Banater Deutsche Zeitung, September 1927 (Jahrgang 9, nr. 195-219)

1927-09-01 / nr. 195

« Zimifoara-Temeswar, Donzersiog, ' den 1. Segiember 1927 +6} Tora pain Seckeiftleitung und Bes jährig 232 ä 523 E viertel 288 Dei vr­ailnag­ar, Siadi, Deutsches Sens. M yaeane An­n 17: 00 dd fen Be Kaas [| Fern uspreMer : Ghr eite ara Sermettung mes — Einzelpreis; Achlseitig 4 Rei, zw Hieliig 2“ richein?f Tägli 4 Uhr nachmittags außer Sonn- und eis ringem. Die Erbfolge für die Würde der Regentschaftsräte Anlaß für Jonel Bratianu, eine neuerliche Annäherung an die Oppositionsparteien zu versuchen . Die Bildung einer Agrar­­partei mit Garoflid und Lup "Bukarest, 30. August. Wie in liberalen Kreisen verlautet, will Ministerpräsident Jonel Bratianu mit "den­­ Oppositions­parteien neuer­ Dings Fühlung nehmen Der Annäherungs­­­­versuch wird in solcher Form erfolgen, "daß die Oppositionsparteien nicht ausweichen­­ werden können. Bratianu, plant ein Gejd zu erbringen, das sich auf den Regentschaftsrat bezieht und die Frage der Erbfolge für den Fall des Todes einer der Regentschaftsräte regeln soll. Die Regentschafträte würden bekanntlich noch von König Ferdinand ernannt, darüber aber, wer die Würde des Regentschafts­rates erbt, bestehen keiner­­lei Bestimmungen. Der Entwurf soll mit Zustimmung aller Parteien zustande kommen und deshalb will Bratianu die Verhandlun­­gen wieder aufnehmen. Ob er Erfolg haben wird, ist schiver vorauszusagen. Dagegen ist sicher, daß die ganze Aktion scheitert, wenn nicht alle Parteien ihre Zustimmung geben. Während sich der Ministerpräsident bemüht, auf diese Weise eine Annäherung herbeizuführen, wird im Hintergrunde an der Bildung einer zweiten Regierungspartei gearbeitet, die unter dem Namen Agrarpartei die Anhänger­ Garoflids und Lupus und einige Dissidenten­ umfassen würde. Der­ Präsident der neuen Partei wird­ vor­­aussichtlich ein aktiver liberaler Politiker sein. Els Vizepräsidenten kommen Garoflid und Lupu in Be­­­­­­tracht.­­­stimmung der Völker nicht respektiert wurde, daß­ Un­­garn nur darum verstümmelt wurde, weil Die umliegenden Völkerschaften zufällig die Verbündeten waren, die wirklichen Ver­­treter der abgetrennten Teile seien aber nicht ange­­hört worden. Auf solche Art entstand der tschechoslowakische Staat, der nie existiert hat und in welchem die Millionen von Ungarn gerade so unterdrückt werden, wie seinerzeit die Franzosen in Elsaß-Lothringen. Dieser Staat habe die gegenwärtigen Grenzen nur infolge Vorlage falschen Materials erhalten. Die Lunte ist entzündet und das Pulverfaß kann in jeden Augenblick explodieren. Die Tschechoslowakei kann in einer Nacht von der Landkarte Europas verschwinden, wenn die­ Tschechoslowakei jene Teile, die zu Unrecht weg­­genommen wurden, zurü­ck gibt Den Zwe­ieiner Artikel gibt Rothermere darin an, daß er Ungarn Gerechtigkeit zukommen las­­sen will, denn nur dann kann ein ständiger Frieden erhofft werden, wenn Ungarn jene Teile zurückerhal­­ten wird, welche ihm mit Unrecht genommen war­­' Diese Gefahr kann nur so verhindert werden, den, \ „Die Tschechoslowakei kann in einer Nacht von der Landkarte Europas verschwinden“. ‚Der neueste Artikel Lord Rothermeres im Interesse Ungarns Lord Rothermere Budapest.