Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1923. Oktober (Jahrgang 50, nr. 15102-15127)

1923-10-14 / nr. 15113

I O £ & 4 g 2 # “ ' | Einzelne Ermeen Lei 2— Hermannstadt, Sonntag 14. Oktober 1923 An 15113 mallden Gineäden Lei den Bei­ne Ham ge­m 50. Jahrgang “ (©. ..) Auf dem deutsche französischen Kriegsihau­­»lag der leiten Tage it das Auftreten des Herrn Hugo Stinnes Das Hauptereignis gewesen. &so glaubt jeder, etwas sicheres von ihm zu wissen, da er mehr oder weniger von ihm gelesen hat. Er dürfte selbst in Hinter­­pommern kaum ein Mensch sein, der den Namen dieses Mannes nicht nem­men sollte. Auch in der tiefsten Bretagne oder in Tarascon rennt man ihn sicher, hält ihn viel»­leicht für den neuen deutschen Kaiser und stellt ihn neben Knaupp, Hindenburg und Bismarck. Mich erinnert er schon lange an Wallenstein, dessen geschichtliche Figur so wenig bekannt ist, und die namentlich von denen verrannt wird, die Schillers herrliche Dichtungen in Poesie und Prosa fennen. Von der Parteien Haß und Gunst enthteilt, schwanzt sein Charasterbild. . Das Zitat stimmt nicht ganz. Von der Parteien­gunst merkt man eigentli­ bhei Stinnes nicht allzu hiel, widmet doch selbst die ihm eigene Presse seiner Persön­­lichkeit auffallend wenig Raum. Dafür tobt die demo­­kratische und sozialistische Breffe gegen ihn wie den leib­­haftigen Gottreibeiuns. Herr Bernhard von der „Bof­­fi­schen“ widmet ihm im Sonntagsblatt der Dhorwache den längsten Artikel und variiert darin das Thema: Stin­­nes der Diktator — Stinnes der­ Verräter. Das sind denn wun schon Ausdrüche, mit denen ein bürgerliches Blatt haushalten müßte und­ deren Mißbrauch in britischen Yei­­­­en wie heute ebenso verfolgt werden müßte als die unge­­fegliche Diktatur und der Berrat selbst. Das soziali­­stische Amtsblatt „Vorwärts“ behandelt die zehn Forde­­rungen der Großindustrie an­ die Regierung und erklärt die Erfüllung dersele als Dun Be = 4 era den ms­ek bei er: als ai verrat und fragt, was die Großindustrie sagen würde, wenn die deutschen Gewerkschaftsführer den Franzosen ver­­sprechen würden, ihnen bei der Gelangung der Kohlen­­kieferungen gegen den Willen der Industriellen und gegen die geistlichen V­orschriften behilflich zu sein. Die Kom­­munisten sind ungefähr gleicher Ansicht; Zitate ihrer­­ Blätter sind nicht zur Hand, da­ sie gegenwärtig unter­­brüdt werden. Ihre Reichstagsabgeordneten haben je­­doch den formellen Antrag gestellt, gegen Stinnes, Bogler, Klöckner, Velden, Otto Wolff und Louis Hagen die An­­lage wegen Landesverrat vor dem Strafgericht zu erheben, weil sie ohne Verständigung der Reichsregierung mit De­­goutte D Verträge abgeschlossen haben sollen. Aber auch die Deutschnatio­nalen tadelten eine etwaige Ei­­genmäc­htigkeit Stinnes und seiner Freunde, wenn auch in bedingter Form, da sie selbst es nicht wüßten, was an der Sache wahr sei. Den Standpunkt der Regierung vertrat Innenminister Solimann (©. ®.), der mitteilte, Stinnes, Bogler und Klödner hätten sich namens des Bergbauvereines und unter Wahrnehmung ihrer eigenen I Interessen zu Degoutte begeben. Der Reichskanzler habe sie vor ihrer Abreise wegen anderweitiger Aeberhäufung nicht empfangen künnen. Nach