Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1893. Januar (Jahrgang 20, nr. 5796-5820)

1893-01-15 / nr. 5807

Yedat­tion und A Administration Heltauergasse 28. Erscheint mit Ausnahme des auf HSonn- und Feiertage folgenden W­ochentages täglich. Abonnement für Hermannstadt: monatlich 85 Er., vierteljährlich 2 fl. 50 fl., Halb­­jährig 5 fl, ganzjährig 10 fl. ohne Zustellung in’3 Haus, mit Zustellung 1l., 3 fl., 6 fl., 12 fl Abonnement mit Postversendung: Für das Inland: bierteljährig 3 fl. 50 Er., Halbjährig 7 fl., ganze jährig 14 fl. Für das Ausland: bierteljährig 7 AM. oder 10 Fres., halbjährig 14 AM. oder 20 a ganzjährig 23 AM. oder Tc8 Eine einzelne Nummer Fortet 5 fl. d. W. Unfranlirte Briefe werden nicht angenommen, Manuskripte nicht zurückgestellt. . Nr. 5807. XX. Jahrgang > Siehenbürgifch Hermannftadt, Sonntag 15. Jamıar Bias he i ! . an Pränumerationen und Anferate übernehmen außer dem Hauptbureau, Heltauer­­gasse Nr. 23, in Kronstadt Heinrich Zeidner, H. Dresswandt’s Nachfolger, Mediasch Johann Hedrich’s Erben, Schässburg Carl Herrmann, Bistritz G. Wachsmann, Sächsisch-Regen Carl Fronius, Mühlbach Josef Wagner, Kaufmann, Broos Paul Batzoni, Lehrer, Wien Otto Maas (Haasenstein & Vogler), Rudolf Mosse, A. Opelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Dannen­berg, Budapest A. V. Goldberger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co., Hamburg Adolf Steiner, Karoly­n Liebmann. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmonbzeile fostet beim einmaligen Einraden 7 Tr., das zweites mal je 6 kr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­clusive der Stempelgebühr von je 30 fr. 1895. Die ungarische Hofhaltung. Budapest, 10. Januar. (Schluß.) Ministerpräsident Weierle: Meine Rede, die nicht lang werden soll, beginne ich mit der Erklärung, daß es schon wegen der Wichtigkeit und Würde des Gegenstandes sehr wünsc­henswert wäre . Hoilig: Einen anderen Referenten zu haben. Ministerpräsident Weierle: Entschuldigen Sie, ich will nicht Kritik üben. E38 wäre wünschenswert, uns streng an die Sache zu halten und sie gründlich zu erörtern. (Zustimmung rechts.) ‚Darum werde ich mir in die Beurteilung der Loyalität einzelner nicht einlassen, denn ich bin überzeugt, daß die Loyalität bei uns in der That aufrichtig ist und schon vermöge des Gemeingefühles der Nation eine aufrichtige sein muß. (Lebhafte Zustimmung.) Ich werde auch einzelne, erst in jüngster Zeit abgeschlossene Blätter der Ge­­schichte nicht wieder aufschlagen, weil es bezüglich derselben Meinungsverschieden­­heiten geben kann, wir aber hier, an der Hand der Parlamentsverhandlungen, seine Gelegenheit haben, die über jene geschichtlichen Ereignisse etwa auftauchenden Meinungsverschiedenheiten zu Mären. ch bleibe daher streng bei der Hof­haltung. (Hört! Hört!) Der Ministerpräsident erklärte Hierauf, er habe seinen hierauf bezüglichen Standpunkt Schon gestern dargelegt; er denke bei der Rege­­lung der Hofhaltung nicht an eine gesonderte Hofhaltung; dann fuhr der Redner fort: Schon vor zwei Jahren, wenn ich mich recht erinnere, als der Abgeordnete Helfy die Beispiele des englischen und des italienischen Hofes vor­­brachte, erlaubte ich mir, darauf hinzuweisen, daß dort die Verhältnisse anders geartet sind, als bei uns. Wir mi­ssen damit rechnen, daß unser König auch der verfassungsmäßige Fürst eines anderen Landes ist und daß, wenn wir eine auch in der inneren Einrichtung getrennte Hofhaltung errichten, die even­­tuell auch informative Agenden erledigen soll — was ich nicht fr gestattet hab­e (lebhafte Zustimmung) — dann die Hofhaltung auc anderemo so ein­­gerichtet würde, und wir mürden dann darin seine Garantie der Berfaffung finden, sondern würden den Monarchen voraus nicht berechenbaren Einflüssen ausseten. