Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1899. Januar (Jahrgang 26, nr. 7615-7639)

1899-01-15 / nr. 7626

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Reissen­­berger, Schässburg Fritz Teutsch, Bistritz Arthur v. Schankebank, Mühlbach Josef Wagner, Kauff­mann, Broos H. Graef, Reps Johanna Guiesch, Buchhandlung, Wien Otto Maas (Haasenstein - Vogler), Rudolf Mosse, A. Oppelik, M. Dukes, Heinrich Schalek, J. Danneberg, Inseraten­­bureau „Die Annonze“, Budapest A. V. Gold­­berger, B. Eckstein, Frankfurt a. M. G. L. Daube & Co. Insertionspreis: Der Raum einer einspaltigen Garmondzeile fostet beim einmaligen Einladen 7 Fr., das zweite­­mal je 6 fr., das drittemal je 5 fr. d. W. ex­­klusive der Stempelgebühr von je 30 Fr. 1899 Antwort: Das „Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt” Hat in den vorausgegangenen Nummern zwei Auffüße „Auch ein Wort zum Frieden“ aus der Feder eines Grünen veröffentlicht. Der Beifafser hat, wie er selbst jagt, vertrauensvor uns gleichsam in der eigenen Wohnung aufgesucht, um die hüben und drüben, wie beiderseits beteuert wird, angestrebte Verständigung zu erleichtern. Nicht nur die Gastfreundschaft hat ung geboten, den Verfasser ruhig anzuhören und in seinem „Wort zum Brieden” mit seiner Bemerkung, mochte er auch eine solche Hin und wieder seinen Ausführungen gegenüber und aufdrängen, zu unterbrechen, sondern auch unsere Freude über seinen ehrlichen Willen, zur Beilegung des häßlichen Bruderzuwistes beizutragen, hat unser gespanntes Interesse an seinen Ausführungen von Anfang bis zu Ende gefangen ge­­nommen. Der Berfaffer hat den Standpunkt seiner Partei überaus geschickt und gewandt bertreten, so daß feine Gesinnungsgenossen einen besseren Anmalt ihrer Sache sich kaum unwünschen können; er hat aber all zugleich mit einer Höflichkeit uns, den „Gegner“, behandelt, die wir bisher in dem publizistischen Verkehr mit feinen Gesinnungsgenossen schmerzlich vermißt haben. Die von den Engländern in ihrem politischen Parteileben geübte Regel: „Man muß einen politischen Gegner selbst in Angriffen so behandeln, daß man noch den­­selben Tag ohne Verlegenheit mit ihm an einem Zirche essen kann“, ist in unserm Barteifampfe leider nicht beobachtet worden, so daß schon der vor­­nehme, an diese Negel sich haltende Ton in der Aussprache des „grünen“ Verfassers und auf angenehmste berühren mußte.­­ Nachdem das „Wort zum Frieden“ auch von dieser Seite gesprochen worden, ist die Reihe an uns, zu antworten. Zunächst sprechen wir dem Verfasser unsern von Herzen kommenden Dank für seinen freundlichen Besuf aus, aber wir möchten unsere Antwort nicht bloß auf einige verbindliche Lebensarten beschränken. W Andererseits sind wir uns dessen bewußt, daß wir nicht zu viel sagen dürfen, da Groß dem eifrigsten Bestreben, die Empfind­­lichkeit des „Gegners“ zu schonen, bei längerer Ausführung leicht ein Wort entschlüpfen könnte, das, ohne es zu wollen, auf der andern Seite verlegen könnte. Auch wir wollen Rekriminationen vermeiden, einen Schleier über die Vergangenheit breiten, unsere eigene Empfindlichkeit unterdrücken und schwere, und zugefügte Kränkungen, wie sie unter V­orlagen offen verlegender kaum ges­cacht werden können, vergessen. Der Beifafser der Auflage „Auch ein Wort zum Frieden“ hat uns die Antwort wesentlich erleichtert, indem auch er nachbrüchlich betont, daß seit dem Austritte unserer Reichstagsabgeordneten aus der Regierungspartei jeder fachliche Unterschied zwischen den Parteien der „Gemäßigten“ und der „Grünen“ aufgehört habe. Nach seiner Aussage hält nur das „Mißtrauen“ die Parteien auseinander und jede in voller Rüstung beisammen. Die Grünen mißtrauen den Führern der Gemäßigten; sie fegen Zweifel in deren Ent­­schlossenheit, die Iinteressen des sächsischen Volkes gegenüber den Gefahren, die ihm, insbesondere auch seitens der chauvinistischen Staatsgewalt, drohen, mit derselben Entschiedenheit und mit dem gleichen Ernste zu verteidigen, wie sie dies in den siebziger und achtziger Jahren gethan haben. Wir wollen davon absehen, daß dieser Zweifel als eine Kränkung von den Männern empfunden werden könnte, welche seit zwanzig Jahren und noch länger die öffentlichen Angelegenheiten des sächsischen Volkes leiten und sei 23 im Kampfe für be­­drohte Güter unseres Volkes, sei es in nicht minder mühevoller und an­­strengender Friedensarbeit für die Wohlfahrt v dieses Volkes den Beweis ge­­liefert zu haben glauben, daß sie sein anderes Lebensziel fennen, als die Erhaltung und Kräftigung unseres Volkstums, e 3 mag fein, daß sie sowohl im Kampfe, als auch in ihrer Friedensarbeit nicht immer die Erfolge er­­rungen haben, die wünschenswert ge­wesen wären; ed mag auch sein, daß sie, um in lieb gewordener Innerarbeit durch Kampfgetöte nicht gestört zu werden, in der Friedeneliebe bis zur alleräußersten Grenze, ja noch weiter, als es nach den Ansichten der „Brünen“ zulässig ist, gegangen sind. Aber — fragen wir — haben diese Männer bei allen Fehlern, die ihnen anhaften mögen, sei es in der Kampfzeit, sei es im der Sommerarbeit für das Volk, sei es in der Gethätigung ihrer Friedensliebe Grund zu dem Argmohn gegeben, daß sie eigennügige Ziele und Vorteile verfolgen, aber es mit ihren Versicherungen nicht aufrichtig meinen? Je länger der Lebenslauf dieser Männer ist, um so mehr ist die Gelegenheit zur Probe auf ihre öffentliche Vertrauenswürdig­­keit gegeben; manche von ihnen sind der auch an sie, wie an andere heran­­getretenen Berauc­ung, äußere Ehren oder Vorteile für sich zu erwerben, ab­­lehnend aus dem Wege gegangen. Wenn sie nicht matt und müde geworden sind, sondern im­ öffentlichen Leben ausharren, so ist es nicht Herrschsucht, die sie auf ihrem Bosten Hält; denn was kann die Enge unseres Lebens und unseres Kleinen Boli3iums viel bieten, daß vie Herrichbegier reizen könnte ? &3 sei denn die Dornenkrone der Verkennung und auch —­uBerlästerung, die fill und ohne Murren zu tragen oft ein Korollar öffentlicher Wirksamkeit, aber gewiß kein Vergnügen is. Wenn sie aushalten, thun sie es in dem Glauben und Pflichtgefühl, ihre Kräfte für das Bolt nüglich zu machen. Wenn sie, nach der Ansicht des einen oder dem andern, fehl gehen oder gegangen sind, so haben sie den Fehler nicht auf der Jagd nach eigenem Vorteile, sondern im Dienste für das Volkstum und in der redlichsten Absicht, ihm zu wüßen, begangen. Gemwiß hat aber ihr Verhalten während ihres ganzen Lebens, sei es im Kampf, sei es in der Arbeit, niemandem ein Recht gegeben, an der Ehrlichkeit