Ungarische Revue 2. (Budapest, 1882)

1882 / 10. heft - Moriz Jókai: Denkrede auf Alexander Petőfi

704 ZUR ENTHÜLLUKG DES PETŐFI-DKNKMALS Das Sitiig er nicht nur, das that er auch. Nur eine Stimmung ist mir ein Räthsel in Petöfi’s Poesie: seine Weinlieder. Wer diese liest, der glaubt, dass Petőfi das Pro­totyp eines Trunkenboldes und eines Zechers sein mochte. Als sol­chen habe ich ihn nie gekannt. Und doch war ich oft mit ihm zu­sammen in lustigen Gesellschaften ; selbst in der Provinz, wo der gast­freundliche Hausherr eine Tugend darein setzt, den trunken zu machen, den er gern bei sich sieht, — niemals sah ich Petőfi, und sei es nur so weit trunken, um heiter zu scheinen. Er selbst schreibt: „Ein Lächeln steigt auf meine Lippen auf, doch ist mein Lachen selten zu vernehmen.“ Jahrelang besuchten wir dasselbe Gasthaus, nie trank er mehr, als seine „Pistole“ Wein, was ein halbes Seitei war, und iro Winter bestand sein gewöhnliches Abend­essen aus „csiga biga“ (Schnecken), was gewiss kein lukullisches Mahl war. Die riesigen Quantitäten Weines, nach denen er in seinen Gedich­ten dürstet und die daselbst auch konsumirt werden, sie mögen die Seele irgend eines idealen Zechers belasten, über den er nur die Gedichte geschrieben. Ich erinnere mich ganz gut daran, als sein Gedicht erschien mit dem Refrain: „Ich verdiene kein Geld, um es zu besitzen, sondern um es zu vertrinken und zu verprassen.“ Da hatte er die erste grössere Summe von seinem Verleger erhalten und das Ganze brachte er seinen Eltern, die damals bereits zu­grunde gegangen waren, um ihnen den Lebensunterhalt zu erleich­tern. Aber so wie er Niemanden gern lobte, so liebte er es auch, sich selbst schlecht zu machen; wenn Jemand sein Gesicht schön fand, so klebte er ein Schönheitspflaster auf seine Nasenspitze und ging so auf die Strasse hinaus. Er liebte es, sich von der nüchternen Alltagswelt zu unterscheiden. Jede Mode verachtete er. Frack und Zylinder haben nie seine Figur berührt. Anfangs liess er sich eine Csokonai-Mente machen, später eine grossgeblumte, schwarze Sei­den-Attila, und der Hutmacher musste eine besondere Hutform für ihn erfinden, wie sie Keiner trug. Doch gibt es in seinen Wein­liedern etwas, was mit den Schlachtenliedern verwandt ist, das ist das Prahlen mit der Männlichkeit. „Farbenspiele meiner trunk’nen Seele.“ Nur seine Seele war trunken. Wie er seine Weinlieder nicht aus dem Weine, so holte er seine Volkslieder nicht aus dem Volke; das Volk nahm sie

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