Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1923. Juni (Jahrgang 50, nr. 14998-15022)

1923-06-01 / nr. 14998

5 Schriftleitung and dermaltung: erlanlahe fr. Bessipenis: Säriftleitung Mr. 11. Berwaltung Br. ı. Bezugspreis für Hermannstadt: : 53; _ mit Bernc­­ersendung . Lei 106: Eis.­­ Eimzeine : Rummer! Lei 8 ° — fr. 14998 = .. e Dermannkabt, Freitag 1. Juni 1923 eg a ee a hen en Mer Zwischen Scylla und Charibdis, ie Brief.) Berlin, 22. Mai, Nach wie ver ich die innerpolitische Lage P Deutsch­­­­lands dur­ zwei große, schicsalgestaltende Probleme be­­­­stimmt: : durch Die mit fortschreitender Zeit immer ver­­widelter werdende Reparationsfrage einerseits und­­ d­urch den zähen, den Kampf andererseits, der inner­­halb des deutschen Bolfes zwischen den Anhängern einer nationalen­­ und internationalen Geistesrichtung geführt wird. Alle Geschehnisse des öffentlichen, des wirtschaft­­lichen und kulturellen Lebens führen sich Testen Endes auf eine dieser beiden Schichsalsfragen — oder auf beide zusammen zurück —, Die das durch den verlorenen Krieg­­ so schwer geprüfte, Deutsche Volk aus­ seiner britischen Sage nicht herauskommen Yassen. Wägt man beide Probleme in ihrer Bedeutung gegen­einander ‘ab, so ist nicht zu verremnen, daß im Augenblick die Reparationsfrage zweifellos nicht nur die höhere Aktualität, sondern auch das größere Gewicht be­­sißt.. Denn ganz von dem Zeitpunkt und Der Art ihrer Lösung wird es abhängen, ob der mit Riefenschritten sich nähernde wirtschaftliche Zusammenbruch Deutschlands mit all seinen katastrophalen Folgen außer- und innerpoli­­tischer Natur vermieden werden kann oder nicht. Der gegenstandsieife Optimismus, der sich im März nach dem Eingreifen der mart und na­­n­­den. Ent­wertungsprob­ 3eß Der Reichsmarn und nach den ersten Erfolgen der Stabilisierungsaktion Der Reichsmark. Hier und dort ang Tageslicht ‚wagte je“ den Siefpunkt der­ wirtschaftlichen t­ands­­a­a ee: aller Decksenkurse En Er verflüchtigt, und bren­­nenden Auges starrt das deutsche Bolf. in eine­ Zukunft, die nach Lage der Dinge bei einer weiteren Ueberspan­­nung seiner wirtschaftlichen Widerstandskraft nur das all­­gemeine Chaos bedeuten. Fann­­atffer.­­ Schon. ist die Inder gerade , für. die ‚Artikel des täglichen­ Bedarfs, daneben aber an für die Grundstoffe, wie Kohle, Gifen , usw.,. wieder, in stürmischer Aufwärtsbewegung begriffen, und mag an das Unternehmertum in­ diesem Prozesse einstweilen noch durchhalten, mag selbst die gewerkschaft­­­­lgc organisierte Arbeitnehmer- und­­Beamtenschaft Bier einen bescheidenen,­ allerdings immer unzureichender wer­dender Ausgleich. Durch erhöhte Lohn- und Gehaltsfor­­derungen zu schaffen suchen, so Liegt es Doch auf der Hand, daß in sehr­­ absehbarer­ Zeit auch für sie der Augenblic. .fommen muß, an dem die für die breiten Schichten des Mittellandes­ bereits längst­ zu kurz ge­­­wordene Dede nicht mehr ausreichen wird, die­­ Blößen des wirtschaftlichen Daseins selbst nur auf das Fümmer­­fichste zu verhüllen, und daß dann die allgemeine Not nur­ allzu leicht zu D Verzweiflungsarten führen kann, die sicherish auch im Interesse der Gegner Deutschlands bei» fer vermieden werden würden. Es bleibt abzuwarten, 06 das Kabinett Suno aber­­mals den Berfuch machen wird, die in den Abgrund stürzende Mark dur eine erneute