ihrer Rückkehr hätten sie wieder vorgesprochen, hätten die berühmten zehn P­un­te auch viel anderes Material überreicht, was aber noch nicht geprüft werden konnte. Das Reich selbst habe noch nicht Stellung nehmen können, weil zuerst die Berichte der deutschen­­ diplomatischen Vertreter in Paris und Brüssel bekannt werden müssen, welche mit ähnlichen Aufträgen an die­ dortigen Regierungen abgesendet­­ worden seien. Die Antwort Dieser ausländischen Stellen müsse abge­­wartet werden. Andjere 2eser wissen aus unseren gestrigen Telegram­­men bereits die Antwort. Belgien will auf F­rankreich warten. Dieses aber will mit dem Reich nicht verhandeln, sondern bloß mit den Industriellen; das Reich müsse sich an die Reparationskommission wenden. Eine neue Stel­­lungnahme des Kanzlers legt bis zur Stunde — Nacht von Freitag auf Sonnabend­­— nicht vor. Es ist nun ein altes Gebot des Rechtes, beide P­ar­­teien zu­ hören. Stinmes hat fest selbst das Wort ergriffen und erklärt folgendes: Der Kohlenpreis ist am 30. September 1923 mit 38 G­oldmarf festgelegt worden. Der Weltmarktpreis beträgt 22 Goldmarf. Diese Diffe- And so hat die Partei des Reichskanzlers unter dessen eigener Beteiligung beschlossen, alles zu unternehmen. Damit dieses Mitverhältnis aufhöre. & müsse die Arbeitszeit Wi­zenz vernichtet die D­eutsche Ausfuhr, wie vor dem Kriege eingeführt werden. &$ solle Daher ab 8. Oktober die Ein- und Ausfuhrzeit der Bergleute in die achtstündige Arbeitszeit nicht mehr eingerechnet wer­­den, wofür der Kohlenpreis sofort auf 32 Goldmark gesenkt werden soll. Sobald sie die Gewerkschaften an die neuen­­Berhältnisse gewöhnt haben würden und die Material­­preise billiger geworden, müsse der Kohlenpreis auf 22 Soldmark herabtinten. Dieses Programm, das vom Reichs-­kanzler mitverfaßt war, sei zur Zeit der alten Koalition, also Ende September­ 1923, vorgelegen, habe einzelnen Herren­ des Kabinetts Stresemann I. aber nicht gefallen und habe zum Zusammenbruch der Koalition geführt. Da die Herren des Kabinetts Stresemann II. es nicht wagten, dieses Programm durchzuführen, sei das Dritte Kabinett Stresemann gekommen, welches nicht sehr be­­weglich sei. Man könne also eigentlich ebenso gut von einer Diktatur Stinnes wie von einer Diktatur­ Strese­­manns reden. Die Aufgabe des Raubk­ampfes sei eine mutige Tat Stresemanns ge­wesen, der am Scheitern des Widerstandes nicht die Schuld trage. Diese Schuld habe Hermes und seine unverantwortliche Finanz- und Pers­­tenpolitik. Das Kabinett Stresemann I. habe die von­ der Sozialdemokratie geschaffenen Schwierigkeiten nicht über­­­winden künnen. Seit Legien tot sei, sei eben der einzige Sozialist gestorben, der es je gewagt habe, den Massen auch etwas unangenehmes zu jagen, wenn es notwendig war. Deutschland sei in höchster Lebensgefahr. Zu Ex­­perimenten es seine Zeit. Leider sei es nicht möglich gewesen, Männer zu gewinnen — Stresemann II. —, weile eine sichere Gewähr­ für s sofortige Durchführung der notwendigen Reformen geben. Aus diesen Gründen Heraus soll »Stinnes gehandelt haben. Saß? wir zur wei­­en Schluf a. .. z­en er 2ap außer Stinnes und unabhängig bon rk­a Der Konzern Oito Wolff mit den Franzosen