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Ich sagte schon vor zwei Jahren, daß die Regierung auch bezüglich der inneren Einrichtung der Hofhaltung eine getwiffe verfassungsmäßige Verantwortlichkeit trifft, aber die Grenze dieser ver­­fassungsmäßigen Verantwortlichkeit ziehe ich — wie damals so au heute — so, daß wir dahin streben und dafür Garantien bieten müssen, daß der innere Hof, welcher die Person Sr. Majestät umgiebt und in gewisser Hinsicht den P­rivathof bildet, nicht ein Hort und Treibhaus für solche Tendenzen sein soll, welche gegen die­­Verfassung und den Dualismus gerichtet sind, sondern daß derselbe unserem verfassungsmäßigen Leben und unseren nationalen Apirationen Rechnung tragen sol. (Lebhafte Elfenrufe rechts.) Der Abgeordnete Ugron hat heute noch eine zweite Frage aufgeworfen. Sie betrifft die Erbfolgeordnung. Er meint, sie sei bei uns nicht so weit ge­ Härt, daß die gefegliche Regelung derselben nicht wünschenswert, nicht notwendig wäre. Diesem Teile der Aeußerung des Herrn Abgeordneten kann ich nicht zustimmen; denn ich glaube, daß der 2. Gesekartitel von 1723 und im be­­sonderen der $ 7 desselben durchaus einen Zweifel darüber bestehen läßt, wie die Erbfolgeordnung bei uns beschaffen it (Bustimmung rect3); wie ich denn auch darauf verweisen­ann, daß seit dem mehr als hundertjährigen Bestande dieses Geseßes in dieser Hinsicht niemald ein Zweifel oder eine Diskussion über diese Auffassung vorgekommen ist. (Sp ift’S­ vedgts.) Ich erkenne übrigens an, daß die Erbfolgeordnung in unser Gefegbuch nicht mit all ihren Klauseln­ und Details aufgenommen wurde, sondern daß dies nur mit einem Hinweis auf ein anderes Normativ, ich möchte sagen, auf ein Hausnormativ geschah, dessen Bestimmungen, ohne rarativ aufgezählt zu sein, durch unser Geieg mittelbar rezipiert wurden. Dies ist mein Standpunkt in der einen Frage. Der Abge­­ordnete Ugron hat jedoch auch von der Evidenzhaltung der Erbfolgeordnung gesprochen. In dieser Hinsicht will ich zugeben, daß die Erbfolgeordnung for­­mell heute nicht durch einen Konstitutionellen Faktor in Evidenz gehalten wird, und zwar deshalb nicht, weil der gemeinsame Minister des Aeußeren, der als Minister des Kaiserlichen Hauses nicht als gemeinsamer Minister betrachtet werden kann, insofern er im dieser seiner Eigenschaft — dies gebe ich zu — nicht unter konstitutionellem Einflusse, nit unter konstitutioneller Kontrolle steht. Diese Frage hat gerade der Herr Abgeordnete vor ein bis zwei Jahren aufgetroffen. Ich habe meinerseits diese Frage zum Gegenstande des Studiums gemacht. Ich halte sie auch für ernst und darum muß sie auch den Gegenstand von Studien bilden. Sie muß entsprechend vorbereitet und bei gegebener Ge­­­egenheit auch gelöst werden. (Lebhafte Zustimmung.) Die Frage ist viel wichtiger, al daß ich derselben gegenüber heute schon definitiv Stellung nehmen könnte. Solche Fragen müssen in allen Details auf das Gründlichste vorbereitet werden, so daß seinerlei Schatten, Zweifel oder Mißverständnis an dieselben heranreichen sol. (So ist’s! rechts.) Zweitens muß bei diesen Fragen der Standpunkt geltend gemacht werden, daß wir hier nicht die