Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1897. Oktober (Jahrgang 24, nr. 7234-7260)

1897-10-27 / nr. 7256

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Schankebank, Milhibhach Josef Wagner, Kauff­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Gunesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile foftet beim einmaligen Einladen 7 fr., das zweite mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 Er, Ne 7256. XXIV. Jahrgang Hermannstadt, Mittwoch 27. Oktober 189­­­ 3ur Geschichte des 1867er Ausgleiches. I. Bon Emanuel Konyi ist in diesen Tagen der vierte Band der gesam­­melten Reden Franz Deat’3 erschienen. Der Inhalt dieses Bandes besagt indes mehr als sein Titel. Er enthält von der Berufung Deat’3 zum Kaiser am 19. Juli 1866 bis zur Annahme des auf die gemeinsamen Angelegen­­heiten bezüglichen Entwurfes der Siebenundsechnziger Kommission durch den ungarischen Reichstag anfangs April 1867 den Entwicklungsgang des 1867er Ausgleiches auch noch die Tagesaufzeichnungen der in diesem Historischen Pro­­zesse entscheidend mithandelnden Personen. Manche Daten die Em. Konyi anführt, sind noch nicht veröffentlicht worden. Wir teilen nnachstehend einiges aus dem Buche mit. Nach der Schlacht bei Königsgräß, noch vor Abschluß des Waffenstill­­standes, ließ der Kaiser Deak zu sich rufen, da er in der obwaltenden schwie­­rigen politischen Situation dessen Ansichten über die Lage kennen lernen wollte. Deat gab Sr. Majestät den Rat, Frieden zu schließen und erklärte, die ungarische Nation fordere auch nach der Niederlage Oesterreichs nicht mehr,­­­ald vor dem­ Kriege. Er riet Sr. Majestät, mit dem Systemwechsel sofort nach dem Friedenzschluffe zu beginnen und als der Monarch fragte, ob Deal dann geneigt wäre, die K­abinettbildung zu übernehmen, erwiderte dieser, er würde nicht einmal ein Ministerportefeuille annehmen, doch wolle er jene Re­­gierung, welche gewillt sein werde, die Wünsche der Nation zu vertreten, gern unterfragen. . Als Chef derselben empfahl er Andrafjy. Nun wurde Andraffy vom Saiser empfangen. In dessen Auftrage begab er sich zu Denk, und er­­stattete Hierüber dem Kaiser nachstehenden schriftlichen Bericht: Ew. Majestät! An dem ich dem allerhöchsten Auftrage gemäß mich Heren Denk gegen­­über dahin äußerte, Em. Majestät wünschten zu wissen, wie er sich das Ver­­hältnis Ungarns zu den anderen Zeilen der Monarchie wente und welche Ga­­rantien die eventuelle Ernennung eines ungarischen Ministeriums für die In­­teressen Ew. Majestät und der Gesamtmonarchie bieten Tünne, eriwiederte Herr dr. Deal: Niemand hätte deutlicher als er seine Ansichten ausgesprochen, die­­selben seien in dem Operat des Fünfzehnerkomitees für gemeinschaftliche An­­gelegenheiten enthalten, daher seiner Meinung nach eine neue Formulierung ei als überflüssig erweisen würde. An diesen Ansichten erklärte er durchaus und unverändert festzuhalten. Dieselben sind in Kürze: Festhalten an den Prinzipien des Komitees für ge­­meinschaftliche Angelegenheiten, paralleles Vorschreiten der Konstitutionellen Or­­ganisation, so viel ald möglich in den beiden Hälften der Monarchie, daher wäre zugleich mit der Ernennung eines verantwortlichen ungarischen Ministe­­riums die Ernennung eines gemeinsamen Ministeriums und die einer Konstitutionelen Regierung für die übrigen Länder Ew. Majestät­swüns­­ch engwert. Die Aufgabe der ungarischen verantwortlichen Ministeriums Em. Maje­­stät wäre dann: 1. Die Annahme der im Elaborate der Fünfzehnerkommission enthaltenen Prinzipien durch den Landtag zu bemerkstelligen. 