Stügungsaktion der Reichsbank aufzuhalten und damit den ungeheueren Drud zu lindern, der auf dem wirtschaftlichen Leben der brei­­testen Rollschichten lastet. Mittel: zu einer solchen Aktion stehen der Regierung zweifellos noch zur Verfügung, und ebenso Tan es als­ sicher­­ gelten, daß die am­ einem niedrigen­ Marsstande naturgemäß interessierten Geport- Kreise sich mit einer in­­ bestimmten Grenzen gehaltenen Stagungsaktion einverstanden erklären würden. Auch­ der Wille der Reichsregierung, den ihr durc das "Vorgehen und Die unerfüllbaren F­orderungen Stranfreichs aufge­­zwungenen Kampf bis zur­ Anbahnung­­ einer annehm­­baren. “DBerständigung Durchguhalten, steht.. fraglos nicht minder „außer Zweifel,­ als der ungebrochene­­ Ab­wehr­­wille.: der­ Bevölkerung in den von­ Frankreich und D­el«­gien belegten Gebieten.­­ Aber —­ und das darf nicht außer acht gelassen werden — das Kabinett­ Gun ist nicht­­ unsterblich. Die Sozialdemokratie, der beim Anblick dieses ehemaligen Tai» jerlichen Ministerialrats’ und» späteren­ Leiters einer der größten kapitalistischen­­ Wirtschaftsunternehmungen nie»­mals recht geheuer zu Mute war, und die­ darüber hinaus auch noch von der Rücksichtnahme auf die ultraradikale Binse gedrängt wird, ist in den seßten Wochen under« fennbar in eine kaum noch verhüllte Opposition zum Reichskanzler getreten, für den sie den Nachfolger in der Berson ihres­ Abgeordneten Breitscheid im­­ Hinter­­grunde bereits zur Verfügung­ hält. Und ebenso unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß sich bei einem von der So­­zialdemokratie herbeigeführten Stürze des Kanzlers, selbst seine heutigen volfsparteilichen Freunde zur Not zu trd­­­ffen wissen und zur Mithilfe an der Bildung eines neuen Kabinetts duch Präsentation ihres Führers Strejt­mann bereit erklären­ würden. . Dieser von sozialdemokratischer und volfsparteilicher Seite der gleichmäßig geübte Druck auf­ die Reichs­­regierung „in der Richtung einer Wiederaufnahme der Erfüllungspolitik­, der in den verschiedenen Reichstags­ reden Breitscheids und Griesemanns zur Reparations­­frage deutlich genug zum Ausdruch kam, hat­ es, denn auch bewirkt, daß der­ Kanzler, entgegen seiner urrsprünglichen Haltung, si zu einem Eingehen auf die Anregung, Lord Burtons und­ zur Einfeitung von­ Verständigungsverhand­­­lungen im Wege eines neuen Deutschen: Angebotes hat bereit finden lassen. Und derselbe, Drud hat ihn weiterhin bestimmt, troß der brass ablehnenden Antwortnote Frrant­­weichs den begonnenen Faden weiterzuspinnen und dur ein­ erneutes Entgegenkommen die endliche Lösung des Reparationsproblemes in Verbindung mit einer Beendigung der­ Ruhrbewegung zu versuchen. Dabei kann es auf Grund aller bisher gemachten Erfahrungen nun, kaum einem Zweifel unterliegen, daß diese neue Verständigungsaktion ebenso wenig zum „Ziel“ führen wird, wie die zahlreichen­ Friedensführer­ und Frie­­densangebote der Deutschen Regierung während des Krieges. Denn nicht nur das tatsächliche Vorgehen Franf­­reichs,­ das: auf, alliierter: Seite :in­ der­ Reparationsfrage Imebes­en auch die eigenen ncar­en mi jer Deutl nun­are bie Sabru­m dee remis mare ie weniger Interesse nimmt, als an der endgiltigen und völligen "Bernichtung Deutschlands als eines im Rate der Völker irgend­wie beachtlichen Saktors. Es gehört deshalb nach so