Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1930. Oktober (Jahrgang 57, nr. 17215-17245)
1930-10-14 / nr. 17228
« Muse we ir 702 sur u Kul PrLICHT OumAN + 5 » ' Taxelo plä&te In aumdgar ord. Dir. 'Gen. P.T.T. 293720/928 Allgemeine Dorfszeitung für das Deutsch kun in Rumänien Schriftleitung: Hermannstadt, Donteruagoffe Nr.11. Fernsprecher: Nr. 11 und Nr. 130. Verwaltung: Königin Mariafir. Nr. 25, Fennspseher? Nr. 237. BanBRNE für einen Monat: Hermannstadt: eine Zustellung L 90'—; mit Zustellung L 100 ° — ; mit er ie Inland: Lei 100 — Nr. 17228 W ; Ausland: L 135’ —; Einzelnummer L 5 °—; Sonntagsnummer L657. — Hermannsstadt, Dienstag ben. 14. Oktober 1930 verhältnismäßig ruhige Reichstagseröffnung Die Sozialdemokratie wird für Brüning stimmen Die Eröffnungsiigung Berlin, 13. Oktober, Die Neichstagssession ist heute 3 Uhr 15 Minuten nachmittag eröffnet worden, Sorgen wegen ihres Verlaufes gab es zwar noch, aber einerseits das Umschwenken der Sozialdemokratie, das vom preußischen Ministerpräsidenten Braun gestern im „Vorwärts“ angekündigt worden war, andererseits die Belastung des deutschpolisparteilichen Ministers Kurtius im Kabinett, entspannten die überreizte Stimmung. Die sozialdemokratische Berliner Polizei ließ die Nationalsozialisten in geschlossenem Zuge, in braunen Hemden, die rote Binde mit dem weißen Kreis und dem Hafenkreuz am Arm, ungeachtet des Uniformeverbotes, ruhig passieren. Einige Anrempelungen der Kolonne Durch Kommunisten waren rasch erledigt. Die Umgebung des Reichstagsgebäudes Der Saal, der infolge Wegfalles der Pulte einem Theatersaal ähnelt, war nicht gefüllt. Ebenso die Tribünen sind die Logen Der Diplomatie und anderer Standesparteien. Prinz August Wilhelm ist gleichfalls anmwesend. Der S7jährige Alterspräsident Herold Bentrum eröffnet furz Die Sigung. Es erfolgte bloß die Beriefung der 5779 Geordnetennamen und die Be ‚Tannigabe der Tagesordnung für Mittwoch: Wahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten, Schriftführer us. Bejegporlage betreffend Herablegung der Abgeordnetendiäten um 20 v. 9. Die Kommunisten riefen: „Hoc die Soimjet$” und einige versuchten den Gesang der „Steternationale”. Im ganzen schienen die Kommunisten jedoch sehr ruhig. So blieben es auch die Nationalsozialisten und die mit großen Wengsten verhartete ersteigung der neuen Session konnte verhältnismäßig ruhig geschlossen werden. Drei Mißtrauensanträge,"« je einer von den Nationalsozialisten,Kommunistenmrd.« Deutschnationalen liegen vor. Zwischen Brandenburger Tor und Tiergarten drängten sich von Mittag am vielleicht Hunderttausend Menschen. Alsbald begannen zusammenfte ud prügelten einander srägungsweisige undschließ-» e10()008eute."«" Die Polizei,anfangs zu schwach,erhielt erst späters· Verstärkungen;sie drängte die Massen in Nebengassen,» wobei v siele Objekte beschädigt wurden.Dann versuchten sie die Nielsengassen zu säubern Zur Stunde der Abosgabe dieses Berichtes dauert Diese Arbeit nochh an. Das Übschwenken der Sozialdemokratie Ministerpräsident Braun hat im Sonntagsartikell des „Vorwärts“ auseinandergefegt, warum die Sozialdemokratie eine so wenig volkstümliche Polität machen müsse, wie es das Eintreten für Brüning sei. Es sei aber die Historische (1) Aufgabe der Sozialdemokratie (1) geworden, die Republik zu retten, die sonst im fasziliescen Trubel verläufe! Die Partei habe den Mut, die ‚BVerfassung zu retten. — Dir. Dieser Stimmenzumanß, «denvinning wieder amls Juli noch am 14. September vorausgejegt hätte, genügen wird, muß sich in der ‚Debatte am Donnerstag, Freitag und Sonnabend Hindenburg ist von seiner NHeinreise Zus erst zeigen. undgelehrt . Heiden der Zeit (&. ©.) Die offiziellen Blätter der III. Internationalen in Berlin und Paris, die „Note Fahne“ und die „Humanite”, melden gleichzeitig, Daß Die französische G Sektion der II. Internationale beschlossen habe, die Deutsche Sektion dieserselben Internationalen im Kampfe gegen die Youngtribute zu unterstügen, Hiezu eine Einheitsfront zu bilden. Die