2. Die Revision der 1848er Gefege im Sinne der Abschaffung, beziehungs­­teife Abänderung der Artikel über die Vollmacht des Balating, über die National­­garde und die Unauflösbarkeit des Reichstages. Herr d. Deak äußerte fs dahin, daß er in allen diesen Aufgaben einer eventuellen verantwortlichen­­ Regierung in Ungarn auf das entschiedenste bei­­stehen werde, und sprac­h eine volle Zuversicht aus, welche der ergebenst Unter­­zeichnete ebenfall vollkommen teilt, daß er einem konstitutionellen ungarischen Ministerium nicht Schwer fallen dürfte, dies alles durchzuführen, herausgefeht, daß er aus Männern bestünde, die das Vertrauen der gegenwärtigen großen Deajorität der Gesettgebung und des Landes beiten, zugleich aber durch das allerhöchste Vertrauen Em. Majestät und die Legalität ihrer Stellung die Mittel haben, die Nation auch die Bande de Vertrauens an die Interessen der Krone und die allerhöchste Berson Em. Majestät zu feiseln. Wien, den 26. Juli 1866. Gyula Andrafiy. Diesen Bericht überreichte Andrasfy dem Monarchen persönlich, und er fügte Hinzu, der Zeitpunkt nach dem am 26. Juli abgeschlossenen Präximinar­­frieden sei für die Herstellung der Verfassung besonders geeignet; was man seit dem freien Willen des Königs zuschreiben würde, wäre er späterhin zu bewilligen gezwungen. Der gegenwärtige Friede, sowie die Lage in Europa verspräc­hen keine Dauer; die Monarchie müsse in eine Situation gebracht werden, daß sie die kommenden Bewegungen aushalten könne, hierzu aber sei es erforderlich, daß Ungarn mit stärkeren Banden an die Dynastie ge­­knüpft werde. Andrasfy kehrte nach West zurück; in den maßgebenden dortigen politischen Kreisen gab man sich seineswegs einer rosigen Stimmung hin, wie aus dieser Tagebuchaufzeichnung des Baron Bela Drczy hervorgeht: „3. August 1866. Julius Andrasfy ist von Wien zurücgekührt. Keine Aussicht auf ein Ministerium. Nur wenn die Fortlegung des Krieges not­­wendig und man auf Ungarns Hilfe ange­wiesen gewesen wäre, dann hätte man vielleicht alles bewilligt. Aber: passato il pericolo, gabbato il santo (ist die Gefahr vorüber, schert man sich nicht weiter um den Heiligen). Am 17. August wurde Graf $. Andrafjy wieder nach Wien berufen und ersucht, einen seiner Freunde mitzubringen. Andraffy nahm, Hauptsächlich mit Rückicht auf die finanziellen Scagen, Melchior Lonyay mit, der über diese mit Belcredi, Hübner, Majlath und Sennyey geführten Unterhandlungen in seinem Tagebuche sehr interessante Mitteilungen macht. Andrasfy und Lonyay empfingen den Eindruck, daß man gerne mit den Ungarn ein Arran­­gement getroffen Hätte, daß man sich vor ihnen aber noch fürchtete und andererseits fi­ jc­eute, in den österreichischen Erblanden eine über­ das Oktoberdiplom hinausgehende Verfassungsmäßigkeit einzuführen. In einem höchst bemerkenswerten Schreiben vom 25. August referiert Lonyay Franz Deat über die Wiener Verhandlungen. „Die Dinge” — schreibt es — „gehen hier fredlich langsam vorwärts. Am 22. sprach man mit und gar nicht, sondern sagte nur, wir sollen hier bleiben, Am 23. dro­hen Majlat­ und Sennyey mit, und separat das leere Stroh, Am 24. wieder Pause, besonders mit mir. Mit Julius (Andrasfy) sprach Se. Majestät in Schönbrunn ; als Julius dort promenierte, stand plöglich der Kaiser an seiner Seite und sagte ihm, daß er von den Kon­­ferenzen informiert sei und für Ungarn seine großen Schwierigkeiten sehe; umso größer seien die Schwierigkeiten für die anderen Länder.” Immer wieder wurde in den Konferenzen die Frage der Nekrutenbewilligung vorgebracht, in welcher die Ungarn nicht nachgeben zu können erklärten, da es sich um ein Kardinalrecht der Verfassung handle. Einmal sagte