un­­zähligen, immer wieder in derselben Richtung liegenden Erfahrungen wirklich nicht allzu viel Prophetengabe da­­zu, um voraussagen zu können, daß die Reparationsfrage, solange­­ Sraakreich auf ihre Lösung den bestimmenden E­ih­­fuß besagt, erst dann zu einem Abschluffe gelangen wird, wenn die gefundene vertragliche Formel die völlige und dauernde Niederwerfung Deutschlands zugunsten einer un­­bestrittenen Machtstellung Frankreichs auf dem europäi­­schen Kontinent gewährleistet. Man darf annehmen, daß sich an Herr Suno Hin­­sichtlich des Erfolges seiner Verständigungsak­tion seinen allzu Fühnen Eriwartungen hingibt. Aber gerade darumn, daß er dem Willen der parlamentarischen Mehrheit Rech­nung trug, liegt eine ernste Gefahr für seine Kanzlerschaft. Denn das große Vertrauen, das ihm in den meitesten Dorfskreisen entgegengebracht wird, gründet sich nicht nur auf die Genugtuung darüber, daß nach fo­­manchen Un­­anfänglichkeiten mit ihm endlich wieder einmal­ ein Mann von Können und Leistung ans Ruder kam, sondern an auf Die ruhige, feste Haltung, mit der er die nationalen san gegenüber dem Nuhreinbruch der Franzosen wabhrt . Nun ist es aber keineswegs nur die Sozialdemokratie, die, wie in Preußen, so auch im Reiche wieder die Re­­gierung übernehmen möchte und die deshalb dem gegen­­wärtigen Kabinett­ nach dem Leben trachtet, sondern eine­­ zweite Gefahr droht ihm von der­ Äußersten Rechten, die neuerdings zu Herrn Guno in den Ihroffsten Gegenrat getreten ist. Allerdings handelt es si} hier vorläufig nur um die Kleine und parlamentarisch einflußlose Gruppe der Deutschvölkischen­ Freiheitspartei, während die Deutsch­­nationalen als stärkste Rechtspartei in ihrer wohlwollen­­den Neutralität gegenüber dem­ Kabinett verharren. Aber die­­ völkischen Abgeordneten fügen sich unverkennbar auf eine starre Bewegung im Lande und sie erregen ihren mangelnden parlamentarischen Einfluß duf die Ziel­­­­strebigkeit eines entschlossenen Wissens und durch eine rich­­tige, überall offene Türen­ findende Agitation. Eine Wihwähhung dieser gespannten innerpolitischen Situation, wie sie duch den Gegenfal zwischen der Äußer­­sten Rechten und Linken gegeben ist, ist nun unter stills schweigender PDuldung der Reichsregierung seitens des preußischen sozialistischen Innenministers Severing derge­­stalt versucht worden, daß er die Deutschnölfische Frei­­heitspartei troß ihres parlamentarischen Charakters kur­­zerhand für Preußen verbot und damit der völfischen­­Be­­wegung ihren organisatorischen Kristallisationspunkt zu nehmen versuchte. Ganz abgesehen jedoch davon, daß die­­ses Verbot, dem sich bald darauf verschiedene andere­n Bundesstaaten anschlossen, erst noch der richterlichen­­ Be­­stätigung durch den Staatsgerichtshof in Leipzig bedarf, hat bisher die Geschichte aller Ausnahmegelege immer nur die eine Erfahrung­­ bestätigt. Daß verfolgte Parteien und Bewegungen, eine geschichte Führung vorausgeföst, umso mehr an Ausbreitung zu gewinnen pflegen, je stär­­ker der auf sie geübte Druck ist. Sicher ist jedenfalls das eine, daß die innerpolitische Lage doch das­ Verbot der völkischen Partei und ungeachtet des ruhigen Ausklanges der Reichstagsdebatten eine wesentliche Entspannung bisher nit erfahren hat, und daß insbesondere die Gefahr eines Zusammenstoßes zwischen den­­ beiden Lagern