Kirchliche Blätter, 1947 (Jahrgang 38, nr. 1-53)

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stark blühen können,wenn sie schon wurzelkrank sind). Aber­ wenn diejenigen,die die Gemeinschaftskräfte in Bewegung legen, nicht mehr aus dem Vertrauen auf Gott, sondern aus dem Vertrauen auf menschliche Ziel­­regungen handeln, dann führen sie mit ihren Irrungen an die Gemeinschaft in die Irre. Da aber nur Gott über die Kraft der Schuldvergebung verfügt, ist auf der Flut vor Gott seine rettende Umkehr aus Irrungen möglich. Es kommt dann zu großen Erschütterungen der Gemeinschaft, wo nicht die echte Hingabe an Gott wie­­der um js greift und den Weg der Schuldvergebung so­­wohl für die Einzelnen als auch — durch ihren geläu­­terten Dienst — für die Gemeinschaft neu eröffnet. Für unsere Vorfahren hatten sich die Segnungen aus­­ der Glaubenserweckung in der Urheimat bis zum Be­­ginn des 16. Jahrhunderts erschöpft. Es zeigte ich, daßs ihre Hingabe an die Ziele der Gemeinschaft den schweren Anforderungen der Zeit nicht mehr standhielt. Sie wa­­ren freilich zu einer großen Umstellung gezwungen. Die Welthandelsstragen verlegten sich aus dem Mittelmeer hinweg. Die Häfen am Schwarzen Meer aber, zu denen Handelsstragen nahe an Siebenbürgen vorbeigingen, die vordem für unsere Städte fruchtbare Wirtschaftsbe­­ziehungen möglich machten, gerieten überdies in türkische Hand. Dadurch kam in die Wirtschaftbeziehungen rings um das Schwarze Meer eine solche Unsicherheit, daß die Ahtagmärkte für unser Gewerbe plöglich sehr schrumpf­­ten. Die Einschränkungen, die dadurch nötig wurden, führten plöglich zu solchen Spannungen untereinander, da­ man, so wenig damals auch geschrieben wurde, aus zufällig erhaltenen Berichten und Prozekarten zuweilen den Eindruf gewinnt: es hätte zu einem Kampf aller gegen alle kommen künnen. Um nur Einiges zu erwäh­­nen: zwischen Hermannstadt und Kronstadt stand es so, daß sie ihm durch Mord und Todschlag die Handelsbezie­­hungen zu stören versuchten; in Schäßburg sperrte eine revolutionäre Bewegung den Bürgermeister in den Schweinestall; in Bittrig ging der Stadtrat als Ge­richtsbehörde so eigenmäc­htig vor, Daß das oberste Gericht der fächlichen Nation wegen Rechtsbruch alle seine Mit­­glieder zum Tode verurteilte, — welches Urteil gar nicht durchgeführt werden konnte. Mitten in diese Gärung kam die Verkündigung des reinen Evangeliums dur die Glaubensboten der Re­­formation. Es war eine besondere Gunst, daß infolge des von den Zünften gebotenen Gesellenwanderns nicht nur die Studenten von den Hochschulen, sondern auch die zurückehrenden Gesellen, also die werdenden Meister, aus den Werkstätten der evangelischen Städte im Mut­­terlande der Reformation den Ruf zum reinen Evan­­gelium und die Bereitschaft zur vorbehaltlosen Hingabe an den offenbarten Gott und seinen Heiland mitbrach­­ten. Dadurch kam es besonders im zunftgerechten Bür­­gertum, in dem die segnende Fortwirkung der Ermwer­­fungszeit sich am längsten fruchtbar gezeigt hat, zu neuem Glaubensdurchbruch. Da dieses im Allgemeinen um eine Altersfolge (Generation) später geschah als im Mutterlande der Reformation, hat verhütet, daß auf­ Die Ärgsten Störungen, mit denen Luther durch die Schwarmgeister zu sümpfen hatte, uns mit voller Wucht trafen. Dennoch hat es auch bei uns große Spannungen und ein lebhaftes Geistesringen um den wahren Weg der Reformation gegeben, bis es bei uns eine luthe­­rische Kirche ausgestaltete. Neueste Forschungen­ haben erwiesen, daß die bisherige Ansicht, die Losläfung