Hübner, Se. Majestät bestehe darauf, daß derjenige Minister a latere sei, den er wolle, und zwar scheine das Majlath zu sein. Worauf Andrassy erwiederte: Se. Majestät fann das thun, dann aber möge er auch die übrigen Mitglieder des Ministeriums aus ähnlichen Elementen bilden. . Am 27.August wurde Andrassy,am 29.Longay von Sr.Majestät empfangen.Andrassy sagte dem Monarchen,er müsse die ihm vorgelegten Punktationen Denk zeigen.Er müsse in seinen Versprechungen pedantisch sein, denn erstens halte er sehr viel auf sein Wort und zweitens fürchte er nicht­ so sehr,als daß sich Se.Majestät in seinen Erwartungen noch einmal täusche. Es gebe zwei Arten,im Lande etwa durchzusetze m Man kann sagen:Dies oder jenes muß durchgeführt werden,weil der Kaiser es so wil.So kann man seine Popularität wahren,aber wenn der Zweck auch erreicht wird,fällt das Odium auf den Herrscher.Oder man kann sagein Dieg will ich durche führen,weil es meine Ueberzeugung ist Diesen Modus möchtest­ Andrassy —befolgen. Eingehend besprach sich der Monarch mit Longay.Er fragte ihn,ob die Denkpartei die Majorität im Reichstage besitze »Glauben Sie nicht«,war die nächste Frage Sr.Majestät,»daß die Beschlußpartei an Kraft und Zahl gewachsen ist?« »Die Ereignisse«,erwiderte Longay,,,waren ihnen günstig,aber dess­halb ist die Wiederherstellung der Gesetzmäßigkeit vor Zusam­mentritt des Reichstages notwendig,wenn etwas,so vermag dies,die Beschlußpartei zu schwächen.« Der Kaiser bezeichnete die Heeres-und die Finanzfrage als die zwei wichtigsten und schwierigsten Fragen,welche dringend zu lösen seien.Ueber Deak äußerte sich Se.Majestät:»Deak ist ein wackerer Mann,ich habe Ver­­trauen zu ihm,ich halte ihn für einen ehrlichen,klugen Mann.Er meint es ehrlich,nur weiß er die Verhältnisse der Monarchie nicht genug zu würdigen;alles betrachtet er vom juridischen Standpunkte aus.«Longay fhollgert hieraus,daß man Se.Majestät­,gegen den alten Herrn stark informiert abe.” Die Wiener Konferenzen zogen si­ch in den September hinein. Hübner wollte Andrafiy überreden, Majlath denn doch al Minister a letere zu akzeptieren. Andrafily erwiederte, Majlath­ werde gut sein zum Judex curiae. Weberhaupt wolle er von einem „gemischten” Kabinet nichts wissen, während Sennyey nichts unversucht ließ, um ein Fusionsministerium durch­­zufegen. Im ganzen und großen blieben die Verhandlungen resultatios. Am 10. September erschien Andrasfy bei Sr. Majestät zur Abschiedsaudienz. Der Kaiser empfing ihn freundlich, dankte ihm für seine Bemühungen und sagte ihm, er könne nun gehen; das ganze sei viel wichtiger, als daß er schon jeit eine Entscheidung treffen könnte.e Er begebe si auf einige Tage ins Gebirge und werde die Sache dort reiflich erwägen, dann werde er ents­cheiden. Wie immer er sich aber entscheide, er werde die gerade, aufrichtige und loyale Sprace, die er unter den sch­wierigen Verhältnissen von Andraffy und Deaf vernommen, niemald vergessen. Andrafjy bemerkte unter anderen, wenn Se. Majestät die Dinge solchen Personen anvertrauen würde, die anderer Ansicht und Ueberzeugung sind, und wenn dieselben auch von den seinerseits beantragten Grundlagen ausgingen, so könnte er si für sie doch nicht expo­­nieren, da er es für nötig hält, daß er und seine Freunde nicht ihren Eins­fluß verfperzen, deffen auch Se. Majestät noch einmal bedürfen könnte. — politische Mebersicht. Hermannstadt, 26. Oktober. Die Bol­spartei veranstaltet am 31.D. M. in Bogna (Graner Komitat) eine große Versammlung. Um Sprecher werden Graf­­ Ferdinand ZihYy und die Abgeordneten Franz Buzath, Anton MocsY und Karl Ralman fungieren. Von offiziöser Seite werden