verhandelt habe und bereits­ zu einem Abschluß gelangt sei. Die Harpener Dergmwerksgesellschaft­ und etwa 20 andere Export- und Importfirmen stehen hinter Diesem Konzern, dem es h­aupt­­sächlich um die Reparationslieferungen zu tumn sei, mit denen er bis zum 28. Januar 1923 betraut­ geiwesen, an­ welchem Tage er im Sinne der damaligen Ver­­fügungen der Reichsregierung zu arbeiten aufgehört habe. Das techniihe D dieses Vertrages sei nun abgeschlossen; es stehe aber noch die Zustimmung der Reichsregierung aus, welche die Zahlungen übernehmen müsse, wie dies auch vor dem Stichtag geschehen sei. Die Industriellen des Wolff-Konzerns könnten seine Lieferungen auf Re­­parationsronto übernehmen, wenn sie nur dafür von der deutschen Regierung bezahlt würden, da ja natürlich die belieferten ehemals feindlichen Staaten eben nicht zahlen, wie sie es auch früher nicht getan. Der Ver­­trag zwischen Wolff und Degoutte trete also erst in Kraft, wenn er von der Reichsregierung genehmigt sei. Dieser Vertrag hat lange nicht das Aufsehen erregt, wie die Verhandlungen Stinnes und Go­­es be­wirkten. Es handelt sich hier freilich um seine Arbeitszeitverlängerung und daher scheint das Interesse der Sozialdemokratie für diese Verträge mit eben demselben Feinde gering. Bloß die Kommunisten waren, wie aus dem ersten Ausfüh­­rungen Dieses Aufjages hervorgeht, objektiv genug, die Anzeige wegen Landesverrats ebenso gegen Stinnes wie gegen Wolff einzubringen. . Sozialismus und Demokratie wettern aber nur gegen Stinnes allein. Ich glaube, daß dieser Fall Wolff lehrreich ist. Es ist anzunehmen, daß Stinnes ebenso wie Rolff die Genehmigungsklausel durch die Reichsregierung in Aus­­ichht genommen hat. Und er scheint im Uinper­­neh­men mit Stresemann gehandelt zu haben. Seit­­her ist Stresemann eine Art Diktator geworden und das Ermächtigungsgeieg gibt ihm das Recht zur Ausdehnung der­ Arbeitszeit. Und als lettes, aber nicht unbedeutend­­stes­ Argument sei­ die Aufsicht des Seindes angeführt. „Le Semps“, das Französische Negierungsblatt, tadelt Stinnes und Tobit Wolff. BDieser habe eine Kombi­­nation zur Finanzierung seiner Unternehmungen gefun­­den, jener nicht. Stinnes age sogar über Mangel an verfügbarem Gelde, was ihn aber nicht hindere, Zeitungen zur Sortlegung der Hege gegen Frankreich zu­­ unter­­halten.... &$ it interessant, zur­ Beurteilung der An­kläger und damit auch der Anflagen sogar wichtig, daß die demokratische und sozialistische Breite sich, wie gesagt, «T Pa Stinnes, nur gegen Stinnes wendet, der sich auch der bittersten Feindschaft der tschechischen und französischen Breite er­­freut. Das Sprichwort: „Sage mir, mit wem Du um­­gehst und ich sage Dir, wer Du bist!* Fann auch manchmal darauf angewendet werden, daß man einen Menschen nach seinen Seinden beurteilen konnte.. Während Die Demokraten und Sozialisten gleich Ibsens Nora, die auf das „Wunder“ wartet, mit einem endlich doch versöhn­­ten Provncare rechnen, hat Stinnes­ gehandelt. Auf eigene Veranttwortung, ohne Auftrag, augenscheinlich aber mit Wisfen des deutschen Regierungschefs. Unter ähnlichen Bedingungen war einst in der­­ u. f. Armee der Maria-Sheresia-Orden erreichbar. Der Erfolg allein