nationaler und internationaler Weltanschauung, mit den Kommunisten, bezw. den Bölfischen als Avantgarde, nach wie vor am Horizont droht. Und dieses ernste Problem, über­ das in einem der nächsten Briefe vielleicht einmal­ gesondert zu reden sein wird, Jan trop aller. Vorbeugungsmaßnahmen der Regierung gerade Durch den­ weiterren Verlauf der Reparationsfrage DORF: FR eine ‚aktielle Bedeutung gew­innen. Dee Deutschland, Die sogenannte Gntente‘ und die UNMIRIDOERSDEN Butsche. Die A­nan­a im Ruhrgebiet fängt er an, den rg a. Be zu mache: Tpsiafistischen Gene Höd­en ge Be­n Berarfien und Standpunkt man. bereits rechnete. Aber man meinte, der kommunistischen Minderheit aoch „Nachhilfe“ gefällig sein, und von ihr das Gewünschte zum Dank erhalten zu können. Aun findet plöglic das­ Pariser Negierungsblatt es sehr bedenklich, daß große Geldbeträge­ aus Rußland nach der Nuhr abgehen und beziffert die zur­­Berwendung gelangte Summe auf 20 Millionen Schweizer Franken, heute etwa gleich­ 200 Milliarden Papiermars. (Der Besis einer ähn­­lichen Summe wurde nach der­ Ermordung Worows­­si­s in­ seinem­ Besit­ konstatiert und es ist­ sicher, auffällig, daß Worowssis­ Begleiter nach dem Morde nachmeisbar eine Menge Papier im Hotel­ Geci[ verbrannt­­ haben.) Das halbamtliche P­ariser Blatt wundert: ji, daß Deutsch­­land ‚gegen Rußland, nichts unternimmt, daß es nicht min­­destens nach englischem Beispiel eine Protesti­ote nac­h Moskau sendet und daß es den Verkehr mit auswärtigen Depijen nicht besser überwacht. „ze Semps“ übersieht hiebei gefltifentlich, daß Frank­­reich durch Wegschaffung der deutschen Polizei,­­ Durch DBerhaftung, ‚Terrorisierung und Ausweitung der deut»­ichen Oberbeamten und des niederen Staatspersonals jede Tätigkeit des deutschen Regierungsorganismus unmöglich gemacht hat. Auf die Arbeit der wenigen Hunderte zwei­­felhafter Personen, welche nach französischer Weisung Dienst versehen,­­ist selbstverständlich sein DVerlaf. Ein Seil der 20 Millionen Schweizer Franken mag eben diesen Men­­schen , zugefallen sein. Auf diese Art ist es möglich ge­­worden, daß nunmehr anderthalb Millionen oder viel­­leicht noch mehr Arbeiter im Streik stehen, wozu sie durch den unbehinderten Terror der Kommunisten gezwwungen worden­­ sind. Man sieht es in Rußland und Italien, daß eine­ verhältnismäßige Heine Zahl Fanatiker eine weit überwiegende Mehrheit beherrschen kann, und Die berüchtigte Bollsmarinedivision, welche deutschen Republik in Berlin eine Schredensherrschaft auf­­gerichtet hat, zählte­ nach den Angaben des kommunisti­­schen Baseler „Vorwärts“ etwa 2000 Mann, von denen sich aber kaum mehr als die­ Hälfte an den Gr­eifen und­­­ergewaltigungen beteiligte. Die Sache fängt m­ft an, auch den Anstiftern unangenehm zu werden. Der Berliner „Vor­­wärts“ beschuldigt die „Rote Fahne“ und diese zitiert eine Entscheidung Moskaus, daß die Putsche im Ruhrgebiet unerwünscht seien, weil sie zwangsläufig die überwiegende Masse der Arbeiterschaft zu Nationalsozialisten machen. Diese neue Spielart des Sozialismus, welche glühend na­­tional empfindende Arbeiter schafft, ist natürlich in Mos­­kau, in Paris und in der Redaktion der „Roten Sahne“ gleicherweise, wenn auch aus verschiedenen Gründen, uns v­erwünst, zu Beginn der : ° -

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