne Fähig­­­keit befige, bei dem ersten stärkeren Ein­wir­en der göttlichen Gnade einer mo­­­ralischen Wiedergeburt fähig zu sein. Diese Eigenschaft und weiterhin die all­­­gemeine Unwissenheit der Auffen über die Lehren der christlichen Religion (beiläufig bemerkt, ein bemerkenswertes Zugeständnis) werden durch Die Sur­­lehrer ausgenügt, um das Voll dem rechten Glauben abspenstig zu machen. Am gefährlichsten seien die Serten rationalistischen Charakters, die sich unter dem Einfluß des Protestantismus entwickelten, die Baptisten, Stundisten und PVaschkowianer, die genauer charakterisiert werden, um daran den Schluß zu knüpfen, daß es notwendig sei, nicht nur auf das Bosf, sondern auch auf die Sestierer zu wirfen und diese in den Schoß der orthodoxen Kirche zurückzu­­­führen. Der Herr Profurator hat es dann für nötig gefunden, seine berüchtigte Antwort an den Präsidenten der Evangelischen Allianz, auf die seiner Zeit Pastor Dalton so treffend entgegnet hatte, wiederum zu veröffentlichen, um die unerhörten Grundlage ruffischen religiösen Hochmutes noch einmal vor aller Welt zu proklamieren. Er behauptet den Standpunkt, „in Rußland sei nur die orthodorsruffische Kirche berechtigt, sie auszubreiten, jede andere Religion oder Konfesion ziehe die Söhne des russischen Volkes in die Steife eines fremden und feindlichen geistigen und moralischen Empfindens und Bewußtseins“. Keine Konfessionstoleranz, denn unter ihrer Masse lebe das Prinzip der reli­­­giösen Imdifferenz, die den Keim aller Uebel in fi) trage! Der Herr Ober­­­prokurator teilt gleichzeitig mit, daß es im Jahre 1888 — die neuesten Daten liegen noch) nicht vor — gelungen sei, 21.112 Seelen der griechischen Kirche zurüczugewinnen, darunter 6425 Katholiken, 1660 Lutheraner, 797 Juden u... w. Geviß, ein ganz anständiger Erfolg — soweit mit sittlichem Ans­­stande zur Erreichung desselben Hingearbeitet worden ist. Aber wer rennt nicht die Mittel, mit denen die griechische Kirche arbeitet, und wie gering ist schließlich diese Zahl im Vergleich zur Gesamtzahl der Andersgläubigen — nach niedrigster Schägung 30 Millionen, wie gering namentlich, wenn man noch die 5444 Tschechen in Abzug bringt, die in Wolhynien von der katho­­­lischen zur griechischen Kirche übertraten, um ihren frü­hen russischen­­­ Patrio­­­tismus zu beweisen! Doch dem sei, wie ihm wolle! CS mag auch die Frage unbean­twortet bleiben, wieviel Nuffen griechischer Konfession in eben diesem Jahre 1888 in die verschiedenen Sekten übergegangen sind, gegen die der Prokurator eifert. Niemand wagt sie zu zählen und im­­nteresse der Abgefallenen Tiegt­­e, ein Geheimnis aus der Thatsache zu machen. Wir wissen aber aus guter Duelle, daß namentlich der Stundismus in Südrußland ganz erhebliche Fortschritte gemacht hat und daß troß aller staatlichen Machtmittel und troß aller Prämien, die sie auslegt, die orthodogieruffische Geistlichkeit seineswegs im jtande ist, den Kampf mit den überzeugten Anhängern fremder Kulte zu führen. Weit wichtiger sind die Schlüffe, welche die „Moskauer Zeitung“ daraus zieht. Ein überzeugter Christ, jagt das Organ des xussischen Banflavismus, darf seineswegs die Toleranz bis zur Iudifferenz treiben. Die religiöse Wahrheit sei nicht problematisch und es sei daher Pflicht, die Wahrheit der Orthodoxie auch denen zu eigen zu geben, „die sie noch nicht erfannt hätten.“ Es weisen alle politischen Erwägungen ebenso wie die religiösen darauf hin, daß es Bürgerpflicht sei, einen quantitativen und qualitativen Triumph der Orthodoxie zu erstreben und dahin zu wirken, daß der orthodoxe Glaube nicht nur unter der Stammbevölkerung sich festige,, sondern auch immer größere und­ weitere Schichten der Fremdgläubigen ergreife. So sei jegliche Unterftügung der orthodoxen Propaganda durchaus erforderlich. Nur das orthodoxe Rußland führe die Splitter früherer Staaten und Nationalitäten zur russischen Einheit. Diese Thatsache allein werde genügen, eine volle Toleranz als einen politischen Fehler erscheinen zu lassen. Gerade jegt sei ed ein brennendes­­nteresse des russischen Staates, die nationalen Heiligtümer ungeschmälert zu erhalten u.