Verwirklichung neuer Ideen, neuer Strömungen, neuer Forderungen wünscen, sondern, daß wir dies so regeln wollen, wie Dies in unseren Ge­­fegen, jeden Zweifel ausschließend, festgestell ist. (Lebhafte Zustimmung.) Da ich in solchen Fragen von diesem Plage aus ohne entsprechende Borstudien seinen endgültigen Standpunkt einnehmen kan, und weil ich andererseits glaube, daß Gott sei Dank die Frage der Thronfolge bei uns eine solche ist, daß diese Fragen in absehbarer Zeit seinen akuten Charakter haben werden, somit sein Grund zu einer übereilten Verhandlung oder Beichlußfassung vorliegt, bitte ich den Heren Abgeordneten, sich nicht daran zu flammern, daß sein Beichlußantrag noch heute angenommen werden solle. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Gabriel Ugron würdigte die Argumente des Ministerpräsidenten und zog seinen Antrag zurück. Nun war noch Bazmandy zu einer Schlußrede berechtigt. Vorerst mißbilligte er die Heußerungen des Referenten, denn was er ausführte, sei in der Finanzkommission nicht vorgenommen; als Referent habe er nur die An­­sichten und Anträge der Finanzkommission zu vertreten. E 3 sei aus der Rede des Ministerpräsidenten ar zu entnehmen, daß derselbe seine gesonderte unga­­rische Hofhaltung wolle, sondern nur die­jenige mit irgend­einem ungarischen Aufpuße versehen wolle. Redner halte daher seinen Antrag aufrecht. (Beifall der äußersten Linken.) Nachdem noch A3both erwidert hatte, daß er als Abgeordneter auch auf dem Referentensite das Recht habe, seine individuelle Ansicht auszusprechen, erfolgte die Abstimmung, bei welcher das Präliminare des Kapitels „Künigliche Hofhaltung“ von der Majorität votiert wurde. Es folgte nun das zweite Kapitel: „Kabinetskanzlei Sr. Majestät, vom Gesamtbedarf die Hälfte: 73.000 fl.“ Hierauf leste Bolonyi auseinander, daß für die Kabinetskanzlei sein Minister, niemand verantwortlich, daß somit diese Kanzlei keine verfassungs­­mäßige Institution se­ &$ gebe dort nur drei ungarische Beamte, die Er­­nennung der Beamten erfolge im­ Wege des Oberhofmarschallamtes, der in der Kabinetskanzlei fungierende Sektionschef Papay genieße beim König großen Einfluß ohne jede Ueberwachung von Seite der Regierung, was ebenfalls in­­konstitutionell sei. Troßdem nach dem Gefege von 1848 die Verleihung von Titeln zum Wirkungskreise des Ministers am kön. Hoflager gehöre, werden doch die Hoflieferantentitel ohne dessen Intervention vom Obersthofmeisteramte bewilligt. Die dafür einfließenden Gebühren gelangen in den Hoftiteltagenfond (große Heiterkeit), wie jedoch Dieses Geld verwendet werde, bei der Legislative nicht bekannt. Er verlangte schließlich, daß die Angelegenheit der Kabinetskanzlei dargestelt und verfassungsmäßig geregelt werde. Julius Horvath billigte diesen Berlangen besonders von dem Stand» punkte aus, daß der Mongrech nur von Ungaren, namentlich vom Minister am fön. Hoflager informiert werden sollte; der mebtere aber künne manchmal selbst Wochen lang nicht zu Sr. Majestät gelangen. Dann kehrte sich der Redner gegen den Referenten. Dieser solle hier nur die Ansichten der Finanzkommission vertreten, keineswegs aber Verdächtigungen aussprechen, von denen man nicht recht twisje, gegen wen sie gemünzt seien. Im ungarischen Parlamente gebe es feine Individuen oder Parteien und habe es feine gegeben, die dem K­önig die phrygische Mitte aufregen wollten, zum schließlich den Monarchen zu Töpfen. Alsboth möge auf eigene Rechnung, nicht als Referent sprechen, aber