Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1898. Januar (Jahrgang 25, nr. 7312-7335)

1898-01-15 / nr. 7322

Eeite 46 Mannstadtsamstag Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt. Politische Uebersicht Hermannstadt,14.Januar Bekanntlich ist die Fiumaner Repräsentanz vorgestern—— nachdeka.Mayländer neuerdings zum Podesta gewählt worden­— vom Gouverneurstellvertreter Dr.Gaal aufgelöst worden. Diese Verfügung war bereits vorbereitet und ist die Folge einer Ver­­ordnung,welche der Ministerpräsident Baron Banffn erlassen hat. Die Verordnung,welche sich auf einen Ministerratsbeschluß vom 18.November v.J.stützt,hat folgenden Wortlaut: ,,1.Wenn der städtische Vertretungskörper und dessen Organe die in der Verordnung zur Einführung des Verwaltungsausschusses normierten gesetz­­lichen Verpflichtungen nicht pünktlich erfüllen,kann der Innenminister auf Vorschlag des Gouverneurs oder mit dessen Anhörung den Vertretungskörper auf Grund der§27 der städtischen Statute auflösen und er verfügt sodann im Wege der Gouverenza bezüglich der interimistischen Leitung der Angelegen­­heiten. Die Bildung der neuen Vertretung und in Verbindung damit den Tag der Wahl beraumt mit Genehmigung des Innenministers der Gouverneur an, doch kann die Bildung des neuen Vertretungskörpers und beziehungsweise dessen Wahl über die Dauer eines Jahres nicht unvollzogen bleiben. Wenn indessen die Neuwahl verweigert wird, so kann, auf Grund dieser Verordnung, die obige Verfügung auf einen längeren Beitraum erftredt werden, und wenn der Vertretungskörper wiederholt aufgelöst werden müßte, so man die Neumahl an auf längere Zeit verschoben werden. 2. Das Ministerium kann den Gouverneur ermächtigen, mit allen jenen Beamten und Organen der Stadt, deren er bei der Durchführung der Verordnung bedarf, unmittelbar zu ver­­fügen. In diesem Sale sind die Beamten und Organe verpflichtet, die auf die Durchführung bezüglichen Anordnungen sofort und unbedingt zu erfüllen, und sie können hiefür durch das Stadtmunizipium nicht zur Verantwortung gezogen werden. 3. In dem obigen Falle kann der Gouverneur die nicht gehorsamen Beamten und Organe von ihren Wertern suspendieren oder be­­feitigen und sie durch andere substituieren. Die solchermaßen substituierten Beamten und Organe sind, in Hinsicht auf Rechte und Pflichten, den übrigen Beamten volkommen gleichgestellt. 6. Mit der Durchführung der Verordnung hört die ausnahmsmweie Macht des Gouverneurs sofort auf. — Budapest, 11. Januar 1898, — Baron Banffy m..p.“ Der Gouverneur von Fiume Graf Ladislaus Szapary Hat sich vor­­gestern nachmittags nach Budapes­t begeben. Dr. Gaal hat als Regierungskommissär gestern bekanntgemacht, daß jene 100 Fiumaner Ungarn, welche vor der rechten Wahl ihre Aufnahme in die Wählerliste reflamierten, in die Liste der Fiumaner Wähler ohne Auße­nahme aufgenommen werden. Das Abgeord­netenhaus hat vorgestern nur eine kurze Sihung abgehalten, in welcher nach der dritten Lesung der Geldarbeitervorlage mehrere Immunitätsangelegenheiten erledigt wurden. Der Abgeordnete Bihler interpellierte in der Angelegenheit der Wasser­­misere der Hauptstadt. Der Innenminister, an den die Interpellation gerichtet­­ war, wohnte der Situng zwar an, doch behielt er si die Beantwortung der Interpellation für eine spätere Gelegenheit vor. Er wurde bereit gemeldet, daß der Abgeordnete Albert Berzepiczy