­­­. w. Nachdem endlich die „Petersburger Periode“ überwunden sei, gelte heute der Grundlag vollster Solidarität von Kirche und Staat, und das russische Vort feiere in dieser Einheit seine nationale Wiedergeburt. Nur eines bleibe noch übrig: auch das Denken der Gebildeten müsse sich frei machen von den liberalen Sophismen der Aufklärung, dann würden die Männer, von denen die Initiative zu dieser Bewegung ausging, einen Plad finden neben den „großen Sammlern“ Rußlands. Entkleiden wir diese begeisterten Phrasen ihres Umwurfes, so tritt zweierlei zu Tage: einmal, daß eine Periode verstärkter religiöser Propaganda in Rußland wider alle A­ndersgläubigen bevorsteht. Katholiken, Protestanten, Secu­rer, Muhamedaner und Heiden — sie fallen in den russischen Ans­­chauungen in eins zusammen, wie denn der gemeine Mann noch heute alle Andersgläubigen „Uncristen“, niechristi, nennt. Zweitens aber, daß diese Propaganda den Zweren der nationalen Berschmelzung der fremden Bolfg­­­und Grantensplitter dienen sol, und daß Staat und Kirche in Rußland nicht eher zu ruhen entschlossen sind, als bis die Begriffe Deutsche, Zinländer, Polen durch die Bande der russisch machenden Kirche übergegangen sind in die große Einheit des orthodoxen Slawentums. Nun sind das freilich Dinge, die sich innerhalb der russischen Grenz­­­pfähle abspielen, und wir sind ja belehrt worden, daß sie uns nichts kümmern sollen. Wir wollen heute mit der Theorie nicht rechten, weil es praftlich sehr notwendig sein kan, nicht zu schreien, wo man nicht Helfen kann, oder will, aber die Sache hat doch auch ihre allgemeine politische Bedeutung. Dieses auf religiöse und nationale Einheitlichkeit hinarbeitende russische Reich fest fie das weitere Ziel, die gesamte Slavenwelt zusammenzufassen. Sollte es da nicht wohlgethan sein, jene Slaven, die noch nicht das Glück haben, wie die 5444 molhynischen Tichehen zu Vorblutraffen umgemodelt zu sein, darauf Hinzumeisen, welches die Opfer sind, die sie zu bringen haben, um dieses Heil teilhaftig zu werden? Und fünnen andere Staaten, die selbst Millionen von Slaven zählen, oder gar ganz flaviich sind, es dulden, daß die Propaganda freiwilliger und getaufter rufsischer Emissäre das Werk der Zukunft vorbereitet ? Das Manifest des Oberprokurators und die Aufnahme, die er in Ruß­­­land findet, sollte ein Weltruf sein für alle diejenigen, die in der fünftigen Einigung Rußland zu einem nationalen und religiössen Ganzen eine Gefahr für ihre eigene Existenz zu erkennen haben. Das ungeheuerliche Bündnis, das dort Staat und Kirche geschlossen haben, um den Andersgläubigen ihren Glauben, den Andersredenden ihre Sprache, den Andersdenkenden ihre Ge­­­danken zu nehmen, ist nicht nur ein roher­­­ Protest gegen die allgemeinen Er­­­rungenschaften europäischer Kultur, es ist zugleich eine Gefahr der Zukunft, auf die nicht ernst genug Hingewiesen werden kan. « Politische Uebersicht. Herm­annstadt,14.Januar. Apponyis publizistische Organe sind eifrig bemüht,alle Reste des Zweifels zu zerstreuen,daß die derzeitigen Bestrebungen des Grafen und seiner Nationalpartei nichts weiter sind,als eine Kriegserklärung wider den 1867er Ausgleich.Das Apponyi’sche Leiborgan,,,Pesti Naplo«,kennzeichnet den Unterschied zwischen Apponyis Nationalpartei und der Regierungspartei ganz kurz dahin,daß es letztere die»österreichische«Partei nennt,und ganz genau so,wie einst Kossuths Blätter,schreibt das Apponyi’sche Organ:»Apponyi pflanzte die Fahne auf,welche die Aufschrift trägt:,Freiheit,Ungartum,Glück«. Die liberale Partei der schwarz-gelben Fahnen zieht unter den Klängen deB ,Gotterhalte«in den Wahlkampf mit dem