ihrer Absichten und an der Aufrichtigkeit ihrer Ber­­eicherungen, daß sie dieseg oder jenes wollen, daß sie den Kampf für unver­­meidlich oder die ungestörte Vortregung der Arierarbeit für wünschenswerter halten und daß sie gegenwärtig die Beseitigung des Bruderzuwistes „als der Uebel Größtes“ anstreben, zu zweifeln. Und dennoch das Mißtrauen? So wohl, aus diesem Mißtrauen und aus der Steigerung der Barteileiden­­schaft, die auch das Harn­e Auge immer mehr trübt und schließlich blind macht, ist es zu erklären, daß diese Männer in der Vorstellung der „Brünen“ allmählich Berrgestalten, geradezu nicht mehr zu erkennende Karikat­­ren ge­­worden sind, die der Wirklichkeit Hohn sprechen. Bartel leidenschaft mwedt Gegenleidenschaft, und er mag zugegeben werden, daß intra et extra muros gesündigt worden und ebenso die „Gemäßigten“ die „Grünen“ in verzerrter Gestalt erbliden. Die Barteileidenschaft schafft Teufelswert, und nur wenn der Spur vor ihm windet, wird man, wie die von Mephistopheles verblendeten Studenten in Auerbachs Keller, erst gemacht, daß man die Nase ds Nächsten fälschlich für eine Traube gehalten hat und dem gegenseitigen Abschneiden nahe gewesen ist. Hinweg mit dem Zweufelssauf des P­arteigeistes­ und mir werden auf beiden Seiten wieder Blarer und die Berr gestalten, die nur im eigenen Wahne gezeugt sind und ein Scetäleafein führen, wie böse Schatten plöglich versc­­winden sehen. Der Berfaffer der Auflage „Auch ein Wort zum Frieden” erwähnt, daß in legter Zeit das Mißtrauen der Grünen durch das Vorgehen der Ge­­mäßigten bei der Reichstagswahl in Hermannstadt und bei den Ergänzungd­­mwahlen für die Hermannstädter Stadtkommunität neue Nahrung erhalten habe, indem die Gemäßigten, anstatt „ein Reichen ihrer Versöhnlichkeit und Ge­­neigtheit zum friedlichen Ausgleich” zu geben, die Vorschläge der Grünen in beiden Wahlangelegenheiten nicht berücksichtigt haben. Die Erklärung hiefür liegt in den eigenen Worten des geehrten Verfassers, „daß wir (die Grünen), die wir seine Beachtung fanden, wie es schien, weil wir unseren fachlichen Argumenten durch seine große Anhängerschaft Nachdruck verleihen konnten, nun darnach traten, unseren Anhang zu vergrößern, an einer Minorität eine Majorität zu werden“, und in dem weiteren Eingestängnisse, „auf kürzerem Wege, als es in normalen Verhältnissen zu geschehen pflegt, im solche Stellungen zu gelangen, die uns Gelegenheit bieten, unter spezifisches Gewicht zu erhöhen.” Die Vorschläge der Grünen in beiden Wahlangelegenheiten sind von den Gemäßigten eben alle Mittel der Partei taktik aufgefaßt und als solche zurücke­wiesen worden. Wir nimmen auch darin mit dem Verfasser überein, daß dies „Kraftproben” seien, „deren taktische Notwendigkeit und Bedeutung im Warteilampf niemand bestreiten kann und die mit diesem selbst naturgemäß sofort aufhören.” Gemeiß, mit dem Aufhören des W­arteilampfes werden auch solche „Kraftproben” über­­flüssig werden, und dann werden die „Gemäßigten“ auch ihrerseits­ mit Spenden dazu beitragen, daß michtige Vertrauensposten von „Grünen“, in deren Reihen Hervorragende Kräfte thätig sind, zum Nagen für Volt und Baterla­nd belegt werden. Aber leider ist der Parteikampf noch nicht begraben; nur der Wille ist vorhanden, ihn zu