UNGARN-JAHRBUCH 1980-1981

BESPRECHUNGEN - Staat und Gesellschaft nach 1945 - Kulcsár, László; Lengyel, Zsuzsa: Szakmunkások a mezőgazdaságban. (H. Klocke)

234 BESPRECHUNGEN gehoben. Eindeutig werden die ab Herbst 1948 erheblich steigenden Pflicht­ablieferungs- und Steueranforderungen geschildert und die dadurch 1951/1952 eingetretene unerträgliche Lage, die den Bauern den Mut zur Produktion nahm. Bei stark absinkenden Einnahmen auch in den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften setzt hier im Herbst 1952 bis Frühjahr 1953 die starke Austrittwelle ein. Im Juni 1953 ist die Krise der LPG auf dem Höhe­punkt. Wohl kaum mit Recht wird dafür weitgehend Imre Nagy die Ver­antwortung zugeschoben, er habe im Unterschied zu der die armen Bauern stützenden Partei die Mittelbauern fördern wollen. Ob die These zu halten ist, daß sich die Bauern verhältnismäßig ruhig verhielten, müßte im Zusammen­hang mit bäuerlichem politischem Verhalten überhaupt untersucht werden: Immerhin wird diese zweite Austritts- und Auflösungswelle der LPG geschil­dert. Zweifellos hat die Aufhebung der Zwangsablieferung 1957 die Lage der Bauern erleichtert, die gewährte Freiheit für die Bewirtschaftung blieb aber noch erheblich im Formalen stecken, auch war die Ausstattung mit modernen Produktionsmitteln im letzten Abschnitt der Kollektivierung noch keineswegs soweit gediehen, daß dies den Bauern um 1950 den Eintritt in die LPG hätte verlockend erscheinen lassen. Wird so nach meiner Auffassung ein zu früher Zeitpunkt für die Sta­bilisierung der LPG angesetzt, so werden mit Recht die neuen Probleme be­rührt, die sich durch den Eintritt der Mittelbauern in die LPG ergeben ebenso wie bei der Einführung der modernen Technik. Neben der neuen Weisungs­und Leistungshierarchie ergeben sich aus agrargeographischen Gründen, alten Hofplatzgrößen und damit verbundenem Einkommen aus der Hausparzelle so wie der stark zunehmenden außeragrarischen Tätigkeit weitgefächerte Ein­kommenshierarchien. Im Rahmen der regionalen Darstellungen werden auch eine Reihe von Enteignungs- und Neusiedlungsvorgängen in den Siedlungsgebieten der deut­schen Minderheit in der Tolnau geschildert. Noch immer stößt man auf Reste vereinfachter ideologischer Ansätze und Formulierungen, so wird z.B. auch noch als spontaner Vorgang dargestellt, was von oben plan- und ziel­mäßig gelenkt wurde, so wird der Begriff »Faschistischer Staat« unzutreffend für die Herrschaft von Agrar- und Bankkapitalismus angewandt. Helmut Klocke Packing Kulcsár, László; Lengyel, Zsuzsa: Szakmunkások a mező­gazdaságban [Facharbeiter in der Landwirtschaft]. Budapest: Kossuth Könyvkiadó 1979, 88 S. Dem Titel entspricht der Inhalt des Buches nur ab S. 55 bzw. sogar ab S. 76, Der erste Teil befaßt sich mit der Lage der dörflichen gewerblichen Ar­beiter, und zwar mit der Entwicklung dieser wenig homogenen, ja eigentlich nur formalstatistisch erfaßten Arbeiterscbicht, ihrer Stellung [innerhalb der gegenwärtigen ungarischen Gesellschaftsstruktur und ihrer zu erwartenden Zukunft. Die Volkszählung von 1930 stellte fest, daß 48°/o der in Gewerbe, Verkehr und Bergbau aktiv Erwerbstätigen auf dem Dorfe lebten. Diese meist zum Kleingewerbe gehörende Gruppe war dabei eng an die landwirtschaftliche Erzeugung gebunden, zu einem erheblichen Teil war die gewerbliche Tätigkeit nur eine Zusatzbeschäftigung. Um die Jahrhundertwende gab es zwei Millionen

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