hier dürfe man solche Sachen gar nicht sagen. Man muß gegen diese Aeußerung sofort protestieren, damit unsere Feinde sie nicht auswügen können. (Lehafter Beifall der Opposition.) Ministerpräsident Weierle antwortete dem Abgeordneten Polonyi, das Erfordernis der Kabinetskanzlei werde auf Grund der 2A-jährigen Rechtsgepflo­­genheit, ferner als Ergänzung der Kosten für die königliche Hofhaltung ins Budget aufgenommen. Der legtere Umsstand motiviere es auch, daß dieses Er­­fordernis von der ministeriellen Verantwortlichkeit ausgenommen ist. Wem das nicht genüge, der könnte ja am Ende an­fordern, daß man die Art und Weise der Hofhaltungskosten ins Budget aufnehme. Die Kabinettkanzlei übe s einen unbefugten Einfluß. Privatinformationen könne der Monarch zweder immer einziehen, das sei sein Recht, aber in ungarischen Staatsangelegenheiten gehe jede Information, jeder Entwurf, jeder Vorschlag, sowie auch der Antrag,­­wie die Entscheidung Sr. Majestät ausfallen möge, von der verantwortlichen Regierung aus. Der Ministerpräsident hob die außerordentliche, aufopfernde Thätigkeit des Königs hervor (Stürmische Elfenrufe), welche­­s der Kabinets­­kanzlei als Hilfsmittel bediene. Schließlich bemerkte der Ministerpräsident, er habe im Einvernehmen mit dem ganzen K­abinet den Grafen Ludwig Tika aufgefordert, da Ministerium am Küniglichen Hoflager zu übernehmen. (Heiter­­keit und Rufe der Opposition: Das war seine glückiche Wahl!), weil Redner einen Mann suchte, der in seinem ganzen Leben die Wahrheit sagte und a­n die Wahrheit sagen werde. Hier und dort.­­Lebhafte Elfenrufe rechts. Minister Graf Tipa erklärte, er werde von Sr. Majestät empfangen, so oft es nötig sei. Die Verleihung von Hoflieferanten-Titeln sei nicht feine Sache, die aus Ungarn einfließenden Tagen werden vom Budapester Handels­­museum verwendet und verrechnet. Das Haus dotierte nun das Präliminare, worauf die Sigung für­ vor zwei Uhr geschlossen wurde. Auf dem ungariigen Reichstag, Budapest, 11. Januar, Präsident Baron Banffy eröffnete die Sagung um Halb 11 Uhr mit der Anmeldung der eingelangten Petitionen, unter welchen sich auf die Peti­­tion des jüngst in Budapest abgehaltenen Kongresses der Professoren an den staatlichen Mittelschulen befindet. Der Abgeordnete Graf Ludwig Tipa, gegen dessen Wahl im Laufe von 30 Tagen seine Petition einlangte, wurde definitiv, die Abgeordneten Graf Julius Andrasfy und Ludwig Miller wurden mit dreis­tägigem Vorbehalte verifiziert. Schriftführer Esterhazy zeigte an, daß der Abgeordnete Bolonyi für den Schluß der Situng eine Interpellation in An­­gelegenheit der „Mißbräuche der Budapester deutschen Zeitungen” angemeldet habe. Das Haus sette sodann die Spezialberatung des Budgets beim Kapitel „Reichstag“ fort. Ludwig Hollo gab zu, daß das Abgeordnetenhaus viel Zeit durch die staatsrechtlichen Debatten verliere, aber daran sei nicht die äußerste Linke fuld. Sie müsste unausgeregt auf die Beseitigung der staatsrechtlichen Grava­­mina dringen. Wären die vertroffenen 25 Friedensjahre zur befriedigenden Regelung der staatsrechtlichen Angelegenheiten verwendet worden, so könnte sich das Haus rechr in ersprießlicher Weise den das materielle Wohl der Nation bezwehenden Arbeiten widmen. Ein anderer Hemmschuh der parlamentarischen Thätigkeit sei das Magnatenhaus, in dessen Zusammenlegung noch immer das ständische System überwiege. Das sei im Zeitalter der Rechtsgleichheit ein Anachronismus, welcher beseitigt werden müsse, den