von der katholischen Kirche sei bei uns mehr ein vollständiges Durchdringen der in Anlagen schon vorhandenen finde­lichen Selbstverwaltung gewesen als ein Glaubensan­­liegen, vollständig falsch ist. Die Glaubensanliegen der Reformation haben auch bei uns sehr starr gewirkt. Und es kam dadurch zur Erneuerung eben jener unmittel­­baren und vollen Hingabe an Gott, so daß man nur aus restlosem Vertrauen zu ihm leben kann, die bei uns aus dem großen Geshent der Erwedungszeit noch Spuren hatte, also leichter zum neuen Durch­­bruch kommen konnte als anderwärts. — Diese Neu­­befruchtung im Glaubensdurchbruch der reformatori­­schen Bewegung bekundet sich nun besonders eindruchs­­starf in einer geradezu imponierenden Gesundung der Gemeinschaftskräfte. Während es um die Vierteljahr­­hundert-Wende des 16. Jahrhunderts Ersch­wungen gab, die nicht nur den Zusammenbruch durch An­­­­griffe von außen, sondern auch den Zerfall durch Ver­­wirrung im Innern unausweichlich zu machen schienen, — tritt um die Halbjahrhundert-M Wende (über alle Span­nungen der Refomationsbewegung hinweg!) unsere Stammesgemeinschaft mit so zielsicherer Geschlossenheit hervor, daß sie zu einem der drei Eckpfeiler des selbstän­­digen Siebenbürgen wurde, dem vorzüglich die Verhü­­tung voller türk­sscher Untertänigkeit zu danken ist. Als besonders Fare Frucht dieser sozialen Zusammengehörig­­keit reifte im dritten und vierten Viertel des Jahrhun­­derts der Reformation das „Eigenlandrecht der Sachsen in Siebenbürgen“; von 1583 bis 1853 ist es ihr Nechts­­buch gewesen und hat ihnen zu einem Zusammenleben und Zusammenschaffen in gegenseitigem Vertrauen"ge­­holfen. · 4. Auch die Befruchtung durch den neuen Glaubens­s­durchbruch in der reformatorischen Bewegung erschöpfte in den nachkommenden Altersfolgen allmählich ihre Kraft.Am Ende des 17.Jahrhunderts tritt dieses be­­sonders besorgungerregend zutage.Es ist das die Zeit, wo die Türken schon nahe an der vollen Beherrschung des Landes gewesen sind Mit«ihrer Ü­bermacht bürger­­ten sich auch ihre U­nsitten ein,die dem Mächtigen allen« Übermut freigaben,dem Unterdrückten aber selbst die Rechtshilfe weitgehend versagten.Gestalten wie d­er be­­kannte unselige Schäßburger Bürgermeister Schuller von Nosenthal der·sich selbst,aber auch dem Sachisengra­fen Harteneck zum Verhängnis wurde,lassen die Zer­­fallsgefahr für unsere Gemeinschaft,die damals­ bestand, wie in einem Blitzlicht aufleuchten.Die Befreiung von·« der türkischen Herrschaft brachte zunächst eine Stei­­­gerung dieser Erschütterung.Denn die habsburgische­ Oberherrschaft verfolgte ihre eigenen Ziele,wobei der Drang zur Gegenreformation von einer Aufsplitterung der Sachsen nur gewinnen zu können schien.Jedenfalls zeigen uns die Vorgänge,die durch den Prozeß gegen den Sachsengrafen Harteneck(leider unvollständig!)be­­kannt geworden sind,daß die Umstellung auf die neue Herrschaft die Sachsen in neue Gefahren brachte.Auf­­­­ihre Wurzelgefahr besann sich aber gerade ein Sachsen­­graf,Andreas Teutsch,der die Vernichtung Hartenecks­ unmittelbar hatte miterleben können.Er hat später alles daran gesetzt,der pietistischen Erweckungsbewegung bei uns den Zugang zu bereiten. Dabei gelang es, daß nicht wie vielfach anderwärts K­onventikel sich bildeten, die die Gemeinden bekämpften und aufspalteten,­­ son­dern der Pietismus wirkte sich bei uns, besonders dank Marcus Fronius, schließlich in einer ganze Gemeinden erfassenden Erwedlung aus. Was wir an guter Hirde ;

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