Bukarester Gemeindeblatt, 1913 (Jahrgang 9, nr. 1-53)
1913-01-01 / nr. 1
‚ 9 am Bukarester Gemeindeblatt 1. Aus dem Jüngling, der sich freudig in den Kampf für das Vaterland gestürzt, war der gereifte Mann geworden, der die Werke des Friedens über alles schätzte, über alles, nur nicht über die Ehre seines kaiserlichen Herrn und seines Vaterlandes. Für den Frieden hat er gearbeitet Tag und Nacht. Auf seinem Arbeitstisch stand ein Bild, gezeichnet: Jules Cambon, mon terrible ami et aimable adversaire, zur Erinnerung an gemeinsame, für den Frieden geleistete, erfolgreiche Arbeit. Für den Frieden verbrachte er seine Nächte am Arbeitstische; je dräuender die Wolke um so ruhiger seine Zuversicht, aber auch um so schwerer seine Arbeit. Im Dienste des Vaterlandes hat er sich verzehrt und in den Sielen ist er gestorben. Seine letzten Tage galten diesem Lande und der Sorge für dasselbe. Seine letzte Botschaft : „Sehr erfreut, Sie zu sehen,“ schon unter Leiden gesendet, galt dem rumänischen Staatsmanne, der die Sorgen des gesamten Volkes mit sich trug; seine lezten Gedanken prüften wie er den Freunden Freundschaftsdienste leisten könnte. Die lezten Wünsche, die aus diesem Lande an ihn ges richtet wurden, er hat sie nicht mehr erhalten, enthielten die Worte: Amicus certus in re incerta cernitur ! Und der sie schrieb, durfte sie schreiben, weil er wußte, was von diesem Manne für Rumänien zu erwarten war. Und nun ist wor uns allen genommen, unerfaßbar, unerforschlich sind die Ratschlüsse des Allerhöchsten, in Demut beugen wir unser Haupt. Er starb; ein treuer Diener seines kaiserlichen Herren und seines Volkes, ein treuer Freund dieses Landes und seines königlichen Hauses, ein treues Glied unserer Gemeinde. Ein Mann, ein treuer Mann, ist er gefallen wie ein Soldat auf dem Felde der Ehre! Und darum singen wir seinem Gedenken das Lied, das eine Kurfürstin von Brandenburg gedichtet und das so manchen treuen deutschen Soldat zur letzten Stätte geleitet : „Jesus meine Zuversicht“. Körperliche Züchigungen in den Spuren unserer Gemeinde. vor kurzem erschien in einer rumänischen Zeitung ein kurzer Artikel, überschrieben : „Die Barbareien in der evangelischen Mädcenschule”. Da dieser Artikel von einer der hiesigen deutschen Zeitungen übernommen wurde, so dürfte er den meisten Mitgliedern der Gemeinde bekannt geworden sein. Troß der Gehässigkeit, welche schon die Ueberschrift kundgab, hielten sich die berufenen Organe der Gemeindeverwaltung verpflichtet, der Angelegenheit auf den Grund zu gehen und eine Untersuchung zu veranstalten. Diese fand statt und es wurde dabei sogar über das Übliche hinausgegangen, insoferne auch die Schülerinnen, der beiden mit ihren Namen genannten Lehrerinnen befragt wurden, was vom pädagogischen Standpunkte aus betrachtet immerhin nicht unbedenklich ist, im vorliegenden Falle aber nicht zu vermeiden war. So wurden denn eine Anzahl guter und eine Anzahl schlechter Schülerinnen der betreffenden Lehrerinnen durch den Direktor der Schulanstalten in Gegenwart der Direktorin der Mädchenschulanstalten befragt, wobei ji das Ergebnis dieser Vernehmungen durchaus mit den vorher schriftlich abgegebenen Erklärungen der beiden Lehrerinnen deckte, daß nämlich körperliche Züchtigungen mehrfach angewendet worden seien, daß jedoch in keinem einzigen Falle das Maß überschritten worden sei, welches in Deutschland und Oesterreich-Ungarn, wo die Lehrkörper an Elementarschulen und in den unteren Klassen der mittleren Schulen das Recht der körperlichen Züchtigung haben, vorgeschrieben ist. Damit war der Beweis geführt, daß keine Barbareien vorgekommen sind, denn was in Ländern, wie Deutschland und Oesterreich-Ungarn, welche pädagogisch so hoch stehen, gestattet ist, kann nicht Barbarei genannt werden. Bei der Untersuchung ergab sich ferner, einerseits, daß die Lehrerinnen wiederholt auf das in den Schulen der Gemeinde bestehende Verbot körperlicher Zuchtmittel hingewiesen worden waren, und daß andererseits die gezüchtigten Kinder nicht nur nicht das Gefühl hatten zu Unrecht gestraft worden zu sein, sondern sogar für ihre Lehrerinnen Partei nahmen. Mit diesen Feststellungen und dem erneuten Hinweis auf die Unzulässigkeit körperlicher Zuchtmittel, einerseits, und die Folgen, welche die wiederholte Anwendung unzulässiger Strafmittel für die Mitglieder des Lehrkörpers haben müßte, andererseits, hätte diese für das Ansehen der Gemeinde und ihre Schulen überaus schädigende Angelegenheit erledigt sein können, wenn nicht eines der beiden hiesigen deutschen Blätter erneut auf die Frage körperlicher Züchtigungen in unsern Sculanstalten zurückgekommen wäre und deshalb erscheint es notwendig diese Frage einmal im Gemeindeblatt zu behandeln, vor aller Oeffentlichkeit, denn weder wollen wir etwas vertuschen, non haben wir irgend etwas zu vertuschen. Die Frage der Anwendung körperlicher Zuchtmittel in den Elementarschulen und auf den unteren Stufen des Mittelunterrichtes ist eine pädagogische Schreitfrage. Die große Mehrzahl der deutschen Fachmänner steht noch heute auf dem Standpunkte, daß derartige Zuchtmittel nicht zu entbehren sind. Deshalb sind dieselben, wie schon oben gesagt, in Deutschland und Oesterreich-Ungarn erlaubt. In Rumänien sind sie verboten, wobei allerdings bemerkt werden muß, daß dem Vernehmen nach diese Strafmittel troß des Verbotes auch in den staatlichen Elementarschulen hie und da zur Anwendung gelangen. In den Schulen unserer Gemeinde gehörten sie bis vor zehn Jahren zu den erlaubten Strafmitteln. In besonders jnneren Fällen wurde entsprechend der Schulordnung die körperliche Züchtigung durc den Schuldiener auf Verfügung des Direktors und in Gegenwart desselben vorgenommen. Derartige Bestrafungen sind wohl allerdings seit 20 Jahren nicht mehr vorgekommen, aber bis zum Jahre 1903 gehörten Körperstrafen zu den durch die Sculordnung erlaubten, später wurden sie wenigstens stillsweigend geduldet, bis im Jahre 1905 der Vorstand anordnete, der Lehrkörper sei ausdrücklich und wiederholt darauf hinzuweisen, daß körperliche Zuchtmittel durchaus verboten seien und jeder Lehrer, welcher dieselben anwende, die Folgen einer derartigen Ueberschreitung des gesetzlichen Verbotes und der Schulordnung zu tragen hätte. — Der damalige Direktor, der noch heute von Eltern und ehe: L -