in der nächsten Session des Meichdtages nicht mehr die Würde eines Vize­­präsidenten des Abgeordnetenhauses befleiden wolle. Wie nun „Orpagos Hirlop“ erfährt, ihm wankt die Regierung in betreff ber Be­­wegung dieser Stelle zwischen den Abgeordneten Koloman Hardos und Gustav Strviß; einen dieser beiden werde sie als ihren Kandidaten aufstellen. Das Brünner Jungtschechenblatt läßt sich aus Wien telegraphieren, es verlaute dort mit Bestimmtheit, daß der Ministerpräsident Baron Gautsch nunmehr auch die mährischen Abgeordneten zu einer Konferenz behufs Besprechung wegen einer Regelung der Sprachenfrage nach Wien eingeladen habe. Wie aus Brünn gemeldet wird, beschloß der Parteirat der Deutschen Boll3partei die Einberufung eines deutschen Volkdtages nach Brünn. . . Im mährischen Landtage wurden vorgestern von tschechischer Seite behufs­volständiger politischer und kultureller Gleichberechtigung beider Nationalitäten Mährens drei Anträge eingebracht betreffend die Renderung der Landesordnung, die Erweiterung des Wahlrechtes, die Abgrenzung der Wahl­­bezirke nach Nationalitäten, die Vermehrung der Wahlbezirke, Aufhebung des Wahlrechtes der Handelskammern, geheime Vornahme der Wahlen, Teilung des Großgrundbefiges in Wahlkursen nach fideikommissarischem und nicht­­freikommissarischem Großgrundbefige, die Errichtung von Bezirksvertretungen, die Erlaff­ung administrativer oder geießlicher Verfügungen behufs Durch­­führung volker sprachlicher Gleichberechigung, Gleichwertigkeit im ganzen Öffentlichen Leben, ferner betreffend die Errichtung einer böhmischen Univers­­ität, einer böhmischen Zechnik, Vermehrung der böhmischen Staats- und Landes-Mittelschulen, Uebernahme von Privat:Mittelschulen in die Verwaltung des Landes, die Errichtung von Minoritätsschulen, endlich ein Antrag, wonach in die Volksschulen nur der Unterrichtssprache mächtige Kinder aufgenommen werden sollen, Uebermessung der Anträge an einen 24gliederigen Ausschuß. — Von deutscher Seite wurde ein Antrag eingebracht auf Einführung nationaler Kurien mit Vetorecht, Einführung des geheimen, direkten Wahl­­rechtes in allen Kurien, Trennung des Landes-Schulrates in zwei nationale Sektionen, Trennung der Bezirks-Schulräte nach nationalen Gruppen, Er­­richtung von Minoritätsschulen auf Landeskosten, Errichtung einer deutschen Universität, Ausgestaltung der deutschen Technik, der Mittel- und Fachschulen, Zumeinung des Antrages an einen 21gliedrigen, aus dem ganzen Hause zu­m wählenden Ausschuß, ferner ein Antrag auf Aufhebung der Sprac­hen­­berordnungen sowie auf Regelung der Sprachenfrage bei den autonomen Beh­hörden Mährens. Im Salzburger Landtage wurde von den deutsch fortschrittlichen und deutschkonservativen Abgeordneten ein Antrag eingebracht, welcher die allgemeine Lage des Staates zum Gegenstande hat. Der Antrag wendet si somohl gegen die Föderalisierungs- Bestrebungen als gegen die Sprachen­­berordnungen. Die preußische Thronrede, mit welcher der preußische Landtag eröffnet worden, ist sehr geschäftsmäßig nüchtern gehalten und bietet wenig Anhalt zur Kritik. Der einzige Gegenstand, welcher in preußischen Blättern lebhafte Erörterungen herbeiführen dürfte, ist der angekündigte Entwurf zur geweglichen Regelung der Stellung der Privatdozenten. Die Budgetkommission des deutschen Reichstages genehmigte mit allen gegen sechs Stimmen die Erhöhung des Gehaltes