an den Vorurteilen des ländischen Systems leide jede liberale Idee Schiffbruch. Hinsichtlich des Abge­­ordnetenhauses bemerkte der Redner, daß unsere Wahlgelege nicht mehr zeitgemäß seien. Man sollte einen gleichmäßigen Zensug für Stadt und Land einführen, das Wahlrecht auf weitere Kreise ausdehnen und die Wahlbezirke gleichmäßiger einteilen. Wenn man die Thätigkeit des Hauses fruchtbringender gestalten wolle. Feuilleton. Unterblendenderxti­lle KriminalnovellevonGustavHöcker. (6.Fortsetzuug.) Jeder junge Mann trägt sich mehr oder weniger m­it hochfliegenden Plänen. Solche n unbestimmten­ Hoffnungen auf eine verheißu­ngsvolle Zukunft sah Rudolf durch die Mutter eine enge Schranke gezogen,denn es war ihr Wille,daß er das Geschäft übernehmen und an der Seite seiner Kousine ein glücklicher Ehe­­manniind ehrbarer Bürger des kleinen Städchens werden solle.Diese Cousine war das einzige Kind von Frau Bredows verwittweter Schwester, die in B. wohnte und deren plöglichen Tod wir zu Anfang unserer Erzählung berichte­ten. Geld sollte wieder zu Geld kommen, der getrennte Erbteil beider Mütter sollte durch die eheliche Verbindung wieder vereinigt werden. Das war das Seal, der längst gehegte Zukunftstraum Frau Bredows, die den Mammon als das Höchste aller Güter, als das erstrebenswerteste aller Ziele verehrte. Rudolf teilte diese Ansicht zwar nicht, aber er hatte ih am den Gedauken, seine Kousine Heiraten zu müssen, gewöhnt. Er würde ebenso auch jede andere zur Frau genommen haben, denn er erblidte in einer solchen nur den Faktor eines geregelten Hauswesend. Von diesen Anschauungen war er aber gänzlich zurückgekommen, seit Flora da war. Ihre Schönheit hatte bald sein Herz in Flammen gefegt. Er verfant in Träumereien, und er schien, als ahnte Flora diese Träume und wolle sie ihm deuten. Die Deutung lag in dem Lächeln, welches sie in unbelauschten Augen­­bliden dem jungen Mann zusandte. 3 war nicht jenes mechanische Lächeln, womit sie gegen die Ladenfundschaft ziemlich verschwwenderisch umging, nein,­­ wenn es dem Sohne des Hauses galt, so war das liebliche Zucken um ihren Mund und die Grübchenbildung ihrer Wangen von einem Feuerstrome ihrer dunkeln Augen begleitet, der wie eine Elementargewwalt auf geheimnisvolle Tiefe hervorzubrechen schien. Daß Rudolf sollte berauschende Augenblide nur genoß, wenn er niemand sah, war ihm ein Beweis, daß er mit Flora ein süßes Geheimnis teilte,und je vorsichtig er diese war,je gleichgiltig er sie sich gegen ihn unter den Augen der Mutter benahm,desto ungeduldiger wurde der junge Mann,dem schönen Mädchen zu bekennem was er fü­r sie fühle,und sich Gewißheit zu verschaffen,ob beide sich auch richtig verständen.Die ersehnte Gelegenheit sollte nicht lange auf sich warten lassen. Es war am Spätn­achmittage des jüngst vergangenen Sonntags.Frau Bredow hatte ausB die Hiobspost erhalten,daß ihre Sch­wester von einem Schlaganfalle betroffen worden sei,und war mit dem nächsten Eisenbahnzuge nach B.abgereist.Ihr Gemahl war nach dem Schützenhau­se zurückgekehrt,wo nach der Scheibe geschossen wurde.Der Laden war geschlossen,da der strenge Dienst Sonntags ein paar Stunden früher endete,als in der Woche.8üllicke erfrischte sich im Brauhause nebenan an einem kühlen Trunfe.Rudolf hatte die Mutter auf dem nächsten Wege zum Bahnhofe geführt,indem er sie über den See ruderte. Als er nach seiner Rückkehr den hinter dem Hause am See gelegenen Garten betrat,fand er sich plötzlich Flora gegenüber,welche