Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1921. Juli (Jahrgang 48, nr. 14452-14478)
1921-07-31 / nr. 14478
« Seite 2 Hermannstadt, Sonntag TU 7 Wießenbäratig zeutgen Kagerlatl TU Ins cum Nr. 14478 und DVervollfommnung. Und nun besteht gerade durch diese Agrarreform die Gefahr, daß auch die Hutweiden an vielen Orten verkleinert oder zerstört werden. Das ist gleichbedeutend mit einer Proletarisierung der Kleinbauern. (Lebhafter Beifall.) Also auch in sozialer Hine erfüllt der vorliegende Entwurf seine Aufgabe nicht. Vor allen Dingen aber stoßen wir uns daran, daß der Entwurf voller Widersprüche und Unftarheiten ist, die bei seiner Durchführung zu tausend Unruhen und Willfürarfen Veranlassung geben werden. Gerade bei Fragen, die das Eigentum berühren und deren Behandlung die Habgier und andere Instintte des Menschen in Bewegung fegt, ist eindeutige Klarheit notwendig. Der Ausdruf „fa va puten“ dürfte in einem holhen Gefes gar nicht vorkommen, während er in der Tat in jedem Paragraph zu lesen ist. Schon bei den Zwangsverpachtungen auf Grund des Defretgesehes aus 1919 haben wir die traurigsten Erfahrungen gemacht. Rede Comisse jedetana hat willkürliche Entscheidungen gebracht und si durch seine obere Behörde beeinflussen hassen. Zulett ist eine derartige Rechtsunsicherheit eingetreten, von der man sich nur eine Vorstellung machen kann, wenn man die einzelnen Fälle kennt. Um das oft nun glaubliche Vorgehen dieser Kommissionen zu charakterisieren, will ich als Beispiel nur den Fall einer Gemeinde anführen, der die Gomisie judetana von ihrer nicht genügenden Humeide von 550 Joch 230 nimmt, dann ihr auf Grund einer Appellation von dem Gebiet einer anderen Gemeinde 130 Joch wieder gibt, hierauf Bei einer dritten Verhandlung auf Anordnung des Comitet agrar” in Klausenburg, das einfach, daß Die K Gemeinde für ihr Vieh zu wenig Weide hatte, ihr nicht etwa Weide gibt, sondern ihr die 139 Joch und noch 80 Joch dazunimmt. Hierauf wendet sich die Gemeinde wieder an das Comitet agrar, der Herr Minister Bir Ni in die Sade ein .— und heute noch ist es nicht xungen, die Komitatskommission dazu zu bringen, deremeinde ihr Recht zu geben. Sind solche Vorgänge ichr einfach unglaublich? Leider sind sie aber Wahrheiten. (Beifall.) Solche Erfahrungen müssen uns mit tiefem Mißtrauen erfüllen, das nur dann verschwinden kann, wenn man alle Unklarheiten des Geheges ausscheidet und wenn man die Durchführung der Agrarreform unbedingt den Entscheidungen unabhängiger richterlicher Instanzen über Häßt, bei denen alle politischen oder parteilichen Einflüsfe und Interessen doch mehr oder weniger ausgeschaltet sind. Das ist eine Genen, die wir erheben müssen. (Liebhafter Beifall.) Das sind in aller Kürze die hauptsächlichsten Motive, die uns beswegen, gegen das Gejäß zu stimmen. Der Gefegentwurf in seiner vorliegenden Fassung ” ‚weder geeignet, die Stteirhaft, noch die soziale Aufgabe der Agrarr gen Ben 5, erfüllen. Dazu kommt, TMe ungenügendens Bestink seinww mungen über die 7 zung der Agrarreform eine Duelle von Unruhen und Willkürakten in der Zukunft bilden werden. Wir miüssen leider gestehen, daß der Entwurf in feiner j ber dem Deftetgen Gestaft gegebeieh von 1919, mit dem wir uns in eßlich Hätten aber tönnen, und gegenüber dem Entwurf, der der mmäision zur Beratung vorlag, wesentliche Verschlechterungen enthält. — Deshalb ist er für uns in Dieser Borm schlechterdings unannehmbar. Wir haben Teider nicht die Hoffnung, daß unser Standpunkt durchdringt und der Entwurf in der Generaldebatte abgelehnt wird — aber die Zuversicht haben wir — und en das offen aussprechen — daß die Herren in Spezialdebatte den Anträgen zustimmen werden, die wir zur Verbesserung und Marketing des Entwurfes stellen wollen. Unser Bestreben ist, sachlich mitzuhelfen, damit möglichst Belfrommenes zum Segen unseres Staates geleistet werde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mir schließlich noch eine allgemeine Bemerkung erlauben. Bei der Art, wie Sjegentwirfe in die Hand gehen worden sind, ist eine fachliche Beratung nicht möglic. 