des Reichskanzlers von 54.000 auf 100.000 Mark. Wie in Berlin verlautet, wird dem Reichstage keine größere Forderung für Befestigungen in Kiao-tichau zugehen, da nicht beabsichtigt wird, Siao­­than in erster Reihe zu einem Kriegshafen umzugestalten. Vor allem sollen dort Handel und Schifffahrt einen Stoßpunkt finden; die militärischen Ge­­sichtspunkte werden erst in zweiter Linie geltend gemacht. Auch eine Kolonial- Armee für Dostasien wird nicht geschaffen. Der Kaiser von China ordnete soeben eine starre Vermehrung der chinesischen Gesandschaft in Berlin an, die aus 30 Herren bestehen und ausschließlich mit deutschen B Verhältnissen fi befassen wird. Die „Kölnische Volkszeitung“ erfährt von unterrichteter Seite, Ru f­­land beabsichtige in Asien seine offensive Politik, sondern nur die Ver­­teidigungslinie gegen englische Weltergriffe scharf zu ziehen. Rußland werde Turkestan und die übrigen zentralasiatischen Gebiete unter einen einzigen Chef stellen mit so großen Machtbefugnissen, daß dem indischen Vizekönig sozusagen ein russischer Vizekönig entgegengestellt werde. Die hierin liegende Warnung werde von England toohl verstanden werden. Muramcien wolle England zeigen, daß Rußland fest entschlossen sei, jenseits des Ural eine Leitende Rolle zu spielen. Zur ostasiati­gen Angelegenheit liegt eine bemerkenswerte Heußerung des englischen Ministers Balfour vor, die bei der bekannten, rücksichtslosen Entschiedenheit, mit der der genannte Minister in der Regel spricht und handelt, zunächst duch ihren maßvollen Ton, dann aber auch dadurch auffällt, daß dabei Deutschland nicht berührt wurde. Der erste Lord des Schages erklärte nämlich am 10.d.M. in einer in Mancester gehaltenen Rede u. a.: „Was China betreffe, seien die Interessen Englands dort nicht territorialer, sondern kommerzieller Natur. Da die Beteiligung Groß­­brittanniensg an dem Außenhandel Chinas 80 Prozent des Gesamthandels Chinas betrage, habe England einen ganz besonderen Anspruch darauf, dafür zu sorgen, daß fs die Politik Chinas nicht einer Abschwächung des aus­­­wärtigen Handels zumende. England sei durch die tiefwurzelnden Traditionen seiner Politik gehindert, irgendwelche ihm gemahlte Handelsprivilegien als Waffe für den Ausschluß von Konkurrenten zu benügen. Wenn England Handelsfreiheit verlange, verstehe er darunter eine Freiheit des Handels für die ganze Welt in gleicher Weise. E38 gebe nur zwei Wege, auf denen eine Gefährdung der Handelsinteressen Englands in China möglich sei. Der erste sei die Möglichkeit der Ausübung eines Druded’ auf China fur eine aus­­wärtige Regierung, Anordnungen zu treffen, welche sich gegen England richten und dem betreffenden Staate Vorteile gewähren, mit anderen Worten, melde die für alle gleiche Gelegenheit, Handel zu treiben, zerstören würden, die den einzigen Anspruch Englands ausmache,­­ aber auch thatsächlich von England gefordert werde. Der zweite Weg sei’ derjenige, daß fremde Länder mit fhußzöllnerischen Traditionen an der chinesischen Küste Stationen errichten und dort Zollgrenzen einführen oder ähnliche Einrichtungen treffen würden. Die brittssche Regierung werde ihr Bestes thun, darauf zu sehen, daß auf seinem dieser beiden Wege der britisshe Handel geschädigt werde. Balfour bemerkte schließlich, er könne nicht verstehen, weshalb England dem russischen Handel entgegentreten solle, vorausgefegt, daß