Kirchliche Blätter, 1900. Mai -1901. April (Jahrgang 5, nr. 1-52)

1900-05-02 / nr. 1

De­ ­positives anerkennt und zulegt zur Richtschnur des Glau­­bens und des Handelns nichts anders braucht als die eigene Willkü­r und das eigene Ich, verbrämt mit huma­­nitären Redensarten. Ein R­eformator läßt sich ohne positierte Grundlage nicht deuken, und Honterus stand auf dem Boden der reformatorischen Schriften, in erster Reihe der Augustana, dem ersten Bekenntnis der ev. Kirche. Und Bischof Teutsch hat u. a. auch in der XII. Landes­­kirchenversammlung, die er leitete (1885), ausgesprochen, der christliche Geist dürfe nicht in B­ügellosigkeit ausarten, und wir müßten den Anschein meiden, „als seien wir seine Kirche, sondern eine heute mehr morgen weniger zählende Anzahl independentistischer Individuen.“ Daß aber eine Kirche ohne positive Ordnungen, auch Glaubensnormen nicht bestehen kann, weiß jeder, der in die Kirchengeschichte auch nur einen Bli gethan hat. Aber daß dieses „Positive“ heute nicht das ist, was es vor Jahrhunderten war, das brauchen wir unserer Kirche nicht zu sagen. Wie die rechte Freiheit in Luthers und fügen wir Hinzu, in Honterus’ Schriften gegenüber der mittelalterlichen Kirche zu Tage trat, das gab ihnen ja die rechte Kraft und Tiefe. Und Teutsch hat einmal, bezeichnend für ihn, folgendes geschrieben: „Es ist sein Zweifel, daß es einen tadelnswerten Nationalismus giebt, jene3 Prinzip, wornach nur das verstandesmäßig zu Tassende für wahr gilt und recht hat, und nur weil es ein scheinbar Nübliches ist — Hiel des Strebens. Es giebt aber auch einen andern Nationalismus, das Prinzip, welches der Vernunft, als dem dem Menschen von Gott geschenkten Strahl seines Geistes, das Recht der Prüfung einräumt in allen Verhältnissen, die demnach auch alle Historisch in dem Menschengeschlecht entwickelten Formen der Religion, also auch die s christliche, nach der Forderung des Apostels selbst der Prüfung unterwirft. Dieser Rationa­­lismus, das Prinzip der Geistesfreiheit gegen die Fesseln jeder äußern Autorität ist Die Mutter des Protestantismus, und ich stehe nicht an, Luther, der in Worms nur Beugnissen der Hei­­ligen Schrift oder hellen klaren Gründen der Vernunft weichen wollte, für den größten Rationalisten zu halten. .. . Hafes Dogmatik... ist selbst der edelste Nationalismus.“ Es ist seine Frage, beide Richtungen waren in den Reformatoren vereinigt, und ein solcher Dualismus tritt zeitweise auch­ als Gegentat auf. Wenn solches geschieht, so muß jede Richtung in der andern das Streben nach Wahrheit ehren, und es geht nicht an, ihr von vorneherein Heuchelei und Nebenzwecke vorzuwerfen. Wir wollen mit forgen helfen, daß solche Gegensähe bei uns nicht erwachen und nicht das Ganze schädigen, wo sie zusammentreffen. Wir haben so viele gemeinsame Aufgaben, daß sie immer im­stande sind, Gegensäße zu überbrücken, und wer an der Hauptaufgabe arbeiten will, Vertiefung des Rolfslebens auf evangelischem Grunde, der weiß, daß solche Arbeit verschiedenartige Kräfte nicht nur DEICHN ‚andemn erfordert. Der Mangel an akademischen K­andidaten. Bei einigen Wochen ging die Nachricht durch die Blätter, daß die evang. Kirche in Ungarn einen Mangel an nachrücenden Kandidaten der Theologie bitter zu em­­pfinden anfange, und daran schloß sie ein warmer Aufruf an die Angehörigen der Kirche, mitsorgen, zu helfen, daß dieser Mangel nicht zu einem schweren Schaden der Kirche werde. Dieser Mangel, den die ungarische Kirche beklagt, ist nicht nur in ihr vorhanden, auch wir haben ihn zu Zeiten schon empfunden, dann schwand er wieder, und im­­ Augenblick stehen wir wieder vor einem solchen. Der bes­aß­te Anlaß, auch in unserm Blatte auf die Frage zu kommen. Nun ist es richtig, daß der­ Zufluß zu einem Beruf sich nach gar verschiedenen Gesichtspunkten richtet, hier äußer­­lichen, dort innerlichen, daß man ihn schwer, zuweilen gar nicht leiten kann. Aber dennoch ist nicht jede Möglichkeit verschlossen, auf Zufluß oder Stodung im Zufluß zu einer Berufsart Einfluß zu nehmen. Die öffentliche Er­­örterung der Sachslage an sich Fan Hin und wieder schon zu einer Wendung führen. Dabei müssen wir in Auge ralfen, daß wir ebenso vor einem Mangel an akademischen Lehramtskandidaten als Pfarramtskandidaten stehen ! Der eigentliche Weangel an akademischen Bewerbern um Pfarreien in unserer Landeskirche hat ‘seinen ersten Grund darin, daß ein großer Teil der akademischen Lehrer an unsern Mittelschulen ich schwerer als früher entschließt, zur Pfarre überzugehen. Es giebt eine ganze Reihe von Gründen, die die Thatsache erklären, berechtigte und ums. berechtigte, vom Standpunkt des Mannes, der Frau, der Kinder, innnerliche und äu­ßerliche, es wird kaum ein Fall ganz den übrigen gleichen. Aber das Resultat ist eben der seltnere Übergang in das, vor kaum einem Menschenalter noch sehr begehrte Pfarramt. Jene, die den Doppelberuf erwählt haben, übersehen zuweilen, daß unsere ganze Or­­ganisation der Schule und Kirche auf dieser Verbindung beruht, daß, wenn sie im großen Stil durch Nichtübergan­g ins Pfarramt gestört wird, das ganze Gebäude ins Wanfen gerät. Es ist schon um der Zahl willen, über die wir verfügen, unmöglich, lebensfrische Kollegin an unsern Schulen zu erhalten, wenn die Lehrer au) nur in ihrer Mehrzahl bis zu ihrer Pensionierung an diesen Anstalten blieben. Aber es ist auch aus Gründen der thatsächlich verfügbaren Mittel unmöglich, diese Stellen so zu dotieren, daß sie als Endergebnis einer Lebensarbeit begehrenswert erscheinen müßten. Unsere Kirche hat alle Ursache, hoch von ihren Gymnasien zu denken und diesen Zweig an ihrem Leibe zu pflegen als Spender junger Schößlinge und neuer P­fropfreifer. Aber ihr Wert für die Kirche als ganzes finst im selben Verhältnis, als weniger ihrer Lehrer in den Kirchendienst übertreten. E83 erwächst davon für diese Anstalten selber eine Gefahr, wenn jener Übergang vom Lehramt zum Pfarramt am Ende ganz stec­e oder jo | ER ah

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