Wahlspruche­,Gemeinsamkeit, Knechtschaft und Armut. Graprponyi muß einsehen,daß seine Redekunst und seine»staats­­­männische«Befähigung ihm keine Aussicht auf Erfolg eröffnen,sonst würde er nicht zu solchen Mitteln der Verhetzung greifen und greifen lassen.Aber auch damit wird er scheitern.Die Nation ist nicht blind gewesen für alle seine Sprünge und seinen häufigen kühnen Toilettenwechsel Sehr bezeichnend sagt sogar das Blatt der äußersten Linken,»Egyetertes«,—das in Apponyis Manifest einen Triumph der Kossuth’schenneen begrüßt—daß diesem Mani­­­feste der,,Stempel des Fatums der Apponyi’schen Partei«­aufgedrückt sei. In der That,den Apponyi’schen Bestrebungen winkt auch diesmal keine Hoffnung.Es wird und muß­ sich in Ungarn gegen ein derartiges Hazardieren mit den Heiligste Interessen des Landes die Reaktion geltend machen,schon zeigt sich manches Symptom derselben und wäre dringend zu wünschen,daß den­­­selben zielbewußt,systematisch und opferfreudig Vorschub geleistet würde. Eines dieser Symptome wird dem genannten Hauptorgane des Grafen Apponyi in für ihn recht charakteristischer Weise glossiert. Er schreibt nämlich: „Das Häuflein der Aristokraten. Szapary will im Parlamente eine Leibgarde aus den jüngeren Aristokraten um fi) sammeln, die er im großer Zahl zu Kandidaten engagierte. In den Reihen der so zu freierenden Garde sehen wir schon die vier Grafen Andrasfy (Geza, Alexander, Theodor und Julius), Ladislaus Szapary, den man aus London aus dem diplomatischen Dienst­­e s- Benilleton. Und vergied uns unsere Haduld | Roman von Georg Höder, (70. Fortlegung.) „Und ich glaube es nicht... . der Mann, dem ich angehört habe mit Leib und Seele, er kann sein Teufel in jenen Stunden des Glückes gewesen etwa 2 „Bleiben Sie figen und reden Sie nicht so trag . . . Sie scheinen mir immer noch zu zweifeln; er thut mir leid, daß sie nicht Englisch ver­­­stehen, sonst würde dies Dokument hier“ — damit 309 er eine Lebertasche aus feinem schwarzen Rode und entnahm dieser sein schon vergilbt ausschauendes Dokument : „Sie überzeugen. SIndeffen werden Sie Ihren eigenen Namen wohl wenigstens sesen künnen . . . bitte, da lesen Sie!” Dabei stand er von feinem Sessel auf und hielt dem jungen Weibe das bestempelte Dokument vor die Augen. Vennchen blickte kaum darauf­­hin. Sie hatte flüchtig ihren­ eigenen Namen erspäht und durch ihren Sinn war die Erinnerung an jene heilige Glückesstunde gerucht, in welcher sie das inhaltsreiche Dokument unterschrieben hatte. Sa, es ist wahr, was dieser unheimliche Mensch mit den Fast blickenden Augen ihr vorjagte . . . es muß Wahr sein, jeßt glaube sie es! Wie hätte Wolf sonst so treulos sie verlassen können, wenn sie vor Gott und Menschen wirklich sein Weib gewesen wäre? est wußte sie mit einem Dale, wer sie war, und welche Zukunft ihrem Kinde bevorstand . . . sie sehnte sich er­­­schauernd in ihren Geisel zurück und schloß, wie von einem Schwindel über­­­wältigt, die Augen. Wenn der Kammerdiener auch ahnen konnte, was in dem f­orgen­­­gequälten Herzen des jungen Weibes vorging, so nahm er anscheinend seine Notiz davon. Gemessen faltete er das Dokument wieder zusammen und ver­­­leibte es seiner Brieftasche ein, dann seßte er sich auf seinen Plan zurück. „Ich glaube, jett sind Sie vernünftig, schöne Iran“, bemerkte er haltblütig. „Sie müssen sich in das unvermeidliche shieen und werden sicherlich erraten haben, daß ich eigentlich der beglüdte rechtmäßige Beleger Ihrer holden P­ersönlichkeit bin . . , aber ich verzichte, verehrte Frau“, fegte er mit einem faunischen Lägeln Hinzu . . . Beruhigen Sie si nur, wir sehen und heute hoffentlich zum legten Male!“ Die leidenschaftliche Erregung des jungen Weibes war wieder einer matten, todesähnlichen Abspannung gefolgt. „Ich bin so müde, so entjeglich müde... . bitte lasfen Sie mich allein!” flehte sie mit gebrochener Stimme. „Meine Mission ist bald erfüllt!