sich unter den hohen Nußbäum­en erging.Fast erschranken beide vorein­ander,sich plötzlich hier allein zutreffen,sie kamen sich gänzlich neu vor,als sahen sie sich zu­m ersten Male,und doch hatten sie vor dieser Begegnung einander schon so viel durch Blicke gesagt.Kühn ist eine solche stumme Sprache,vieltühner als das laute Wort,und ji­tzt schien jedem­ der beiden bange,ob das andere auch mit Worten sich zu dem­ bekennen werde,was die Blicke verraten hatten. Der einsame See lag nahe genug,um zu einer Spazierfahrt einzuladen, n­ach der sich Flora schon längst gesehnt hatte.Rudolf entfesselte den Kahn wieder,und während er mit gemessen­en Ruderschlägen das Fahrzeug durch die stille Flut lenkte,blickte er beständig in die Glutaugen des bestrickend schönen Mädchens,welches vor ihm­ saß.Da gab denn ein Wort das andere,was die Herzen bewegte, drängte sich über die Lippen, und als der See bereits im silbernen Schimmer der Mondes glänzte, waren beide einig, daß sie lieber in der Tiefe der Wellen ihr gemeinschaftliches Grab suchen wollten, als zu leben, ohne einander angehören zu dürfen. . . . » Y. &3 war nachmittags. Kandler saß, eine kurze Pfeife im Mund, auf der Bank vor seinem Häuschen und starrte vor fi hin. Seine Züge waren finster und summervol. Vielleicht war es der Berlust seines ältesten Kindes, welcher eben seine Gedanken beschäftigte. Er merkte nicht, daß die Pfeife längst aus­­gegangen war, während er noch immer von Beit zu Zeit einen Bug daraus b­at. Durch die herrschende Stille tönte von der Stadt her das Trauergeläute, welches soeben die ermordete Frau Bredow auf ihrem rechten Gange begleitete. Er schien es nicht zu hören, so tief war er in sein trübes Nachsinnen ver­­funden. Erst als die Gloden verstummten, blidte er, wie aus einem Traume erwachend, rings um sich her. „Gretel!” rief er auffahrend. „Gretel, wo stehst du?” Der besorgte Ruf galt seinem reinen Töchterchen. E83 hatte vorhin in seiner Nähe gespielt und fest war es verschwunden. Sandlers erster Gedanke war der vor im liegende See. Er machte sich Vorwürfe, so wenig auf das Find geachtet zu haben, und stürzte nach dem Ufer hin. Erleichtert atmete es auf, als seinem wieder­­holten Rufen ein zartes Stimmen Antwort gab. Der fahe lang­sam aus dem Gebüsch, welches sich unmittelbar am Ufer erhob. Kandler sab die dichten Zweige beiseite und sah das Kind auf einer kleinen Lichtung, die sich mitten im Gebüsch befand, am Boden fischen. Er traf­­ bei einer Beschäftigung, die ihm sehr unlieb zu sein schien. Gretel hatte mit einem Stüd Holz die Erde aufgegraben und einen großen Eisenring zu Tage gefördert, mittelst dessen man eine mit Erde bedeckte Fallthüre öffnen konnte, von der ebenfalls ein Stüd zum Borschein gekommen war. Gretel machte eben vergebliche A­nstrengungen, den schweren Eisenring emporzuheben. „Ei, was macht du da, du Sappermenter!" Schalt Kandler die Kleine ärgerlich. „Das darfst du nicht thun! nein, nein, das darfst du nicht than !“ Abergerlich hob er das Kind vom Boden auf, trug er aus dem Gebüsch und kührte dann in dasselbe zurück, um alles wieder sorgfältig mit Erde zu bereden und diese dann festzustampfen. Hierauf nahm er wieder auf der Bank Pla und überließ sich aufs neue seinen Gedanken, wobei er aber das Kind im Auge behielt. Nach einer Weile vernahm er, wie die vordere Thüre des Hauses ge­­öffnet und wieder geschlossen wurde. Gleich darauf trat Fette durch die Hintere »

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