beseitigen und dem grausamen Spiel ein Ende zu machen. Wir begrüßen es freudig, daß der Verraser in seinen Auflagen dem Frieden ein so kräftiges Wort redet; allerdings meint er ehrlich und offen, daß er sein Mandat hiezu von seinen Gesinnungsgenossen Habe. Ob bei allen feinen Genossen die ehrliche Friedensliebe in gleichem Maße obwaltet, wie bei ihm und bei uns, das wissen wie nit und künnen es nicht wissen, so lange die „Kronstädter Zeitung“, wie dies fast Nummer für Nummer geschieht, in Hermannstadt geschriebene Artikel veröffentlicht, in melden die Gemäßigten und ihre „Führer“ der „Unaufrichtigkeit” gröblich geziehen, wie Elende bes handelt werden und in einem Tone von ihnen gesprochen wird, wie ihn die Schreiber jener Korrespondenzen — mir sind überzeugt — dem schlechtesten Dienstboten gegenüber nicht anschlagen werden. Um den ersehnten Frieden unter uns herbeizuführen, muß vor allem die Parteipresse sich eines die gegenseitige Achtung nicht aus dem Wege ver­­lierenden Zones befleißigen, wie er so unwohlthuend und nachahmenswert aus den gediegenen Aufgaben des BVerfassers „Auch ein Wort zum Frieden" klingt. Der Friedensschluß erscheint und dann nicht schwierig, weil keine Partei ein sachliches Opfer zu bringen braucht, da beide Parteien in der Sache überein­­stimmen. Er bedarf bloß persönlicher Opfer, insoferne die Mäßigung persön­­licher Leidenschaft und die Zurückdrängung der Empfindlichkeit überhaupt ein Opfer genannt werden kann. Wir missen mehr, daß die berghohen Miß­­verständnisse, welche der Parteigeist mit jahrelangem Ameisenfleiß aufgetürmt hat, nicht mit einem Schlage aus der Welt geschafft werden­­­önnen, daß vielmehr redliche und angestrengte Arbeit auf beiden Seiten nötig ist, um den P­arteischutz hinwegzuräumen. Dabei erbitten wir für uns Nachsicht, wie wir sie auch den anderen gegenüber zu üben bemüht sein wollen. Die gemeinsame Arbeit bei der Abtragung des berghohen Schutzes von Mißverständnissen ist am meisten geeignet, das böse Mißtrauen, das unsere Beziehungen vergiftet, zu bannen. It dieses endlich geschwunden und das gegenseitige Vertrauen wiedergeführt, dann wird und muß der lechte Schritt zum Friedensschluß, die Abrüstung beider Parteien, erfolgen und müssen die besonderen Bartels­organisationen in „Montagabenden“, „Mitthwochabenden“ und wie sie sonst heißen mögen, verschwinden, so daß wir und nur auf dem einzigen Boden der unserem Bolfsprogramme entsprechenden DOrganisation, in den reiß­­ausschüffen und im SBentralausschusse — nicht als Gegner, auch nicht als Sieger oder Besiegte —, sondern als Freunde mit eigener Heberzeugung und als dienstwillige Söhne eines Volkes, das auf alle seine Kräfte angewiesen ist, zusammenfinden werden. Ob dieser Schritt sich von selbst vollziehen wird oder ob besondere „Friedenskonferenzen“ demselben vorausgehen werden, mag heute unerörtert bleiben. . Desterreich-U­ngarn in Mazedonien. Dir: Münchner „Allge­meine Zeitung“ erhält unterm L. d. M. aus Sofia folgenden bemerkens­­werten Bericht: „Es hat Erstaunen erregt, daß ich Oesterreich-Ungarn neulich in der mazedonischen Frage und erste Treffen gestellt hat. Eine Audienz des Österreichisch-Ungarischen Bottgasters in Konstantinopel beim Sultan und die gleichzeitige Hervorhebung