­ 30. August. hat einen neuen Artikel zugunsten Ungarns losge­­lassen, welcher in London und Budapest zugleich er­­schienen ist. Dieser Artikel soll, wie man „Adeverus“ aus Budapest meldet, von ungewöhnlicher Heftigkeit sein und enthält die rücsichtssofesten Angriffe vor allem gegen die­­ Tschechoslowakei, welche eine­ Antwort auf­ die seinerzeitige energische Haltung des tschechischen Außenministers Benes vorstellen. Rothermere stellt fest, daß Mitteleuropa ein Pulverfaß sei und­­ angebliche Ungerechtigkeiten gegenüber Un­­garn unbedingt zu einem neuen Kriege führen müßten. Im Weiteren stellt der Artikel fest, daß bei Abfassung des Friedensvertrages das Recht auf die Selbstbe­­ | : Lord Cecil zurückgetreten .Die Demission angenommen Sonden, 30. August. Lord Robert Cecil hat gestern abend dem Premierminister Bald­win vor dessen Abreise nach Aix-le-Bain8 sein schreiben überreicht und wird infolgedessen Demission­­ nicht mehr als englischer Delegierter zur Völ­­kerbundtagung nach Genf gehen. Als Grund für seinen Rücktritt führt Cecil die Diffe­­renzen an, die zwischen ihm und der Majorität des Kabinetts in der Abrüstungsfrage bestehen. In seinem Antwortschreiben­ nimmt Baldwin die Demission Cecils mit Bedauern an, obgleich er zu der Ueberzeugung gekommen sei, daß Cecil die Differen­­zen mit dem Kabinett übertreibe. Stasi "Von Egid Filek an einem engen, finsteren Gebirgstal in Steier­­mark, wohin selten ein Fremder kam, wo dunkle Fichtenwälder bis an die Lehmwände der kleinen Hütten­ heranfrochen, und das Rehwild den armen Kleinhäuslern den Kohl von­­ den Feldern fraß, hatte die Wiege der Stasi gestanden. Diese Wiege war ein alter Korb voll­ zerrissener, schmutziger Polster, in den man frühmorgens das Heine Menschenkind legte, um es den größten Teil des Tages sich selbst zu überlassen. Die Stasi war das Kind einer ledigen, jungen Bauernmagd, die elend gestorben und verdorben war; und weil sich der Vater nicht finden ließ, mußte die Gemeinde für Stasi sorgen und tat das mit sol­­nem Erfolg, daß sie mit siebzehn Jahren, als sie ihre Pflegemutter nach Wien in ein Dienstvermittlungs­­amt brachte, ein langes, mageres, durchsichtiges Ding war, dem alle die Schwindsucht prophezeiten. Sie fand einen Dienstplatz bei einem alten Ehe­­paar, das auf der Mariahilferstraße im vierten Stock zwei Hofzimmer bewohnte. So vornehm sah das Haus von außen aus, daß sich die Stasi anfangs gar nicht hineintraute; da gab es Wandmalereien und Zillverzierungen und Glasgemälde im Stiegenhaus, aber wenn man die Fenster mit den bunten Scheiben­ffnete, so gähnte drunten ein öder, grauer Lichthof mit himmelan­starrenden Mauern und fetter Küchen­­unst quoll empor. Draußen funkelten die glasierten Ziegel im Sonnenlicht,­aber in den Wohnungen fiel er Mörtel von den Wänden, die Decken hatten tiefe, die Fenster wollen nicht schließen, er war eben in Wohnhaus mit allem Komfort der neuen Zeit. Der Kaufladen, das Warenhaus, das Kino, das lie3 war für die Stasi eine Wunderwelt. Am meisten der staunte sie über das Treiben auf der breiten Straße. Da sauste die Straßenbahn, da zischten die Gummiräder, da töteten die Autos und flogen mit so furchtbarer­­ Schnelligkeit vorbei, daß man sich voll Angst auf den Gehsteig flüchten mußte; ja, die Auto­­mobile —­­­ — die waren das Wunderbarste. „Wie rennt das Zeug denn nur von sich selber? Und man sieht ka Roß und kan Kutscher und ka Peit­­schen und nix?