Besten sind fest so, Daß man si jedes Bundesgenossen für die gute Sache freuen muß. Wir erinnern uns, daß die Deutschen Kommunisten ein außenpolitisches Programm für Die Deutschen Wahlen aufgestellt haben, wie es nicht besser und Die deutschen Nationalsozialisten getan haben und wie es( auch manche andere deutsche Rechts- und Halbzeitspartei innerlich vertritt, wenn sie auch aus diplomatischen und opportunistigen Rücksichten manches bescchweigt oder verblümt ausdrückt. Das nationale Programm der deutschen Kommunisten, das hinsichli des Kampfes gegen die Youingversffandung auch vom den französischen Kommunisten unterfrügt wird, die leider infolge des französischen Wahlsystems nur etwa ein Zehntel der ihnen gebührenden Deputiertenzahl beigen, ist, wie hier bereits festgestellt wurde, nur aus Angst vor der natürlichen Anziehungskraft des deutschen Nationalsozialismus entstanden. Aber auch in »derdeytsckxenSektronderIlJnternattonale gährt es. Aus gleichgearteter Konkurrenzgefahr. Bisher . Die deutsche Sektion der II. Internationale vollkommen im Banne der Henninetien und belgischen Beftien gestanden; der Sozialist Banderheide, Minister a. D. des belgischen Königs, führte von weitem, ein Herz und eine Seele mit den Franzosen Baul-Boncour und Jouhaug, gleichen G Sinnes mit dem exsozialistischen Augenminister Briand. Durch den Debutierten des derzeit französisgen Mühlhausen Salomon Grumbach standen diese Herren mit dem sozialistischen Fraktionsführer Des Deutschen Reichstages Dr. Rudolf Breitscheid im innigster Verbindung; so traten die deutschen Sozialisten der II. Internationale immer wieder, ungeachtet der guten Apfigten Hermann Müllers 198, für Bersailles, Genf, Loscarino und Haag ein, was sich namentlich gelegentlich der legten Bölferbundtagung drastisch und wiederholt gezeigt hat. Die Schwäche der so vertretenen Deutschen Außenpolitik machte es Briand erst im hegten Augenblick möglich, jene Kriegs und Hegrede zu halten, die Briand im Dienste seiner eigenen Innenpolitik schon hier früher hätte halten wollen. Nun aber regt e3 sie auch in der Deutschen II. Internationalen. Reichstagspräsident Quebe beruft unter dem den Nationalsozialisten entlehnten Motto: „Deutschland erwache!“ zu einer Voolsversammlung ein, wobei er si als „Führer der deutschen Sozialdemokratie” bezeichnet. Was immer das Ergebnis dieser Fronde sein möge: ein Bruch in dem ihm wersten Bleigewicht, das auf Deutschland am Ergebnis der anationalen Haltung der deutschen N Jrternnationalen haftet, it jedenfalls zu begrüßen. * Die „Gazette de Lausanne‘ erinnert angesichts Briands Planeuropa an viel ältere und sogar weitergehende Pläne dieser Art. Schon 1868 erschien in der Schweiz ein offizielles Pazifistenorgan unter dem Titel: „Die Vereinigten Staaten von Europa”. Im September 1869 wurde in Lausanne ein Friedenskongreß abgehalten, der die Aufgabe hatte, die „Grundlagen einer europäischen Bundesorganisation‘ festzustellen. Allerhand berühmte Leute waren anwesend. Die Festrede hielt Victor Hugo. Man lud die europäischen Regierungen zum Beitritt ein, um ein internationales zweck Beseitigung des Krieges zu gründen. Hugo hielt jedoch vor der allgemeinen Befriedung eine legte Revolution, einen furchtbaren Krieg, der aber der legte Krieg sein würde, für nötig. Wenige Monate später entfesselte Frankreich den Krieg gegen Deutsäland. Die Barifer Kommune war die weitere Folge. Dreißig Jahre später lud der Bar nach dem Haag zu einem Friedensbunde, der später in der Gestalt des älteren Haager Schiedsgerichtshofes sehr schwächhte Formen annahm. Aber sehr kurz darauf führte Rugland den mandschurischen Krieg und erlebte dann die Revolte von 1905. Im Jahre 1914 tagte in Basel ein sozialistischer Friedenskongreß, auf dem Jaures die deutschen Sozialisten wie Bebel und Hermann Müller veranlassen wollte, zuzusagen, sie würden einen nächsten Krieg in Deutschland sabotieren. Aus den pazifistischen Zusagen der deutschen Genossen zogen die Franzosen falssche Schritie, Als sie bald darauf