8 ist vorgekommen — und bei diesem Entwurf ift es ja auf “ —, daß wir selbst die wichtigsten Vor- Tagen erst 1 bis 2 Tage vor der Beratung im Plenum in die Hand bekamen. Kein Mensch ist imstande, sie gründlich studieren. Bei solchem Vorgehen verliert unsere Arbeit hier ihren ganzen Erast und wir erniedrigen unsere Würde als Abgeordnete und die Bedenkung des Parlamentes. Ich 2. die Bitte an die Re-gent, in dieser Beziehung in Zukunft unbedingt Wanzu schaffen. E ist das ein Landesinteresse. (Lebhafter Beifall auf den Ränten der deutschen Abgeordneten.) falls dort hätten und durch sie ihre Interessen wahren wollten. Ueber die sogenannte Regierungskrise sagte der Abgeordnete, daß man hierzulande mit Voraussagungen vorsichtig sein müsse. Trogdem fünne aus der Tatsache, daßs die Negierungen Nomäniens sich nie eines langen Lebens erfreuen, sondern stets nach ein bis anderthalb Jahren vom Schauplage abtreten müssen, manches gefolgert werden. So ist allem Anscheine nach wieder einmal der psychologische Moment für den Sturz der bestehenden Regierung da, und die an der Regierung nicht beteiligten Parteien halten die Zeit für genommen, eine neue Regierung herbeizuführen. Dies umso mehr, als die Agrarreform Gejeß geworden ist. Diese Reform konnte nur von der jenigen Mehrheit und von den Zaranisten berantwortet werden. Die anderen, historischen Parteien hätten sie nie gemacht. && muß nun abgewartet werden, ob die Agrarfrage von Der Tagesordnung verschwindet. Falls die Bauernschaft sich mit der Neforn abfindet, wird es wohl der Fall sein — «3 sei denn, daß man sich ihrer auch weiterhin als eines Stedenpferdes bedienen will. Sollte sich das Vort mit der Lösung dieser Frage nicht begnügen, dann werden die Historischen Parteien ihren Einfluß ganz zugunsten der in dieser Frage noch radikaler als die jenige Negierung in Baronisten verlieren. Mit der Annahme der Agrarreform hat die Offensive der Liberalen, die sich mit Maniu, Niftor und Srtcufeg verbünden wollen, gegen die Averesu-Regierung eingelegt. Mit den Zaranisten könnten die Liberalen nur so anskommen, daß sie sie als Opposition dulden und ihnen 40 bis 50 Mandate sicherstellen. Averescu hat an den Baronisten seinen Verbündeten, weil die Gegenfäße im Laufe der abgelaufenen Parlamentssession gar zu groß waren. So ist für die Zukunft nur eine Komination mit den Liberalen denkbar, denn für Mar- Be ist die Zeit noch nicht gekommen und Tafeonescu kann seine Partei an sich fesseln, und diese werden sich dabei selbstverständlich die eigentliche Führung der Geschäfte sichern, indem sie die Ministerien für Inneres, Handel, Finanzen und Aeußeres für sich vorbehalten werden. Den Minderheiten muß es angesichts dieser Lage darauf ankommen, daß die Vertreter der neuen Gebiete in der neuen Negierung hauptsächlich auf die Nessorts für Inneres und Unterricht Einfluß . Bis zum Herbste wird es nun aber seine Veränderung geben, da auch die Krönung Infolge der Weigerung der Opposition, sich daran zu beteiligen, auf das kommende Frühjahr verschoben worden ist. Da aber Dies Parlament verfassungsgemäß am 15. November jammentreten muß, wird die Beilegung der Krisen tcheinlich im Oktober stattfinden. . Bis dahin müssen wir uns auf die bevorstehenden neuen Wahlen vorbereiten. Zumal die Magyaren müssen trachten, möglichst bollgählig in die Wählerliften aufgenommen zu werden. Di tählich dem Verwaltungsgefeg und der Schulfrage. Die Minderheiten müssen sich daher mit aller Macht an die Autonomie Hammern und für Manius neue Komitatseinteilung eintreten, welche die Schaffung von richtigen Minderheitskomitaten anstrebt. In der Schulfrage scheint das Führervolk die Bestimmungen de Friedensvertrages von St. Germain nicht gerne zu erfüllen. So ist u. a. im neuen Volfsschulgeseb von der Sprachenfrage seine