er durch diesen nicht verdrängt werde.” Englischen Blättern zufolge gedenkt Königin Viktoria im Frühe jahre die Radfahrt von der Riviera durch Deutschland zu nehmen und das deutsche Kaiserpaar in Potsdam zu besuchen. Bum Thee konnten Eberts troß ehrlicher Bitten Ruperts und seiner Frau nicht bleiben, da Georg noch einen Leitartikel zu schreiben hatte und gleich von der Bellevuestraße aus in seine Redaktion ging, während Eva nach Hause fuhr. Selfenbach und Gabriele blieben nun allein, und als das Ehepaar Ebert sie verlassen, kehrten sie Arm in Ulm auf die Terrasse zurück und fliegen von da in den Garten hinab, dessen sie sich ungestört erfreuen konnten, da die Bewohner der Beletage, denen die Mitbenußung zustand, schon seit einigen Wochen verreist waren und voraussichtlich auch noch Lange nicht zurückehren würden. Der Garten ging etwas über die fü­r derartige Gärten hergebrachte Kleinigkeit hinaus. Hatte einige schöne alte Bäume und Boskette nebst Rasen- Hächen aufzumeisen und war so geschici angelegt, daß er mit seinen ver­­schlungenen Wegen einen noch größeren Eindruck machte. Die Hauptzierde war eine prächtige Rasfanie, in deren Schatten ein Etablissement eleganter und bequemer Gartenmöbel zum Niederseßen einludd. Hierher senkten Rupert und Gabriele ihre Schritte, und von dem Gatten Urm fest nmichlungen, lehnte die Frau ihr Köpfchen an seine Schulter und blichte zu dem abendlichen klaren Himmel empor, an dem hier und da rosige Wölfchen auftauchten, die Kastanie rauschte leise und streute, wenn ein warmer Luftzug durch die Zweige strich, weiße Blüten über die beiden. Es war ein stiller, warmer Maiabend. „Sabi, mein Weib”, sagte Rupert innig, „meine süße Frau, mein Heiner Schag”, fette er reifer Hinzu, sich zu ihr miederbeugend, erst ihre Wange, dann, bad Gesicht mit feiner Hand zu sich emporrichtend, auch ihren Mund lüffend. Sie sahen si sekundenlang schweigend in die Augen, dann nahm Gabriele seine schöngeformte Rechte, streichelte sie und drehte spielend den Trauring am vierten Finger. „So Habe deine Schmetter heute Vormittag gesehen”, sagte Felfenbach. Gabi wußte nicht recht, weshalb sie diese Bemerkung peinlich berührte­n ‘und pröglich schoß ihr die Erinnerung an Ullas Worte in den Sinn: „Deine Verbindung mit Selfenbach ist eine Unnatur, und die Stunde wird nicht ausbleiben, in der du dir sagt: Die Hand, in die ich meine Texte für's Leben, hat meinen Bruder getötet.” (Fortlegung folgt.) 15. Januar 1898. Nr. 7322 Bofal- und Taged-Ghromit. Hermannstedt, 14. Sanıtar (Aus dem Verordnungsblatt für das k. und E Heer.) Verordbnungen des u. E. Neid3-Briegd-Ministeriums: Transferiert wird mit 16. Januar 1898 der Militär-Rec­nungsrat Benjamin Schmerler von der Intendanz des 12. Korps, zu der Intendanz des 7. Korps. Die erbetene Entlassung aus dem Heeresverbande wird mit 11. Januar 1898 auf Grund der Bestimmungen der $ 64 des M­ehrgesäßes bewilligt dem Neferve-Sadet-Infanteristen, Titular-Feldwebel Georg Bobes des 31. In­­fanterie-Regiments. (Ernennungen) Der Unterrichtsminister hat den staatlichen Bürgerschuldirettor Emerich Donath zum Oberschulinspektor der Stadt Fiume — einstweilen in provisorischer Eigenschaft — in der 3. Stufe der 8. Gehaltsklasse ernannt. Der Finanzminister hat den Hilfsingenieur und Wagemeister beim Tordaer Bergwerksamt Alerius Barady zum Kontrollor beim Salzburger und den Maroschujvarer