die Gerüchte, nach welchen si der Banus Graf Khuen-Hedervary mit Demissionsgedanken trage, auf das ents­chiedenste dementiert. Graf Khuen-Hedervary ist nach wie vor ent­­schlossen, auf seinem Bosten zu verharren, auf m welchem er von allen kom­­petenten Lab­oren aufs wirksamste unterstüßt wird. Wie aus Agram gemeldet wird, hören die Unruhen in Kroatien noch immer nicht auf. In Gracac scheint wieder eine Bewegung unter der bäuerlichen Bevölkerung ausgetrogen zu sein, denn am 23. d. M. ist von Drocac eine Kompagnie Landwehr dorthin beordert worden. Ein authen­­tischer Gip zum 17. Oktober reichender Bericht über die dortigen Vorgänge enthält folgende Mitteilungen :­­ Die Bauern bedrohten mehrere Tage hin durch den orthodoxen Ortss­pfarrer Nujo Maistrovitsch und warfen ihm seine Haltung auf dem serbischen Kirchenkongresse vor;er habe ihnen dort nicht das Recht erwirkt,liegen zu Zenit-Eint Yereigenegseg von Hans Richter. (6. Wortfegung.) II, „Haben Sie den Kammerheren Heute gesprochen ?” „Nur flüchtig”, beantwortete der soeben Eingetretene diese erste Frage der Geheimrätin, die wieder in dem von ihr bevorzugten Verandazimmer saß. „Wie erschien er Ihnen? In besserem oder ungünstigerem Lichte als Ba Sprachen Sie über und, über Hedwig? Was sagt Eili nun zu i­h­n „Ein Halbes Dubend Fragen, von denen ich seine einzige bestimmt be=­antworten man“, sagte Tehoma lächelnd. „Ich mußte geraume Zeit warten, ehe die Herren aus dem Felde zurückkamen. Dann Hatte ich ja mit Breiten­­feld geschäftlich zu verhandeln und beim Frühstüc kam das Gespräch kaum über Gemeinpräge hinaus.“ „Erwähnte er Hedwigs 2” „Rein, er erfundigte sich nur im allgemeinen nach dem Befinden der Damen und läßt sich empfehlen. Was also die Wiesenparzelle anbetrifft, die Breitenfeld zu kaufen wünscht —" und der Sekretär war wieder ganz Ges­chäftsmann. Nur ab und zu glitt wie ein flüchtiger Sonnenstrahl ein Lächeln über sein Hügel, erstes Gesicht. Die Geheimrätin hörte nur mit halbem Ohr zu und unterbrach ihn schließlich mit einem ungeduldigen: „Wenn Breitenfeld die Wiese durchaus haben will, so lassen wir sie ihm eben. Sie können den Rauffontrast auf­­fegen. A propos, scheint es Ihnen etwa, als ob Breitenfeld eine Verbindung EiNis mit Dengern herbeizuführen wünsche ?” „Ob er den Wunsch Hegt, kann ich natürlich nicht wissen, doc glaube ich, annehmen zu dürfen, daß die beiden Hauptpersonen demselben Raum sympathisch gegenüberstehen würden.”­­ »Na,na!« Techow lächelte nur und dieses Lächeln wurde ausdrucksvoller als er dann allein in seinem Arbeitszimmer saß,er,der sonst rastlos Thätige,mit müßig über der Brust gekreuzten Armen. Didig jüngste persönliche Meinung über den Kammerherrn,die sie ihm unter dem Siegel des Geheimnisses am­vertraut,war er doch seines­ Gebieters an offenbaren nicht verpflichtet. Er hatte,bevor die beiden Herren vom Felde zurückkamen,eine recht angenehme Viertelstunde auf dem Karolinenhofe verlebt. Frau Martha wirtschaftete seufzend und brummend—die einzigen Gefühlsäußerungen nur noch,die sie seit des Gastes Ankunft kannte­ in der Küche umher.Fräulein Cilli saß wie ein Vögelchen,dem man die Flügel beschnitten hat,in der Jasminlaub.Zu ihr gesellte er sich und es war wohl nur natürlich,daß er nach ihrem Gast fragte. »Herr von Dengern ist allein meines Bruders Gast«,lautete die in sehr ungnädigem Tone erteilte Antwort. Das spannte seine Aufmerksamkeit noch höher.»Bisher hatte er aller­­dings auch bei Ihnen ältere Freunde verdrängt«,sagte er beleidigt. »Das ist nicht wahr,eine thörichte Einbildung nur.Ich kann doch nicht dafür,daß Herr von Dengern in den ersten Tagen nicht von meiner Seite wich—mein Gott,die Zeit ist ihm ebenlang geworden——und daß andere sich darum zurückgesetzt fühlten und ausblieben obwohl man sie viel lieber sieht,als diesen abscheulichen Kammerherrn.