der Notwendigkeit mazedonischer Reformen in der Wiener Regierungspresse leiteten diese Aktion öffentlich ein. Man fragt sich, welche Gründe Rußland bewogen haben, der habsburgischen Monarchie in diesem Falle von Vortritt zu lassen, und wundert sich auch, das Oesterreich- Ungarn sich jeit plöglich wieder seiner Rolle als Orientmacht erinnert, welcher er z. B. auf Kreta freiwillig entsagt hat. Indem die Russen in der maze­­donischen Frage gegenüber Defterreich: Ungarn in den Hintergrund treten, üben sie sozusagen einen Höflichkeitsakt, der geeignet ist, Defterreichs moralisches Ansehen, dessen er bei seinen immer heisser werdenden inneren und äußeren Verhältnissen so jeder bedarf, zu heben. Es fragt sich bloß, ob Oesterreich Benilleton. Der Eltern Erbe Roman von DO. Elfter. (28. Fortlegung.) XV. In dem großen Saale des vornehmsten Hotel$ von Saßnig war Die Badegesellschhaft zu einem Konzert versammelt, welches man zur Unterstüßung der durch den Sturm geschädigten Fischerfamilien veranstaltet. Mehrere Damen waren zu einem Komitee zusammengetreten, dessen P­rotektorat eine Fürstin über­nommen. Die Künstleer und Künstlerinnen gehörten der Gesellschaft an; es wurde gesungen und einige Klavierstücke vorgetragen. Da die Fürstin ihr Erscheinen zugesagt, war der Saal selbstverständlich überfüllt; niemand wollte zurückleiben, jeder die hohe Dame sehen und­­ vom ihr gesehen werden. Ein Glanz der Toiletten wurde entfaltet, als befände man sich auf einem Hofkonzert. Man befand si) in gehobener feierlicher Stimmung. Lebhaft schmirrte das Geplauder, das Lachen durch den Saal, das erst verstummte, als die Fürstin in Begleitung mehrerer Hofdamen und Herren vom Dienst eintrat und sich auf den gegen die andern Site et­was erhöhten Prag niederließ. Der Kapellmeister erhob den Taktstod und der Hoczeitsmarich aus Lohengrin 30g in feierlichen Tönen durch den weiten Raum. In einer der vordern Reihen saß der Bankier Walterling mit Familie. Mechthild sah blendend schön aus im­mer rostbaren Seidenrobe; in ihren goldenen Loden birgten Diamanten, um ihren schimmerenden Hal wand sich eine breite doppelte Kette echter, mattweißer Perlen. Die Blide der Herren hingen bewundernd an dem schönen Mädchen, auf desssen leicht gerötetem Antlig ein stolzes Lächeln ruhte. Einen eigenen Gegenfaß zu Mechhilds strahlender Schönheit und blü­­hender Frische bildete das bilaffe, ernste, finstere Untlig Egons, der Hinter ihrem Stuhle Hand und mit düstern Augen nach dem Podium starrte, auf dem die Damen und Herren Bloß genommen hatten, welche das Konzert gaben. Sehr trat die lebte der Damen auf das Podium, eine schlanze Gestalt mit blassem, edlem Gesicht und großen, nachtdunkeln Augen, Grete Cordes­­ Egon zuchte leicht zusammen, und seine Hände umk­ampften fester die Lehne des Stuhles. Mechthild sah mit spöttischem Lächeln zu ihm auf. „Deine Rousine in ihrem einfachen weißen leide hebt sich trefflic gegen die Übrigen Sängerinnen in den reichen Toiletten ab“, sagte sie Leicht hin, während da ein scharfer Blick aus ihren Augen ihn traf. „Wie kommt Fräulein Cordes nur dazu, in diesem Konzert mitzuwirken?” fragte Frau Walterling erstaunt, „Ich sprach heute Morgen ihren Vater auf der Promenade”, entgegnete der Bank­er. „Er erzählte mir, daß Grete der Aufforderung nur nachge­­kommen wäre, weil es sich um ein Wohlthätigfeitäfongert gehandelt.” „Wir hätten Cordes da wohl zur Hochzeit einladen müssen“, meinte Frau W­alterling. „Deine Mutter, Egon, welche morgen eintrifft, wird gewiß erstaunt sein, ihren Schwager hier zu treffen.