Ungarische Revue 1. (Budapest, 1881)

1881 / 2. heft - Kossuth und die pragmatische Sanction

KOSSUTH UND DIE PRAGMATISCHE SANCTION. K ossuth tritt im zweiten Bande seiner Memoiren mit schweren Anklagen gegen Deák auf. Er beschuldigt ihn ein «histori­sches Falsum» begangen und die pragmatische Sanction in das ungarische Staatsrecht «eingeschmuggelt» zu haben. Wir müssen voraussetzen, dass er die Anklage erwogen, den Ausdruck überlegt habe. Wenn ein Kossuth gegen einen Deák vor der Oeffentlichkeit eine so schwere Anklage erhebt, müssen wir voraussetzen, dass er dies aus ernster Ueberzeugung time, ja dass ihn vielleicht ein schmerzliches Pflichtgefühl dazu zwinge. Wir können auch daran nicht denken, dass ihm die Anklage in der Hitze hastigen Hin­schreibens aus der Feder geschlüpft sei und dass man sie auf Bechnung einer momentanen Aufwallung setzen dürfe. Er selbst sagt, dass der Aufsatz seit 1867 in seinem Schreibpult fertig gelegen habe. Derselbe ist demnach auch schon fertig gewesen, als Kossuth 1867 in der Ausgleichsfrage sein offenes Sendschrei­ben an Deák richtete. Warum hat er denselben wohl damals nicht herausgegeben ? Vielleicht aus Schonung für den lebenden Deák ? Und dann hat er dieses Aufsatzes auch damals vergessen, als er seinen merkwürdigen Trauerbrief überDeák’s Todtenbahre schrieb, denn wir können zwar allerdings auch unserer politischen Gegner mit Pietät gedenken, wenn wir dieselben achten; aber ein politi­scher Gegner, den wir ausserdem für den Begeher eines historischen Falsums und für einen Einschmuggler von Gesetzen halten, würde jener heissen Thränen der Freundes-Pietät, welche Kossuth damals über Deák’s Bahre vergoss, ganz gewiss nicht würdig gewesen sein. Ungarische Kevue, 1881, n. Heft. 7

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