« Das klang nun wieder sehr niedergedrückt und den schelmischen Blaus­augen schien auch das Weinen näher zu sein als das Lachem Technik-setzte sich dicht an des Mädchens Seite,so dicht,wie er es bisher nie gewagt hatte und flüstertet»Herr von Dengern ist als ihrem Herzen gleichgiltig geblieben,Fräulein Cilli?« »Gleichgiltig?Widerwärtig ist er mir,der abscheuliche,hochmütige Egoist!Martha hat ganz rech­ter ist nur nach Karolinenhof gekommen, um unseren Frieden zu störem Einstein——ein Vampyr!« Da hatte Techow denn doch laut aufgelacht und Cilli schließlich herzlich miteingestimmt und ein Abglanz jenes Lachens war egnth was jetzt noch über des ernsten Mannes Stirn lag. Ein Wagenrasseln auf dem Kieswege ließ ihn endlich aufschauen.Das waren Breitenfelds wohlgenährte Braune;nur ein Herz saß im Wagen, Dengern, € 3 fchien, als Habe sowohl die Geheimrätin ala Hedwig diesen Besuc­h erwartet. Unmittelbar nach dem Gaste traten auch sie in den Salon, in welchen der Diener jenen geführt hatte. Die üblichen Redensarten wurden gewechselt, althergebrachte P­hrasen, die aber im Munde des weltgewandten Mannes eine eigentümliche, interessierende Färbung annahmen­. Er besaß die seltene Gabe, das Gespräch zu leiten, ohne fs in den Vordergrund zu fielen. Die farbenglühenden Schilderungen seiner Erlebnisse im Orient, den­ er mehrere Jahre bereist, die pilanten Hofgeschichten, die er zu erzählen wußte, glichen dem Geplauder eines gewandten Feuilletonisten, der den Leser selbst sehen läßt, anstatt ihm zu sagen: das frah ich! „Bürchten Sie nicht, über Ihren beständigen Reifen Ihre Güter zu vernachlässigen?" bemerkte die Geheimrätin mit einem leisen Anflug von Tadel, den si die ältere Frau wohl erlauben durfte, „D nein“, lächelte der Kammerherr, „und das aus einem sehr einfachen Grunde: ich besiße nicht das für mich recht zweifelhafte Süd, irgend eine Scholle Lande mein eigen zu nennen. Bereits mein Großvater, ein Zug­­vogel glei mir, veräußerte die Familiengüter und legte das Vermögen in Staatspapieren an. Wenn ich den Jahresauszug meines Bankiers geprüft, habe ich für neue dreihundertfünfundsechzig Tage meine Pflicht und Arbeit gethan. Sie schauen ein wenig unmillig, gnädige Frau, Wie mein Freund Breitenfeld, meinen jedenfall auch Sie, es sei eines Mannes unwürdiger, irgend­welche Thätigkeit zu ergreifen, zu schaffen und zu erwerben, al nur, die Früchte des Ererbten genießend, müßig die Welt zu durchwandern. Ich Hin­­gegen sage nur, daß ich ein Unrecht begehe, wenn ich nach einem Amt strebe, das einem Wirdigeren und Bedürftigeren das tägliche Brot giebt. Zum Landwirt oder Geschäftsmann bin ich nicht geschaffen; der Soldatenstand ers­scheint mir als eine Verhöhnung der christlichen Lehre von der Nächstenliebe, welche dem Feinde siebenmal, siebzigmal vergeben soll; gegen das Beamtentum spricht mein bereits angeführter Grund ... und, was wohl das Bestimmende ist, er lebt in mir ein un widerstehlicher Drang, der mich hinaus in die Ferne zieht, die rastlose Unruhe des Vereinsamten, der alle Winkel der Welt durch­streifen möchte, um ein gleichgestimmtes Herz zu finden.“ Die Geheimrätin nichte: „So kenne diese Sehnsuch, Habe sie selbst empfunden und ihr nacht gegeben. Doch, früher oder später, einmal kommt der Tag, an welchem in dem rastlosen Herzen der brennende Wunsch erwacht; Gebt mir ein Heim, um zu ruhen!” (Beriießung folgt.)

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