Rede. Man beruft ich zwar an maßgebender Stelle immer wieder auf die bezüglichen Vorschriften des Friedensvertrages, ohne jedoch diese ganz allgemein gehaltenen Bestimmungen geieglich aufs Genaueste zu vervollständigen und zu einem praktischen Gefege zu machen. Diese wird eine Hauptaufgabe der Minderheitsvertreter in der kommenden Parlamentssession sein, uns bisher die einzelnen e neue Arbeit gilt dann Haupt Abgeordneter Dr. H. ©. Roth über die politische Lage. Die Klausenburger „KReleti Ujfag“ veröffentlicht in ihrer Donnerstag-Nummer eine längere Unterredung eines ihrer Mitarbeiter mit Dr. Hans Dtto Moth, bei welcher Gelegenheit unser Abgeordneter sich über alle zeitgemäßen inneren Fragen unseres Staates äußert. Da seine Mitteilungen allgemeines Interesse verdienen, geben wir sie im folgenden etwas gefürzt wieder. Dr. Roth kam zunächst auf die parlamentarische Tätigkeit der Sadissen zu sprechen, die mit vollem Nechte aktive Bolitif genannt werden künne. Denn obwohl die veuen Bertreter in der Kammer nur zehn an der Zahl sind, ist es ihnen duch ihr Auftreten noch fast Dame gelungen, etwas zu erreichen. Die für die inderheiten erzielten Erfolge könnten noch wesentlich größer sein, wenn die Magyaren ihre Vertreter ebenem Ze - 77 a . . „auferlegt, die große Gefahren in fi bergen. Selbst et englisches Blatt, der „‚Manchester Guardian”, nimmt in einem Auflage, der überschrieben it: „Ein unglückeliges Bündnis“ Stellung gegen dieses Abkommen. Unter anderem schreibt das genannte Blatt: „Das Abkommen zwischen Rumänien und Polen scheint nur gegen Rußland gerichtet zu sein, denn die beiden Nationen verpflichten sich, sich gegenseitig zu unterstüten, wenn ihre Ostgrenzen ungerechtfertigt angegriffen werden. "Diese Wendung von den Ostgrenzen fan sich nur auf Rußland et Das befreite Polen hat aber eine solche Vergangenheit, daß selost dessen bester Rotgeber, Frankreich, beim Abschluß des französisch-polnischen Bündnisses im Frühling dieses Jahres bezüglich der östlichen Grenzen Posens sich einen Vorbehalt sicherte. Ein solcher Vorbehalt it ein Präzedenzfall in der Geschichte der militärischen Bündnisse. Daß Rumänien jedoch weiterer als Srankreich, ist erstaunlich. Freili weiß man, daßs Rumänien an die Möglichkeit eines Zusammenstoßes mit einem neuen Nußland glaubt, weil es noch immer russische B Politiker gibt, die das Recht Rumäniens auf Bessarabien nicht anerkennen wollen. Allein die Ansprüche Rumäniens in dieser Beziehung sind gerechtfertigt und von den verbündeten Mächten anerkannt worden. Durch ein Bündnis mit dem ehrgeizigen Polen, das sogar ungerechtfertigte Ansprüche auf Weißrußland erhebt, können Nomäniens Rechte nicht gefährdet werden. Leber kurz oder lang muß die Ostgrenze Polens revidiert werden. Rumäniens Bündnis mit Polen wird aber nur den Widerstand der ehrgeizigen polnischen Führer stärken und dadurch den Frieden in Osteuropa gefährden. . Das rumänisch-polnische Bündnis. „Monitorul Oficial” hat kürzlich den Inhalt des Militärbündnisses zwischen Rumänien und Polen veröffentlicht. Der Vertrag, der von Take Ionescun im Namen Rumäniens und vom Fürsten Sapieha seitens Polens unterzeichnet worden ist, hat eine Güftigkeit von fünf Jahren. Die unwichtigsten Bestimmungen dieses Vertrages sind: $ 1. Rumänien und Polen verpflichten ih, ji gegenseitig zu unterstoßen, falls einer der beiden Staaten ohne Herausforderung an seinen gegenwärtigen Ostgrenzen angegriffen wird, so daß also jeder der beiden Staaten dem anderen bewaffneten Beistand gewähren muß, falls einer von ihnen ohne Herausforderung angegriffen wird. $ & Damit die friedlichen Kräfte der beiden Zander tondiniert werden, verpflichten sich beide Regierungen, sich üicher diejenigen BE der äußern Bolitit zu befragen, welche ihre Beziehungen zu den örtlichen Nachbarn betreffen. s 3. Eine Militärkonvention wird die Art und Weise näher bestimmen, wie sich die beiden Staaten im Notfalle unterfrügen. Diese