konnte entscheiden. Nicht nur der Krieg ist ein „roh ger­waltsam Handwerk“, bei dem man mit sanften Mitteln nicht auskommt. Die Politik ist es im Grunde auch und die Wirtschaftspolitik ist nicht ihr zartester Seil. Uebrigens scheinen die Srangosen die deutsche Arbeitszeitverlänge­­rung verbieten zu wollen, da sie dem D­ersailler Ver­­trag widerspreche. Warum Boincare mit den Industriellen allein verhandeln will, das Reich aber an die Re­parationskommission verweist, ist so unverständlich nicht. Degoutte hat seinen englischen Kontrollor Hinter fi. In der Reparationskommission sagt ein solcher. Degoutte kann sofort abschließen. Die Reparationskommission übt französische Bürokragengebräuche und arbeitet ungeheuer schleppend. Bevor sie zum Schlusse kommt, kann viel, geschehen sein.­­ Was daher Stinnes anbelangt, so muß man, will man­ sachlich sein, warten. Mit der Anerkennung, bis sich Erfolge zeigen. Mit der Verurteilung, bis der Chef der Reichsregierung gesprochen haben wird. Was Stinnes tat, ist Mannestat, ob gut, ob schlecht. Der Mann beurteile den Mann nach Recht und. Er re­de“ N Teiani, Die Schwierigkeiten .. Kabinetts­­umbildun Gerüche über Bester zwischen Dem Sefiminister und Gond­anlinescen. D Bufarest, 12. Oktober. Die Kabinettsumbildung, deren Ergebnis morgen im „Monitorul Oficial“ verlautbart w­erden soll, scheint im Schoße der Regierung selbst auf Schwierigkeiten zu stoßen. Man spricht von tiefgehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Gaftminister und Constantinescu über die Persönlichkeiten der auszu­­scheidenden Minister. Die Tatsache, daß Sonstantinescu den gestrigen Ministerrat vorzeitig verließ, hat viel Be­­achtung gefunden. Er sträubt sich nämlich gegen Das Ausscheiden Baiivianus, desssen Verbleiben Constanti­­nescu unbedingt erforderlich­­ erscheint. In Diesem Zus­­ammenhange melden „Lupta“ und „Wdeverul“, daß beide Minister ihre Abdankung eingereicht haben. Die Nationalpartei rüstet sich zum Kampf gegen die Regierung. D­ufarest, 12. Oktober. Die Nationalpartei kün­­digt heute durch Plakate eine Massenversammlung für Sonntag an, in der die Führer der Partei ihre Ideen über den Kampf während der Parlamentssession vortragen wollen. Die Nationalpartei sei fest entschlossen, die Hörsine­partei um jeden Preis zu Falle zu bringen, Geschaute­ sem­ur Leszperlne in Bu­karest,12.Oktober.Die in Angelegenheit der Gehaltsregelungdeerfessoren und Lehrer einberufene Kommission tagte gestern im Hlnterrichtsministerium Sie beschloß,gestützt auf den Index des Industrieministeriums, für die erwähnten Lehrkräfte den zwanzigfachen Gehalt des Jahreslglö vorzuschlagem OuuslilcheBmlechersiusumil- Bukarest,12.Oktober.Der bekannte englische Bians­k­er Wickers,der bedeutende Interessen in Reschiya besitzt, ist gestern hier eingetroffen Der Zweck seiner Reise ist der Umtausch seiner sOOOO Aktien des genannten Wers les Er mußte persönlich kommen da die zuständige Kom­­mission ihm bereits den Umtausch abgeschlagen hat Die Wickersgruppe,der auch Zaharoff nahesteht,wünscht sich am der Elektrifizierung und an anderen­ Arbeiten der­ C.F.­R.zu beteiligen.Schließlich soll es sich auch um eine romänische Auslandsanleihe handeln. -

Next