Wagegeschworenen Karl Kovacz zum Wagemeister beim Tordaer Salzbergwerksamt ernannt. (Phyllogera,) Die Gemeinde Köbelkut des Klausenburger Komitats wurde wegen Auftretens der Phyllogera in den dortigen Weingeländen unter Sperre gesecht. (Predigten in den evangelischen Kirchen U, 8.) Sonntag den 16. Januar predigen­ in der Pfarrkirche um Halle 10 Uhr Stadtprediger Schnell; in der Spitalssische um 11 Uhr Stadtprediger Köber; in der Johanniekirche um 11 Uhr Stadtprediger Leonhard, (Baron Bruttenthal’sches Museum.) Neuanschaffungen: Berger Alfred Freiherr d.: Studien und Kritiken Wien, 1896. — Grimm 9.: Beiträge zur deutschen Kulturgeschichte. Berlin, 1897. — Heideloff &.: Der cristliche Altar, archäologisch und artistisch dargestell. Nürnberg, 1838. — Kette ©. Th.: Der Prozeß und die acta S. Apollonii. Leipzig, 1897. — Rosenberg W.: Vautier. Mit 111 Abbildungen. Bielefeld und Leipzig, 1897. — Meißner 8. H.: Tiepolo. Mit 74 Abbildungen. Bielefeld und Leipzig, 1897. — Münzenberger E 8. U: Zur Kenntnis und Würdigung der mittelalterlichen Altäre Deutschlande. Band 1 u. ff. Frankfurt a. M., 1885 u. ff. — Lorenz D.: Staatsmänner und Geschichtsschreiber des 19.­­Jahr­­hunderts, Berlin, 1896. — Steinmann E.: 1. Ghirlandaj. Mit 56 Ab­­bildungen. 2. Botticelli. Mit 90 Abbildungen. Bielefeld und Leipzig, 1897. — Adels H.: Hippolytstudien. Leipzig, 1897. — Frimmel Th. d.: Vom Sehen in der Kunstwissenschaft. Leipzig und Wien, 1897. (Die weiße Fahne.) Heute trat der seltene Fall ein, daß der städtische Polizeiarrest seinen einzigen Häftling beherbergte. (Und der Theaterkanzlei.) Einer der Hauptschlager der diesjährigen Wiener Saison „Zwei kleine V­agabunden“ von B. Decourcelle, deutsch von Krenn und Karl Lindau gelangt Samstag den 15. d. M. zur ersten Aufführung. Die „Kleinen Bagabunden” hielten von Paris aus, wo das Stüd über 700mal aufgeführt wurde, ihren Giegerzug über fast alle Bühnen des Kontinents und werden sicher auch hier durch vor­­zügliche Bewegung und sorgfältige Vorbereitung einen vollen Erfolg erringen. Die Hauptrollen befinden sich in den Händen der Herren vd. Tenor, Fischer, Elmborst, Mauth, Prüller zc. und der Damen Weiser, Dezan, Aufterlig, Zubrot und Scholz. (Wahl) Bei der in Neustadt abgehaltenen Wahl eines Kreisarztes für Neustadt und Wolkendorf, wurde einstimmig Dr. Robert Schuller aus Agnetheln gewählt. (Aus der Kronstädter Kommunitätöffgung vom 12. d. M.) Bürgermeister begrüßt die Mitglieder und wirft einen Ri­ckricd auf die befriedigende Arbeit des Vorjahres.. Nach einer Interpellation über die unleidlichen Zustände bei den Sleifhkänten wird die geprüfte Jahres­­rechnung der Stadtlafja pro 1896 verhandelt. Endlich wurde dieselbe ge­­nehmigt und den Rechnungslegern das Absolutorium erteilt. Eine Reihe von diesbezüglichen Anträgen wurde zum Beschluß erhoben. Für das Jahr 1898 sollen etwa 1000 Stück Wassermesser angeschafft werden im Gesamtbetrage von 24.000 fl. (Gegen die Feldarbeitervorlage.) Eine eifrige Agitation wird gegen diese Vorlage, die in diesen Tagen im Abgeordnetenhause erledigt worden ist, in Ungarn entfaltet. In vielen Ortschaften wurden rote Zettel verteilt mit der Aufschrift: „Seldarbeiter-Kollegen ! Schließet feine Kontrakte !” Die Arbeiter an­­worten damit, daß sie seine Kontrakte mit den Grundbefigern abschließen, weil die Negierung sie durch dieselben zu Sklaven machen wolle. (Petter deutsche evangelische Kirchengemeinde A.B) Die V­olfsbewegung in dieser deutschen ev. Kirchengemeinde gestaltete sich am Schlusse des vorigen Jahres folgendermaßen: Getauft wurden 205 Kinder (103 männl., 102 meibl. Geschlechts). Fonfirmiert wurden 18 Knaben und 22 Mädchen. Populiert wurden 71 Paare, um 8 mehr als im Jahre 1896 und um 47 weniger al im Jahre 1895. Gestorben sind 182 Personen (107 männl. 