UNGARN-JAHRBUCH 1980-1981

ABHANDLUNGEN - Götz Mavius: Ungarische Denkmalkunst zwischen Tafelrichterstil und Millenium

UNGARISCHE DENKMALKUNST 161 1862 modellierte und goß László Dunaiszky die Figur des Fischers­töchterchens für den Brunnen auf dem Fischmarkt in Pest. Auf diese Genreskulptur folgte nur noch 1863 das Denkmal für den Schauspieler Károly Megyeri von Miklós Izsó. Danach wurde rund zehn Jahre lang kein Denkmal aufgestellt. In diese Zeit fallen zwei Ereignisse außerhalb der Kulturgeschichte mit ge­waltigen Folgen. 1866 wurde das Kaiserreich Österreich von dem König­reich Preußen besiegt. Damit wurde die Schwäche der Habsburger Mo­narchie gänzlich offenbar. Ungarische Politiker, allen voran der Jurist Ferenc Deák35, verhandelten erneut mit der kaiserlichen Regierung. Jetzt war den Unterhandlungen Erfolg beschieden. Am 21. Dezember 1867 erließ Kaiser Franz Joseph I. ein Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt36. Das »Kaiserreich Österreich« wur­de in die »österreichisch-ungarische Monarchie« umgewandelt. Mit Aus­nahme der kaiserlich österreichischen und königlich ungarischen (k. u. k.) Ministerien für Auswärtige Angelegenheiten, Finanzen und Verteidigung wurden alle Resorts in kaiserlich österreichische und königlich böhmische (k. k.) und königlich ungarische (kgl.) Abteilungen aufgeteilt, wobei der Sitz der königlich ungarischen Resorts sich In der neugebildeten Stadt Budapest befand. Doch auch die drei gemeinsamen Resorts wurden ge­schmälert. Die Landesverteidigung der unteren Ebene, die Volksbewaff­nung, behielt isich das Budapester Ministerium vor. Dadurch wurde die »Honvéd« offiziell begründet. Gleichzeitig erhielten die Revolutionsinvaliden, =Witwen und = Wai­sen der Jahre 1848/49 staatlichenseits Pensionen und Vergütungen. Die Toten der Revolution wurden rehabilitiert. In diesem Geist wurden nun in Ungarn Denkmäler errichtet. Doch auch die Bildhauerei hatte sich inzwischen weiterentwickelt. Ferenczys Traum einer »heimatlichen Bildhauerei«13 schien sich in Mik­lós Izsó zu erfüllen. Seine Kleiniplastiken tanzender, betrunkener, trau­ernder oder sinnender ungarischer Bauern rund Hirten zeigten einen per­sönlichen ungarischen Stil, den er allerdings nicht an seine Schüler wei­terzugeben vermochte. Bei Izsó als Künstler der kleinen Form darf nicht vergessen werden, daß von ihm auch das überlebensgroße Denkmal für den Dichter Vitéz (Ritter) Mihály Csokonai37 in Debrecen stammt, das 1871 aufgestellt wurde. Mit diesem Denkmal formte Izsó »als erster den Typ des ungari­schen Dichters38«. Die Kritik geht in ihrer Euphorie über das Denkmal noch einen Schritt weiter und meint: »Er zeigt in geballter Form alle 85 Deák, Ferenc (1803—1876) Staatsmann, Jurist, »Der Weise der Heimat« wegen maßgeblicher Beteiligung an dem »Ausgleich« 1867. 38 Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien, Kabinettskanzlei ZI 4680 / 1867. 37 Csokonai, Mihály Vitéz (1773—1805) Dichter, xmgarischer Vertreter des »Sturm und Drang«. 38 »elsőnek... a magyar költő típusát.« Végvári 1970, 396. 11 Ungarn-Jahrbuch

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