“ „Cordes reift übermorgen schon wieder ab”, sagte der Bankier, Egon sprach sein Wort. Er preßte die Lippen fest auf einander, ein wildes Weh quoll in seinem Herzen empor. An dem Tage, an dem er den frevelhaften Ehebund schloß, verließ Grete die Stafel — sie würden si niemals wiedersehen. Wäre doch alles erst vorüber ! Das Konzert nahm in ununterbrochener Reihenfolge seinen Wortgang. Egon hörte wohl die Lieder und die Klavierstücke, aber wie das M­auschen des Meeres schlugen die Töne an sein Ohr, er unterschied keine Einzelheit, er mußte nicht, was dort gesungen und gespielt wurde, in düsterem Sinnen hingen feine Blicke an der schlanken edeln Mädchengestalt dort ‚oben, deren einfaches weißes leid und welliges dunkles Haar einige blutrote Nosen schmückten. Wie dunkle Blutstropfen erschienen ihm diese roten Motten; vor seinen Augen wogte er blutigrot auf und ab, flimmerte er blutigrot, wie ein Meer von Blut. Sebt erhob si Grote und trat an den Flügel, beugte sich zu dem Spieler nieder, ihm einige Worte zuflüsternd. Dieser nichte leicht mit dem Kopfe und begann das Vorspiel. Und dann legte Grete mit ihrer tiefen, weichen, zum Herzen dringenden Altstimme ein — und Egon erbebte, wie die vom Stur­mwind berührte einsame Fichte auf kahler Bergeshöhe. Tiefe Stille Herrschte in dem Saale, Atemlos lauschte man den er­­greifenden Tönen, jeder fühlte, daß diese Worte und Töne aus dem tiefsten Herzensgrund der Sängerin sich emporrangen. Wie ein ersterbender Seufzer Bangen bie legten Worte des Liedes duch den Saal: „Reine Schwalbe bringt — feine Schwalbe bringt Dir zurück, wonach du weint — Doch die Schwalbe singt, doch die Schwalbe singt Am Dorf wie einst. Wohl die Schwalbe kehrt, wohl die Schwalbe kehrt Und der leere Ratten schwoll, Iit das Herz geleert, ist das Herz geleert, Wird’s nie mehr vol — — —" Tiefe, lautlose Stille berichte, da gab die Fürstin das Beichen, und jubelnder Beifall durchbrauste den Saal. Mechthilds Antlig hatte einen ernsten Ausdruch angenommen. Auch sie war durch das einfache schöne Lied bewegt; ein Gefühl der Reue über manche Lieblosigkeit ihrem Bräutigam gegenüber schlich fi in ihr Herz, sie wollte ihm gi freundliches Wort sagen und wandte sich nach ihm um — sein Plaß war leer. In ihrem Auge bligte er trogig auf. Ihr Blick begegnete dem scharfen Auge Rinkenbachs, der sich leicht gegen sie verneigte: „Sie suhen Egon, Gnädigste?” flüsterte er ihr zu: „Es fehlen tief von dem Biebe seiner Rousine ergriffen, ich sah Thränen in seinem Wege stehen, als er den Saal verließ. Er befigt doch ein gutes Herz, unser Egon*, feßte er spöttisch Hinzu, Das Konzert war zu Ende, Die Fürstin ließ si­che Künstler und Künstlerinnen vorstellen; sie reichte Grete die Hand und sprach freundlich: „So habe mich über Ihren seelenvollen Vortrag sehr gefreut, mein Liebes­träulein. Hoffentlich habe ich in der Residenz noch öfter das Vergnügen, Sie singen zu hören.“

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