75 weibl. Geschlechts). Am Heiligen Abendmahle haben 1153 Personen teilgenommen. Zum Austritt aus­ dem Verbande der evangelischen Kirche haben sich 18 Personen gemeldet; den evangelischen Glauben haben 5 Katholiten und 3 Fraeliten angenommen. (Ein „Journalist.“) In der Hauptstadt machte dieser Tage eine Erpressungsaffaire mit angeblichen Briefen des Königs Alexander von Serbien, wobei eine Droheumfängerin Rosa Bento und ein „Journalist” A. Kovacs, die Hauptrolle spielen, viel von sich reden. Beide sind von der Polizei in Haft genommen geworden, Kovacs — er hieß früher anders — scheint der Leiter der Affaire ge­wesen zu sein, und war erst Zögling der Schauspieler­­schule, sagte jedoch der künstlerischen Laufbahn, bevor er sie noch angetreten, Balet und wurde Mitarbeiter des in Klausenburg erscheinenden oppositionellen „Elenzet”, von nun er zu einem Debreziner Blatte und von dort zu dem offiziellen Telegraphen-Porresponderzbureau­ in Budapest übertrat, bei welch leiterem Unternehmen er mehrere Jahre lang verblieb. Nun trat er in die Redaktion der „Magyar Ujsag” ein und verblieb hier vier Jahre, während welcher Zeit er der Polizei für gutes Geld Agentendienste leistete. In dieser Zeit geschah er auch, das Kovacs „Katholik” wurde. Als Taufpate fungierte bei diesem feierlichen Alte der damalige Redakteur der „Magyar Ujlag“, Neichstagsabgeordneter Dr. Franz Fenyvessy. Als „Magyar Ujlag“ im ver­­troffenen Jahre mit dem „Nemzet” verschmolz, wurde er auf Grund guter Em­­pfehlungen Mitarbeiter des äußert linken „Magyarorfag”. Oberstadthaupt­­mann Bela Rubnay äußerte sich einigen Journalisten gegenüber über Afer­ Kovacs folgendermaßen: Alexander Kovacd war mir vom ersten Tage meines Amtsantrittes an sehr verdächtig., Kaum daß ich meine Stelle als Oberstadt«­­hauptmann einnahm, kam Kovacs zu mir und offerierte mir seine Dienste — gegen gute Entlohnung. ZH verabscheue jedoch die sich selbst anbietenden Spione und gab ihm eine abschlägige Antwort. Dafür wurde mir die zwweifel­­hafte Ehre, daß Kovacs eine zeitlang in der­ „Magyar Ujfag“ mich und die P­olizei heftig angriff. Dieser Herr hat aber nicht nur gegen den serbischen König eine Erpressung versucht, sondern er versuchte schon seit geraumer Zeit sein Glück auch bei anderen. Sehr wird die Untersuchung auch auf diese Affairen ausgedehnt. So viel steht fest, daß er an mehreren Orten auch­ meinen Namen mißbrauchte, und sich, mit seiner Verbindung mit mir prahlend, Geld zu erpressen versuchte. P­reßsti­mmen zum Prozeß Dreyfus-Esterhazy.) Weit über die Grenzen Frankreichs hinaus, in der ganzen zivilisierten Welt, ist man dem Verlaufe im Prozeß Dreyfus-Ehterhazy mit Spannung gefolgt. Ueberall, wo noch das Rechtegefühl vorhanden ist, Herrscht sein Zweifel da­­rüber, daß Hauptmann Dreyfus auf Grund unzureichenden Beiweismateriales verurteilt wurde. Diesen Anschauungen giebt die Presse in ganz Europa un­­verhohlen Ausdruch. Anders ist es freilich in Frankreich, speziell