Ungarische Revue 1. (Budapest, 1881)

1881 / 6. heft - Anton Radó: Petőfi in Italien

516 PETŐFI IN ITALIEN. feinem Gefühl und lässt dieselbe sich in seinen Uebertragungen meist mit der genauesten Treue wiederspiegeln. Am besten gelin­gen ihm diejenigenLieder, in welchen eine wehmütliige, ernst melan­cholische Stimmung zum Ausdrucke kömmt, während das fröhlich Tändelnde, das sich bei Petőfi häufig findet, nicht ganz sein Ele­ment ist. Geradezu meisterhaft müssen wir z.B. die Uebersetzung des Gedichtes Minden virágnak nennen, von dem wir hier eine kleine Probe folgen lassen : Scende un raggio di sole ad ogni fiore, Un raggio scende ad ogni fuscellin. E tu, sole dell’ alma, amore, o amore, Uno non hai per me raggio divin? Non v'é fanciulla, cui d’amarmi piaccia, N on v’é fanciulla, che mi dica almen : II mondo é freddo, l’alma tua s’agghiaccia, Vieni, scaldati al mio fervido sen ! Eine solch’ wortgetreue Uebersetzung von so vollendeter Form und solch’ wahrer, tiefer Stimmung ist in der italienischen Literatur wahrlich nur äusserst selten zu treffen. Schade, dass Cassone, trotzdem er in der ungarischen Sprache die schönsten Fortschritte gemacht, dennoch von einzelnen Fehlern, zumeist durch das Missverstehen des Originals hervorgerufen, nicht frei ist. Eben in dem oben citirten Gedichte finden wir z. B. zwei Zei­len, welche folgendermassen lauten: E quando io morirö, stilla di duolo Ad occhio uman per me non fará vei. (S ha meghalok, ha megfagyok : szememre Megkönnyezetlen szemfedő borul.) Der Fehler, den Cassone hier begangen, wird ersichtlich, wenn wir sowohl den italienischen, wie den Original-Text ins Deutsche übertragen. So lautet nun der letztere: «Und wenn ich sterben, erfrieren werde: wird ein von Thränen nicht benetztes Bahrtuch meine Augen bedecken». Hingegen der erstere : «Und wenn ich sterben werde : wird eine Zähre des Leides vor Nieman­des Augen einen Schleier ziehen». Offenbar verstand hier der

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