Ungarische Revue 1. (Budapest, 1881)

1881 / 1. heft - Literatur und Kunst - Gusztav Heinrich: Deutsch-ungarische Literatur

DEUTSCH-UNGARISCHE LITERATUR. 49 noch irgendwo auftauchen zu sehen, nicht völlig schwinden lassen wollte. Dies letztere wird am besten durch die Thatsache bewiesen, dass ein Ge­rücht dieses Inhalts noch im Jahre 187 7, also nahezu dreissig Jahre nach der Scliässburger Katastrophe, in den weitesten Kreisen Glauben finden konnte. Im Jahre 1S77 ging nämlich durch die ungarischen Blätter die Nachricht, in Siebenbürgen sei ein Ungar, den man seinem biblischen Namen nach — er nannte sich Daniel Manasses — für einen Unitarier hielt, aufgetaucht, der, angeblich im Jahre 1849 bei Schässburg von den Russen gefangen, bis jetzt in den Blei- und Silberwerken Sibiriens gearbeitet und dort Petőfi gesprochen hätte. Die Wirkung dieser Nachricht war ausserordentlich. Man forderte die ungarische Regierung auf, sofort die energischesten Schritte zu thun, um die russische Regierung zur Aus­lieferung des grossen Dichters und vielleicht noch anderer in Sibirien schmachtender kriegsgefangenen Ungarn zu vermögen. Indess erfolgten wiederholte Berichte über die Aussagen des Manasses, welche von frap­­pirender Wahrscheinlichkeit waren. Endlich bemächtigten sich die Gerichte der ganzen Angelegenheit und das energische Verhör des Manasses ergab das Resultat, dass dieser Mann, ein «gerichtsbekannter», wiederholt abge­strafter Betrüger, gar nicht Manasses heisse, nie aus Siebenbürgen hinaus­gekommen sei, selbst von der Lage Sibiriens keine Ahnung habe, und seine sämmtlichen, allerdings geschickt erfundenen Lügen nur ausgeklügelt habe, um enthusiastischen Patrioten und warmen Verehrern Petöfi’s theil­­weise recht bedeutende Gaben zu erpressen. Damit war die romantische Episode, die so viele schöne Hoffnungen gedeckt hatte, mit einem schrillen Missklange abgeschlossen. Der zweite Artikel des Kertbeny’schen Buches ist ein vom 31. Juli 1879 datirtes Erinnerungsblatt Maurus Jókai’s : Petőfi und seine Feinde, das manchen interessanten kleinen Beitrag zur kurzen Lebensgeschichte des Dichters liefert. Einer dieser Beiträge, der letzte, mag hier folgen. Jókai und Petőfi, seit Jahren die intimsten Freunde, waren sich in Folge einer unwesentlichen Meinungsverschiedenheit auf kurze Zeit fremd ge­worden. «Beim Festmahle nach der Wiedererroberung Ofens (25. Mai 1849} — erzählt Jókai — fanden wir uns neuerdings, zum letzten Male. Es wurden damals gar viele Trinksprüche ausgebracht. Ich entsinne mich nur noch des meinen, er lautete: «Mögen alle hochleben, die fürs Vaterland sterben werden, — sie mögen ewig leben!» Da wendete sich Petőfi mir zu und sagte: «Ich danke dir, dass du auch mich hochleben liessest.» Und er stiess mit seinem Weinglase an das meine. Dies Klirren der Gläsei war der letzte Abschiedsklang zwischen uns. Wir schieden, ohne dass wir einander umarmt hätten. Der Hochmuth in uns beiden war zu gross, als dass einer von uns eingestanden hätte, wie sehr ihn der Zorn schmerzt. . . Und in der That hatte er wahr gesprochen. Jener Trinkspruch hat auch ihm gegolten ! Hätte ich das damals gewusst. . .» Der weitere Inhalt des Kertbeny’schen Buches ist meist biblio- Ungarische Revue, 1881. I. Heft.4

Next