in Paris. Den meisten Blättern gilt die Freisprechung Eshterhazys durch das Kriegs­­gericht als ein Triumph des Patriotismus und der gerechten Sache! Im „Belair“ schreibt Thiebaud, einer der geistigen Urheber des Boulangismus: „Die Bewegung zu Gunsten des Dreyfus ist ein bloßer Vorwand zur Be­­gründung einer dauernden Herrsschaft der englisch-deutschen Juden- und Pro­­testantengruppe über Frankreich. Die Protestanten spielen in der Republik eine übermächtige Role. Durch die Dreyfusjadhe wollen sie ihren erschütterten und schwankenden Einfluß auf die Regierung und öffentliche Meinung wieders herstelen. E83 beunruhigt die Protestanten, daß sie die Regierung den Krieg gegen die Katholiken einstellen und diese bei den Wahlen begünstigen sehen. Er geht ihnen auch sehr gegen den Strich, daßs das Auffenbündnis den Plan des französisch-deutschen und französisch-englischen modus vivendi eingenommen hat, zu dem ihre Abstammungs- und Glaubendgemeingefühle sie hinzogen. Was also bei dem beginnenden Rechtskampfe in Frage steht, ist nicht Die Freiheit eines Verräters, sondern die Selbständigkeit unserer Regierung, die Unabhängigkeit unseren Voltes.“ Das „Petit­ Journal“ erklärt, daß diejenigen, die das Kriegsgericht zu verdächtigen wagen, das Vaterland insultieren würden, die verächtliche und lächerliche Bande der Verteidiger des Verrats hat nunmehr den Richterspruch des Geiegess zu erwarten. — Das „Echo de Paris“ sagt, durch den Prozeß wurden alle Franzosen daran erinnert, daß es ein Deutschland gebe; man müsse sie des gestrigen Tages als Triumph des V­aterlandes, der Armee und ihrer Fahne freuen. — „Gaulois“ ruft, die Armee sei gerät, und nun sei die Wahrheit proklamiert. Auch das „Evenement” findet, daß durch das Urteil die Armee gerächt worden sei. — Der „Bigaro”, welcher kürzlich noch sehr Lebhaft für Die Revision des Prozessed Dreyfus eintrat, schreibt in einen Reitartikel unter dem Titel „Die Liquidierte Angelegenheit“: Jedermann wird sich vor dem gestern gefälten Urteil verneigen. Es ist weder zulässig, noch möglich, daß das Land gegenüber einer solchen Affaire noch länger Hyp­­notisiert sei. (Ein Polizistennriff.­ Eines eigenartigen Mittel bediente sich dieser Tage ein Inspektor der Pariser Geheimpolizei, um einen langgesuchten gefährlichen Verbrecher, Georges Lambinet, genannt Legraineug, dingfest zu machen. Der Beamte erblichte Lambinet in einem im Zentrum der Stadt gelegenen Cafee; er wußte, daß der Bandit bewaffnet und fest entschlossen war, den ersten Polizisten, der ihn festnehmen wollte, niederzuschießen. Der vorsichtige Snipettor wollte sich auf eine derartige „Seuerprobe“ nicht ein­­lassen; es kam ihm auch schnell eine glücliche­dee, wie er sich den gefähr­­lichen Burschen, ohne Lebensgefahr zu laufen, bemächtigen könnte. Er lebte sich an einen Tisch, nahe dem Lambinets und schrieb folgendes nieder: „Da ich nicht allein den Lambinet, gegen den ich einen Haftbefehl in der Tasche habe, festnehmen kann, so werde ich ihm sein Portemonnaie stehlen, damit er mich auf die Polizeimache führen lasse. Ich bitte den Chef ver­sache, mir beizustehen, wenn er diese Zeilen gelesen haben wird, und Lambinet daran zu verhindern, Schaden anzurichten.” Dieses Schreiben legte der Inspektor in sein Bortefeuille, verließ gleichzeitig mit dem V­erbrecher das Cafee und zog

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