“ fragte sie die alte Frau. Und die er­­klärte ihr das Wunderwerk der Technik so gut sie konnte; die Stasi verstand nicht viel davon, aber die geheimnisvolle Anziehungskraft der unheimlichen Gefährten wirkte womöglich noch stärker, und in ihren Träumen war ihr, als sitze sie leibhaftig in solch einem Ding und sause dahin über die mondbeschiene­­nen Straßen, zwischen Wiesen und Feldern und Gär­­ten, in rasenden Eile bis das sie ihre Heimat nannte, in das dunkle Gebirgstal. Mit der Zeit bekamen die bleichen Wangen der Stasie Röte und Rundung, ihre Gestalt wurde kräftig und voll, und manchmal, wenn sie auf der Fenster­­brüstung stand und in die Tiefe des grauen Schachtes leb­te, summte sie sogar in froher Laune ein steiri­­sches Volkslied vor sich hin; darauf antwortete die böhmische Köchin vom ersten Stock immer mit „kde domov muj“. Ja, es ging ihr gut, der Stasi; sie er­­hielt von ET Dienstfrau eine hübsche Schürze und nette Halbschuhe und wurde so gut behandelt, daß sie meinte, so schön hätte sie es im Leben noch nie gehabt. Im ersten Sto> des Vorderhauses wohnte ein reicher, junger Mann. Der bekam oft Besuch von einem Klubfreunde, dessen Vater sich durch gute Ge­­schäfte eine angesehene Stellung in der Welt und sehr viel Geld gemacht hatte; er kam fast immer im Auto des Papa, der Herr Brünner, und ließ den hübschen, eleganten Dreifiger unter Aufsicht des Chauffeurs vor dem Hause halten, und da traf er sich einmal, daß die hübsche Stasi dazu kam und offenen Mundes das Wunderwerk aus nächster Nähe anstarrte, so lange, bis der junge Herr Brunner aus dem Tore trat und das Mädel mit dem gleichen Interesse in Augenschein nahm “wie dieses sein Auto. Und ein Wort gab das andere, und weil der vornehme Herr so freundlich war, faßte sich die Kleine ein Herz und fragte, ob sie einmal mitfahren dürfe. Aber der Herr­­ Brunner sagte nichts, sah sie nur von oben bis unten mit einem prüfenden Kennerbli> an, lachte mit sei­­nen weißen Zähnen und kniff sie in die Wangen; dann sprang er in den Wagen, das Türchen klappte, und weg war er. Aber als er wieder kam und zufällig die Stasi2 traf, die mit einem Bierkrügel die Treppe hinaufträl­­lerte, zog er sie in die dunkle Ehe und sprach eifrig auf sie ein. Und nach wenigen Minuten lief sie mit heißem Gesicht und klopfendem Herzen ins vierte Stockwert, denn sie hatte dem freundlichen jungen Herrn, der gar so schön bitten konnte, für Sonntag­nachmittag Und nun ein Stelldichein gegeben, lernte die Staffe eine neue Welt kennen. Sie saß neben ihrem Freund in der rotsamtenen Verschwiegenheit einer Kinologe, kam in lustige Operetten und zu prächtigen Varietevorstellungen, erhielt kleine Geschenkte und wurde ein hübsches Spielzeug des gedankenlosen, gutmütigen Lebeman­­nes, dem ihre unverbrauchte Jugend etwas Neues war. Aber das alles mußte sehr heimlich geschehen, denn Herrn Brunners Vater spielte in der Oeffentlich­­keit eine große Rolle des Sittenstrengen und Tu­­gendwächters. Und so ging denn der heißeste Wunsch der Stasi, einmal mit dem Auto zu fahren, nicht in Erfüllung. „Er macht zu viel Aufsehen, Mausi“, sagte Herr Brunner. Nun ja — — wie leicht konnte solch ein bösartiger Schnüffler ihn und die Stasi om einem allzu besuchten Orte sehen und in der Zei­­tung Skandal machen. Ein Auto wirkt an und für sich aufreizend und die Menschen sind so schlecht und ver- +

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