den Weltkrieg entfachten, was Die deutschen Genossen wie übrigens auch alle anderen Deutigen nit ahnen wollten oder konnten, schlugen si die Deutschen Sozialisten bis auf geringe Ausnahmen auf die Geite ihres Wolfes, das von einer verbündeten Welt angegriffen ward. Auch dieser Krieg, auch diese Revolution sollten „verlegte Krieg“ werden, „la Dderniere guerre”, was man in Millionen Propagandaäußerungen hören konnte. Allerdings, Zaures, der die französischen Genossen kompromittiert hatte, wurde sofort ermordet, der Mörder aber nicht bestraft. Heute ruft Briand nach einem europäischen Staatenbund, während Scanfield in einer Weise zum Kriege rüstet, die selbst Frankreich noch nie erlebt hat. Auch seine Bajallen, seine immer ängstlicher werdenden Bajallen, reißt es mit ji. Zu einem abermals „legten Krieg“! * Einer der Vorwände für den derzeit „Testen Krieg“ war das angeblich so heike Beitreben der österreich: ungarischen Bölfer, sich mit ihren Wolfsgenossen jenseits der FE u. E. Grenzen zu vereinigen. Selbstbestimmung der Völker. Zu diesen angeblich über „Mich selbst Bestimmen unwollenden” Völfern gehörten auch die Südslawen, die Kroaten, Slowenen und ungarländischen Serben. Zehn Jahre dauerte das inmenpolitische Ringen der im früher „SHE“ bezeichneten Staatsgebilde zusammengefahten Bölfer, ein Ringen, das immer deutlicher die Verteidigung der früher Ef. und fgl. ung. Südslaven aller drei Zweige gegen die Tyrannis, Korruption und Mittelalterlichkeit Belgrads aufzeigte. Trubitih, Raditich, Pribitihewitih und zahlreiche andere Märtyrer bezeichnen diese Zeit. Da entschloß fi vor 20 Monaten Belgrad zur Königsdiktatur, zum Absolutismus. Die unmilligen Brüder sollten unter äußerster Gewaltanwendung zusammengeschweißt werden. jede Erinnerung an Krya= ten, Slowenen, Katholiken sogar, ward verboten. Auch die Serben der neuen Gebiete und ihre Orthodorie kamen Eben erst wurde auf Befehl in. nicht besser weg. Zehn Monate später wurde der Staatsname „Sudslavien” Dekretiert. Vom Absolutismus deskretiert und Dur die Hand des Diktator- Generals Bsinfomitich. Belgrad der erste Jahrestag der Geburt Südslaviens gefeiert. Gleichzeitig führt Belgrad einen Vernichtungskampf gegen den 4. Südslavenstamm, als der die Bulgaren heute, ohne Nachsicht auf ihre unsichere wölfische Abstammung, müssen. Der Vater der allerdings von den ehemals Habsburgischen Massen nicht mitgemachten, sogar scharf bekämpften, nur auf wenige „Intellettuelle” begrenzten südslavischen Einigungsrevolution, der zu seinem Glid längst verstorbene katholische Bischof Stroßmayer von Djafo war, hat dieses Ende nicht mehr gesehen. Was mag der von Belgrad jest arg angefeindete, frühere Führer des „Südslavischen Komitees“ des Weltkrieges Ante Trumbitid, ein Kroate aus Dalmatien. Heute haben Denen? , die von Aus Italien kommt eine Nachricht, jedermann begrüßt werden muß, der jei seinen Krieg wünscht. Italien vereinigt den Faszismus mit dem italienischen Bolfe, schließt die aus der faszistischen Jugenderziehung (zuerst Ballista, dann Avangardia) austretenden Säuglinge dem Heere an. So verfügt Italien ohne weiteres und ohne große Kosten über 600.000 Soldaten im Srievenzstand. Es gibt seinen stärkeren Anreiz für ein friegstuftiges Bo als die militärische Schwäche der Nachbarn. Wehrlos ist Deutschland, Frantreich rast vor daubinistischer Herrschsucht, ingetrieben vom jälechten Gewissen angesichts Deutschlands Erwagen. Machtlos ist der Belferbund. Wenn irgend etwas einen neuen Ruhreinbruch oder noch Ärgeres verhindern kann, ist #3 weniger Hendersons Abrüstungswunsch, ist es allein die Sorge vor Italiens Bereitschaft. Und vielleicht auch noch einigermaßen die Sorge vor der Sowjetbotschaft in Paris. Unter diesem Schuge führt vielleicht der radikalsozialistische Parteitag in Grenoble zur Bildung auch einer echten französishen Friedenspartei. In diesem Falle gilt wirklich der sonst oft falsch angewendete Sag: „Zeit gewonnen, alles geionnen, Zeichen der Zeit... Schiedsgericht angesehen werden.» MR « I"’«-'