“ verlegte der Kammerdiener faltblütig, „in seiner Großmut will mein Herr bi an­­hr Lebensende für sie orgen !” Bi „Er wird er nicht nötig haben”, stammelte das fassungslose Weib. „Bah, das sind Phrasen“, hohnlächelte Franz. „Um aber zu meiner Aufgabe zurückzukommen, habe ich Ihnen zu erklären, daß mein Herr von Ihnen verlangt, daß Sie niemals wieder in Ihre Heimat zurückkehren, sondern in diesem Häuschen oder an jedem anderen Orte unter dem Ihnen rechtmäßig gebührenden Namen einer Frau Schmidt leben und erforderlichenfall auch vor Gericht die Wahrheit, wie sie Ihnen Heute mitgeteilt worden ist, ans­­erkennen. „Mein junger Herr verlangt ferner von Ihnen“, fuhr der Kammer­­­diener fort, „daß Sie solchenfalls ihn thunlichst Schonen und weder seinen Namen, noch die Beziehungen, welche er Ihnen gegenüber unterhalten wird, in die Oeffentlichkeit bringen.“ „D­­­er braucht nichts zu fürchten ... . nichts . . . nichts", schrie das junge Weib leidenschaftlich auf, während er verzweifelt die Hände rang. „So würde mich schämen vor mir und meinem Gott, wenn ich seinen entjeglichen Namen nur wo ein einziges Mal über die Lippen brächte . . ." „Ich bin ferner ermächtigt, Ihnen mitzuteilen, daß dieses Haus hier käuflich für Sie erworben und auf Ihren Namen eingetragen wird .. . im übrigen haben Sie eine S Jahresrente von zweitausend Mark zu beanspruchen .. . hier ist die erste Vierteljahresrente!" Dabei öffnete er wieder sein Taschenbuch und legte eine Banknote auf den Tisch. Zugleich war er aufgestanden und griff nach dem Hute. „Ich deine morgen wieder abzureisen. Sie haben vielleicht die Güte, mich morgen no einmal zu empfangen, wir werden dann die Punkte des zwischen uns ab­­­geschloffenen Vertrages schriftlich aufregen und werde ein Exemplar des leßteren meinem Hören mitbringen ... . Sie sehen also, es ist lediglich geschäftlicher Handel . . . empfehle mich!“ Dabei ging er, ohne noch­ einen Biid auf das junge, verzweifelte Weib zurückzumerfen, dem seine Worte den Todesstoß verlegt hatten. Durch Stunden blieb Aennchen bewegungslos auf ihrem Stuhle eigen, ein Bild völligster Verzweiflung. Dann schleppte sie sie mit müden, schwan­­­fenden Schritten nach der Nebenstube, wo ihr kleiner Knabe eben aus wohligem Schlummer erwacht war und freudig lachend nach der Mutter schrie. Dort, vor der Wiege angekommen, tant Vennchen auf die Ansee nieder und vergrub ihr Angesicht in das schneeige Sinnen des Heinen Bettchens. „Mein Kind, ‚mein armes Kind!“ Das war alle, was sie hervors bringen konnte. Und wieder lag sie eine Weile regungslos da, sie hörte nicht das Lauchzen, nicht das tägliche Weinen des Kindes . . . sie fühlte nicht, wie die Stunden mit ehernem Flügelschlage vorüberrauschten . . . sie wußte nur das eine, daß sie tief unglücklich war. „Bart... um Gottes Willen fort!" Das war der einzige Aufschrei, der ihr foltergequältes Herz durchzitterte. Fort aus diesem Haus, in dem sie das höchste Himmelsglüd zu finden gehofft und in dem sie nur Verrat und Untergang gefunden hatte. Aber wohin? . . . Heim durfte sie nicht. Dennoch aber empfand sie eine so namenlose Sehnsucht nach der trauten Heimat, in welcher die ernsten, hohen Tannen rauschten und die kurzen, munteren Waldbäche dahinströmten, „Heim! heim!” schrie er in ihrem gequälten Herzen auf. Und da sah sie plöglich vor ihrem geistigen Blicfe eine Hohe, männliche Gestalt stehen, die sie mit treuen, gutmeinenden Augen anfchaute: „Martin! flüsterte das unglückelige Weib instinktiv vor si Bin, Durch Jahr und Tag hatte sie an ihren einstigen Spielgefährten, dem sie vielleicht das Herz durch ihre Flucht gebrochen, nicht mehr gedacht. Zebt­­k­­­a stieg die hohe, männliche Gestalt des treuen Martin wieder vor ihr auf. „Heim... ja heim!“ schluchzte sie fassungslos auf und zog mit stürmischer Gewalt ihren Knaben an die Brust.

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