Militärkonvention hat dieselbe Dauer und dieselben Bedingungen wie der vorliegende Bündnisvertrag. $ 4. Wenn die beiden Staaten troß ihrer friedlichen Bemühungen sich in einem Defensivkriege befinden, so verpflichten sie si, daß Feiner ohne en ven, noch einen Waffenstillstand oder Frieden abschliegen werde. . Dieses Militärbündnis mit Polen stellen einzelne Bukarester Blätter all unvorteilhaft für Romänien ein, indem es Romänien unnötiger Weise Verpflichtungen Eine Antwort an die „dacia Traiana”. Dem Abgeordneten Dr. Hans Dtto Noth geht mal Erwiderung auf einen Auftag der „Dacia Traiana“ die nachstehende Aeußerung zu: ‚ , Die in Hermannstadt erscheinende romänische Tageszeitung», ‚Dacia Traiana” beschäftigt sich in ihrer Numemer vom 28. Juli mit einem von mir im „Siebenb.Deutschen Tageblatt‘ vor einigen Wochen unter dem Titel „Die Politis der Siebenbürger Magyaren‘ veröffentlichten Zeitauffa. Ich hatte in meinen Ausführungen der Freude über den Eintritt der Siebenbürger Magyaren in die "aktive Politit Ausdruck gegeben. Die „Dacia Traiana‘ wirft nun — ziemlich unvermittelt — die Frage auf, gegen wen sich eine eventuelle gemeinsame Politik von Sachsen und Magyaren in der Zukunft richten könne. »Jeder politische Kampf müsse einen Gegner, einen politischen Feind haben. Dieser Gegner aber könne in unserem Falle nur der romdinische Staat sein. Die Antwort auf diese Zeit außerordentlich Leicht. Das Verhältnis des ch*ftischen Dolfes zum Staat ist naturgegeben und erläutert zu werden. In politisch Kampf sei allerdings immer ein Objekt voraus, aber dieses Objektif in den seltensten Fällen der Staat selbst, sondern fast immer bloß, die Negierungspolitik, die Politik geriwister Negierungszweige oder gar nur die untergeordneter Staatsorgane. Daß das Objekt der igge Politif bisher immer nur die Regierungspolitik oder einzelne politische Maßnahmen der Regierung waren, ist wohl jedermann bekannt, Politit gegen den Staat anfs um jeden Preis zu machen,ann nicht unser Ziel und nicht unser Ehrgeiz sein. Wir kämpfen politisch nicht, so sehr gegen bestimmte Gegner, sondern vielmehr bloß, für den Schuß unserer ‚Interessen als völfische Minderheit. Daß, jedes Minderheitswoff, das an der allgemeinenspprnitit aktiv teilnimmt, grundmäßlich denselben Interessenkreis zu vertreten hat, wie wir, ist ebenfalls selbstverständlich. Wenn ich daher von den G Siebenbürger Magyaren als Mitstreitern in der Minderheitpolitik in Rumänien gesprochen habe, so war das nichts, was nicht jeder politisch Denkende als natürlich ansehen muß. Der Unterschied der Sprache, der Religion, der Volkssitten usw., von dem die „Dacia Traiana“ spricht, it allerdings vorhanden, er ändert aber nicht im geringsten etwas an der Tatsache, dass alle völkischen Minderheiten unseres Staates grundmäßlich denselben politischen und rechtlichen Sohn vom Staate verlangen und eventuell auch zu erkämpfen Haben. Zum Schifse möchte ich mit einer Frage antworten: Hält die „Dacia Traiana“ den Eintritt der Siebenbürger Magyaren in die aktive B Politik vom Standpunkt des höheren Staatsinteresses nicht für einen außerordentlich großen politischen Gewinn? Die politische Passivität von zwei Millionen Staatsbürgern ist für den Augenblick vielleicht be quem, ihre Fortdauer in der Zukunft aber könnte nur von gefährlichen politischen Folgen begleitet sein. Dr. Hans Otto Roth. .. a jä und bucht sie Entscheidung über Oberschlesien. Briands Bericht an den Ministerrat. Lyon, 29. Juli, Ministerpräsident Briand hat im französischen Ministerrat über den Verlauf der englsch-französischen Verhandlungen in der oberschlesisschen Frage Bericht erstattet. Hoffnung auf einvernehmliche Röfung. Paris, 29. Juli. Die frangösi reife prn einmütig die Hoffnung aus, an en verimmelten Sachverständigen zu einem Beischluffe kommen werden, der auch vom Obersten Nate angenommen und den beiden Staaten Polen und Deutschland zur Durchführung auferlegt werden kann. O